Streit um Wahlkampfauftritte: Wie unterschiedlich Europa mit türkischen Politikern umgeht
Deutschland steht mit seiner liberalen Haltung nicht allein. Doch immer mehr europäische Staaten untersagen Auftritte türkischer Politiker. Ein Überblick.
In den Niederlanden war der Besuch des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu am Samstag nicht erwünscht – in Frankreich dagegen schon. Nachdem ihm die niederländische Regierung die Einreise verweigert hatte, reiste Cavusoglu nach Paris. Am Sonntag trat der Minister in der Stadt Metz auf, um für eine Verfassungsänderung in der Türkei zu werben, über die am 16. April in einem Referendum abgestimmt werden soll.
Die Regierung in Ankara hofft auf die Unterstützung der im Ausland lebenden Türken. Das Außenministerium in Paris hatte die Veranstaltung in Metz, die von einem türkischen Verband organisiert wurde, Medienberichten zufolge genehmigt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bedankte sich demonstrativ für die Erlaubnis.
Eigentlich wollte der türkische Außenminister an diesem Sonntag in der Schweiz auftreten, doch das Hotel in der Nähe von Zürich, in dem die Veranstaltung stattfinden sollte, sagte den Termin wegen Sicherheitsbedenken ab. Zuvor hatten sich die Behörden des Kantons Zürich gegen den Besuch ausgesprochen und die Schweizer Regierung aufgefordert, die Veranstaltung zu verhindern. Die Regierung griff jedoch nicht ein. Die Züricher Kantonsbehörden zeigten sich nach der Absage demonstrativ erleichtert: „Damit konnte eine akute Gefährdung der öffentlichen Sicherheit abgewendet werden“, erklärte die Sicherheitsdirektion, die nach eigenen Angaben Auseinandersetzungen zwischen Unterstützern der türkischen Regierung und deren Kritikern befürchtet hatten.
Österreich hat eine klare Haltung
In Österreich wurde am Freitag ein Auftritt des ehemaligen türkischen Energieministers Taner Yildiz abgesagt. Die Veranstaltung in Hörbranz (Vorarlberg) war ursprünglich als Buchpräsentation angekündigt, erst am Morgen erfuhr die Gemeinde Medienberichten zufolge, dass Yildiz für die umstrittene Verfassungsänderung werben wollte. Daraufhin sagte sie den Termin ab, der Bürgermeister von Hörbranz fürchtete eine Störung der öffentlichen Sicherheit.
Österreichs Außenminister Sebastian Kurz rief die Türkei auf, die türkische Innenpolitik „nicht nach Österreich zu tragen“. Die Regierung in Wien hat sich in dieser Frage deutlicher als die meisten anderen europäischen Regierungen positioniert: So hatte Bundeskanzler Christian Kern gefordert, Wahlkampfauftritte von türkischen Politikern in der gesamten EU zu verhindern.
Ähnlich wie die deutsche Bundesregierung lehnt dagegen Schweden unter Berufung auf die Meinungsfreiheit ein generelles Verbot von Auftritten türkischer Politiker ab. In Stockholm sagte ein Gastwirt eine Veranstaltung mit einem Vertreter der türkischen Regierungspartei ab, der aber dennoch an einem anderen Ort in der schwedischen Hauptstadt am Sonntag ungehindert auftreten konnte.
Die dänische Regierung bat unterdessen den türkischen Ministerpräsidenten Binali Yildirim, einen für den kommenden Sonntag geplanten Besuch in Dänemark zu verschieben. Begründet wurde diese Aufforderung mit den türkischen Verbalangriffen gegen die niederländische Regierung.
Deutschland will keine Verbote aussprechen
Auch in Deutschland sind weitere Auftritte türkischer Politiker geplant. Dem Auswärtigen Amt liegt eine Liste aus Ankara vor, auf der Besuche verschiedener Abgeordneter und Regierungsberater angekündigt werden. Die Ankunft des türkischen Sportministers Akif Cagatay Kilic war der Bundesregierung ebenfalls auf diesem Wege vorab mitgeteilt worden. Kilic hatte am Freitag bei einer Veranstaltung in Köln gesprochen – und eher moderate Töne angeschlagen.
Auch Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya stand auf der Liste aus Ankara. Kaya wollte am Samstag von Deutschland aus mit dem Auto zu einer Veranstaltung nach Rotterdam fahren. Ihr Konvoi wurde aber von den niederländischen Behörden aufgehalten. Die Ministerin kehrte darauf um und flog von Köln-Bonn aus nach Istanbul.
Einreiseverbote wie andere EU-Staaten will die Bundesregierung nicht aussprechen, wie ein Sprecher sagte. Das Bundesverfassungsgericht hatte in der vergangenen Woche zwar deutlich gemacht, dass Deutschland Wahlkampfauftritte türkischer Amtsträger durchaus untersagen kann, ohne gegen den Grundsatz der Meinungsfreiheit zu verstoßen. Die Regierung hatte aber betont, dass sie nicht gegen solche Auftritte vorgehen will. Weitere Ministerreisen sind derzeit indes nicht angekündigt.
Thomas de Maizière sprach sich am Sonntagabend klar gegen derartige Auftritte aus. „Ich will das nicht. Ein türkischer Wahlkampf in Deutschland hat hier nichts verloren“, sagte der Bundesinnenminister im „Bericht aus Berlin“ der ARD. Er verwies auf eine Vorschrift in der Türkei, nach der Wahlkampf im Ausland nicht erlaubt sei, auch wenn Besuche dann als sonstige Auftritte kaschiert würden. „Also ich bin dagegen“, betonte der CDU-Politiker. Es müsse jedoch klug abgewogen werden, „ob man jetzt Einreiseverbote verhängt“. Eine Grenze zeige das Strafgesetzbuch auf: „Wer die Bundesrepublik Deutschland oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft und böswillig verächtlich macht, macht sich strafbar. Dort wäre spätestens eine Grenze.“
Ob und wann Präsident Erdogan nach Deutschland kommen wird, ist ebenfalls offen. Erdogan hat zwar erklärt, er werde nach Europa reisen, konkrete Reisepläne hat er bisher aber nicht bekanntgegeben. Auch beim Auswärtigen Amt wurde kein Besuch angemeldet. Da der Präsident in Deutschland Personenschutz benötigen würde, wäre eine Abstimmung in jedem Fall notwendig. (mit dpa)
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