UN-Klimagipfel und die Inselstaaten: Wie der Klimawandel Politiker ihr Mandat kostet
Die kleinen Inselstaaten leiden wegen des steigenden Meeresspiegels besonders unter dem Klimawandel. Engagierte Politiker genießen dennoch nicht das Vertrauen ihrer Bevölkerung.
Tony de Brum ist auf dem Höhepunkt seiner politischen Karriere angekommen. Vor einer Woche hat er für sich selbst und für seinen kleinen pazifischen Inselstaat, die Marschallinseln, den Alternativen Nobelpreis entgegengenommen. Die Lobrede hielt „meine gute Freundin Barbara Hendricks“. Die deutsche Umweltministerin ist ihm bei allen Auftritten der von Tony de Brum beim Klimagipfel gezimmerten Koalition für Klimaehrgeiz (High Ambition Coalition) nicht von der Seite gewichen. Tony de Brum wird als einer der Helden des Gipfels gefeiert – von Nicht-Regierungsorganisationen wie auch vom Plenum des Klimagipfels: Als die Koalition in den Saal einzog, gab es Standing Ovations.
Vor einem Jahr hat er die USA wegen ihrer Hinterlassenschaften der Atomwaffentests der 1950er Jahre auf dem Bikini-Atoll verklagt. Einer der Gründe für den Alternativen Nobelpreis. Doch auf den Marschallinseln hat ihm die globale Beliebtheit wenig geholfen. Vor einer Woche verlor Tony de Brum sein Mandat im Parlament, im Januar muss er seinen Posten als Außenminister abgeben. Es war übrigens das dritte Mal, dass er seinem Inselstaat als Außenminister gedient hat. Angesprochen auf seine Wahlniederlage, sagte de Brum dem Online-Magazin „Climate Home“: „Die Wähler wissen es immer am besten. Vermutlich wissen sie, dass ich zu alt bin und es für mich Zeit wird, die Angelrute an den Nagel zu hängen.“
Junge Wähler verlieren Vertrauen
Der Klimawandel ist nicht direkt schuld an de Brums Niederlage. Aber er spielt eine Rolle. Auf den Marschallinseln bestimmen Springfluten wegen des steigenden Meeresspiegels längst den Alltag. De Brum selbst erzählt, dass eine dieser King Tides ein Fischerboot direkt neben seinem Schlafzimmer abgeworfen hat. Offenbar haben die jungen Wähler auf den Inseln immer weniger Vertrauen in die Politiker und darein, dass sie in der Lage sein werden, dieses Problem zu lösen.
Daran hat der Erfolg von de Brum nichts mehr geändert, obwohl er die Welt zu einem Bekenntnis für das Überleben der Inseln genötigt hat. Im Klimavertrag heißt es, die globale Erwärmung solle „weit unter zwei Grad“ im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung gehalten werden. Angestrebt würden 1,5 Grad – die Forderung der verletzlichen Staaten. Am Samstagabend sagte Tony de Brum lächelnd: "Heute haben sich alle 195 Staaten der High Ambition Coalition angeschlossen", dann übergab er das Wort an eine 18-Jährige, die sich mit den Worten einführte: "Ich bin ein kleines Mädchen von einer kleinen Insel mit großen Träumen." Zum ersten Mal sehe sie Hoffnung für ihr Heimatland, sagte sie weiter.
Als "Terrorist" im Gefängnis
Ähnliches hat Mohamed Nasheed erlebt. 2008 löste er in der ersten demokratischen Wahl auf den Malediven den Langzeitdiktator Mamoon al Gayoom ab. Nasheed hat sich international mit seinem Kampf gegen den Klimawandel einen Namen gemacht. Kurz nach Amtsantritt versprach der Präsident die Kohlendioxid-Neutralität der Malediven innerhalb von zehn Jahren. 2012 wurde Nasheed zum Rücktritt gezwungen, nachdem er den Fehler gemacht hatte, sich mit der Justiz anzulegen. Wenig später saß er wieder im Gefängnis. Inzwischen regiert der Halbbruder von Gayoom, Abdulla Yameen. Nasheed ist im März wegen „Terrorismus“ zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. Der Terrorismus bestand darin, dass seine Anhänger für seine Freilassung demonstriert hatten.
Die Außenministerin der Malediven, Dunya Maumoon, sagte dem Tagesspiegel: „Das war ein rechtsstaatliches Verfahren.“ Dass der Präsident seinen Vize wegen angeblicher Anschlagspläne erst vor einem Monat hat verhaften lassen, spricht aber gegen ihre These politischer Stabilität. Die wird weiter gefährdet durch die Auswirkungen des Klimawandels. Im vergangenen Jahr hatte die Hauptstadt Male wochenlang kaum Trinkwasser, weil die einzige Meerwasserentsalzungsanlage überflutet worden war und nicht mehr produzierte.