Deutschland und die Trump-Regierung: "Wir müssen noch viel Aufklärungsarbeit leisten"
Jürgen Hardt, Koordinator der Bundesregierung für transatlantische Zusammenarbeit, über seine Gespräche in Washington, mangelnde Kenntnis in Trumps Umfeld über die EU und das Verhältnis der neuen Führung zu Deutschland.
Wen haben Sie in Washington getroffen?
Im State Department hat mir der amtierende Abteilungsleiter für Europa, einer der derzeit hochrangigsten US-Diplomaten, erklärt, dass die Anordnung des Präsidenten zu den Einreiseverboten verändert wird. Doppelstaatsangehörige, die auch einen Pass der betroffenen sieben Länder haben, sollen nun doch ein Visum für Amerika bekommen. Im Weißen Haus habe ich den stellvertretenden Stabschef Rick Dearborn gesprochen und angeregt, dass wir uns sehr zügig der weiteren Vertiefung unserer Handelsbeziehungen widmen. Das wäre auch ein Zeichen von Handlungsfähigkeit der neuen Regierung.
Welchen Eindruck haben Sie von den Gesprächen?
Meinem Eindruck nach ist die Kenntnis über die Art und Weise, wie die Europäische Union funktioniert, zumindest im engeren Umfeld Trumps nicht sehr ausgeprägt. Wir müssen noch viel Aufklärungsarbeit leisten. Dass Handelsfragen keine nationale Angelegenheit sind, sondern in die Kompetenz der EU fallen, müssen wir erst deutlich machen. Die Vorstellung, dass man Handelspolitik mit europäischen Staaten auf bilateralem Wege machen kann – was wohl die bevorzugte Vorgehensweise der neuen US-Administration sein wird -, ist ja gar nicht umsetzbar. Da sind noch intensive Gespräche nötig.
Wie ist das Interesse an Deutschland und an der transatlantischen Partnerschaft?
Die Amerikaner sind weiterhin ganz stark an einem Austausch mit Deutschland interessiert. Es ist für deutsche Politiker nicht schwer, hochrangige Termine in Washington zu bekommen. Wie groß das Interesse an einem Dialog ist, zeigt auch die Tatsache, dass die US-Delegation, die zur Münchner Sicherheitskonferenz kommt, noch größer sein wird als in der Vergangenheit. Das ist ein gutes Zeichen.
Haben Sie mit Ihren Anliegen in Washington Gehör gefunden?
Ich glaube, dass uns sehr wohl zugehört wird. Bisher ist es uns allerdings nicht gelungen, den Beitrag der deutschen Industrie in den USA hinreichend deutlich zu machen. 700.000 Arbeitsplätze in den USA gehen direkt auf deutsche Investitionen zurück, diese Arbeitnehmer verdienen 25 Prozent mehr als der Durchschnitt in vergleichbaren Berufsgruppen, ihr Organisationsgrad in Gewerkschaften ist höher. Es gibt sehr gute Argumente zu sagen, dass deutsche Investitionen einen wesentlichen Beitrag leisten - auch zum Plan des Präsidenten, das Land zu reindustrialisieren. Im Grunde ist Deutschland ein starker Partner und auch eine große Chance für Amerika. Debatten über Strafzölle sind da völlig kontraproduktiv. Es wird sicher einige geben, die für Argumente nicht offen sind, aber eine zunehmende Zahl von Politikern in den USA ist bereit, sich diese Dinge erklären zu lassen.
Der US-Präsident Donald Trump hat deutlich gemacht, dass er von der EU wenig hält, die Nato bezeichnete er als obsolet. Was folgt daraus für die europäische Sicherheitspolitik?
Das war hier kein kontroverses Thema mehr. Sowohl der Außen- als auch der Verteidigungsminister haben sich hinsichtlich der Rolle Amerikas in der Nato eindeutig zur bisherigen Politik bekannt. Auch der Präsident hat das in seinem Telefonat mit der Kanzlerin zum Ausdruck gebracht. Klar ist allerdings, dass von uns bei den Verteidigungsanstrengungen mehr verlangt wird. Diese Forderung kommt nicht unerwartet. Wir hatten allerdings schon deutlich vor den US-Wahlen beschlossen, den Verteidigungsetat aufzustocken und die Zahl der Soldaten zu erhöhen. Dies steht nicht im Zusammenhang mit Forderungen Trumps. Viele in Washington sehen, dass Deutschland hier etwas tut.
Wie wird sich aus Ihrer Sicht das Verhältnis der USA zu Russland entwickeln?
Die klare Antwort aus dem Weißen Haus war, man habe keineswegs ein romantisches Bild von Russland und seinem Präsidenten Wladimir Putin, wolle aber zum Beginn einer neuen Beziehung zwischen dem amerikanischen und dem russischen Präsidenten zunächst die Gemeinsamkeiten hervorheben und nicht die Unterschiede. Der gemeinsame Kampf gegen den IS soll in den Vordergrund der Zusammenarbeit gerückt werden. Es ist eine bewährte diplomatische Strategie, sich zunächst auf die Punkte zu konzentrieren, bei denen man einer Meinung ist. Dem sollten wir eine Chance geben.
Und was heißt das für den Ukraine-Konflikt, ein Thema, bei dem es ja bisher große Differenzen zwischen Washington und Moskau gab?
Ich habe nicht den Eindruck, dass die US- Administration die Sanktionen gegen Russland grundsätzlich in Frage stellt. Einen Kurswechsel sehe ich derzeit nicht. Aber das ist eine vorläufige Betrachtung.
Wie kann Deutschland mit einem Amerika umgehen, in dessen Führung nationalistische, protektionistische und autoritäre Tendenzen die Oberhand gewinnen?
Europa muss gegenüber Amerika mit einer Stimme sprechen. Ich würde mir wünschen, dass sich die Staats- und Regierungschefs gut abstimmen, wenn sie mit der amerikanischen Führung in Kontakt treten, damit Washington merkt, dass die Europäer in den großen Fragen an einem Strang ziehen. Das dürfte helfen, die Akzeptanz der EU in Washington zu erhöhen. Zweitens dürfen wir darauf vertrauen, dass in Amerika der Rechtsstaat und die „checks and balances“ funktionieren. Das haben wir gerade bei den Einreiseregelungen gesehen. Es war gar nicht so notwendig, von außen Kritik zu üben, sondern es hat erhebliche Widerstände aus der amerikanischen Zivilgesellschaft und auch aus der Regierung heraus gegeben. Kritik von außen wird im Zweifel von einigen in Trumps Umfeld, vor allem von seinem Chefberater Stephen Bannon, als Bestärkung empfunden werden und nicht als Anstoß zum Nachdenken. Wir müssen klare Worte finden, wenn es um gemeinsame Werte geht. Aber es ist kontraproduktiv, die Dinge lautstark und überzogen anzusprechen.
Jürgen Hardt (CDU) ist seit April 2014 Koordinator der Bundesregierung für die transatlantische Zusammenarbeit. Außerdem ist er außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag.
Der Tagesspiegel kooperiert mit dem Umfrageinstitut Civey. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier