Merkel besucht Unwetter-Region: „Wir müssen uns sputen beim Kampf gegen den Klimawandel“
Kanzlerin Merkel hat den verwüsteten Eifelort Schuld besucht. Sie zeigte sich schockiert und sprach von einer „surrealen, gespenstischen Situation“.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich beim Besuch des verwüsteten Eifelorts Schuld in Rheinland-Pfalz erschüttert gezeigt. „Ich bin hergekommen, um uns als Bundesregierung ein reales Bild von dieser surrealen, gespenstischen Situation zu machen. Ich würde fast sagen, die deutsche Sprache kennt kaum Worte für die Verwüstung, die angerichtet ist“, sagte Merkel.
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Begleitet wurde sie im Kreis Ahrweiler unter anderem von der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). „Es ist beruhigend zu sehen, wie die Menschen einander helfen und wie viel Solidarität da ist. Und wenn ich heute in Schuld war, dann war ich hier stellvertretend für alle anderen betroffenen Gemeinden“, so Merkel weiter.
„Wir stehen an ihrer Seite, Bund und Land werden gemeinsam handeln, die Welt wieder Schritt für Schritt in Ordnung zu bringen in dieser wunderschönen Gegend. Das heißt, dass wir kurzfristig schnell handeln müssen, aber auch, dass wir einen langen Atem brauchen. Ich kann ihnen versprechen, dass wir beides tun werden“, sagte Merkel. Fernsehbilder zeigten die beiden vor ihren Statements unter anderem auf einer Brücke im Gespräch mit Einsatzkräften.
Dreyer geht von einem „Kraftakt auf lange, lange Zeit“ aus, bis der Wiederaufbau in den von der Hochwasserkatastrophe betroffenen Gebieten bewältigt ist. „Es wird lange dauern, bis die Leute wieder sagen können: Ich erkenne meine Heimat wieder“, sagte sie.
Vorrang habe nun die Suche nach den noch immer Vermissten. „Wir werden nicht ruhen, bis die Menschen, die vermisst werden, gefunden werden“, versprach sie. Auch Merkel sagte, die Rettungsarbeiten hätten „absoluten Vorrang“. Die Unwetterkatastrophe im Landkreis Ahrweiler hat bislang 110 Todesopfer gefordert, 670 Menschen wurden verletzt.
Der Bürgermeister von Schuld, Helmut Lussi, erwartet eine sehr große Schadenssumme. Ein Sachverständiger sei allein in dem Dorf, das knapp über 700 Einwohner zählt, in einer ersten Schätzung auf 31 bis 48 Millionen Euro gekommen. Viele Hausbesitzer hätten keine Elementarschadensversicherung.
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Die Kanzlerin sagte, dass die Bundesregierung schon am Mittwoch ein Programm für schnelle Hilfe und den Wiederaufbau der Infrastruktur verabschieden werde. Eine verpflichtende Elementarschadensversicherung für Hausbesitzer lehnte sie aber ab. Die Versicherungsbeiträge könnten Einzelpersonen und Unternehmen in Hochwassergebieten schnell „total überfordern“, sagt Merkel. Man müsse staatlicherseits überlegen, was man tun könne und etwa über eine Art Umlagesystem nachdenken. Dreyer sprach sich dagegen für eine verpflichtende Versicherung aus, bei der die Kosten auf alle Versicherungsnehmer umgelegt werden.
„Wir sehen, mit welcher Gewalt die Natur agieren kann. Es wird sich leider einiges ändern“, so Merkel. Sie sicherte den Menschen zu, dass es wieder aufgebaut wird. „Wir werden uns dieser Naturgewalt stemmen.“ Es bedürfe einer Politik, „die die Natur und das Klima mehr in Betracht zieht, als wir das in den letzten Jahren gemacht haben“.
Merkel forderte auch verstärkt Anpassungsmaßnahmen. „Wir müssen uns sputen, wir müssen schneller werden beim Kampf gegen den Klimawandel“, sagte sie. Man könne zwar nicht aus einem Hochwasser allein auf den Klimawandel schließen, aber sehr wohl aus der Summe der Umweltschäden in Deutschland.
Man werde deshalb nachdenken müssen, was man beim Hochwasserschutz, in der Landwirtschaft und der Forstpolitik verändern müsse. Man müsse sich verstärkt um die Anpassung an den Klimawandel kümmern – und das „so schnell wie möglich“. (mit Agenturen)