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Drohung gegen die Niederlande: Der türkische Präsident Erdogan redet in Istanbul.
© AFP/Ozan Kose
Update

Streit um Auftritt türkischer Politiker: "Holland wird den Preis dafür bezahlen"

Die türkische Regierung reagiert mit Drohungen auf den verhinderten Auftritt ihrer Familienministerin in Rotterdam. Dänemark bittet Regierungschef Yildirim, einen Besuch zu verschieben.

Der Eklat um den verhinderten Auftritt der türkischen Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya in Rotterdam hat bei der Regierung in Ankara wütende Reaktionen ausgelöst. Die Antwort darauf werde in der "schwersten Art und Weise" ausfallen, teilte der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim am Sonntagmorgen mit.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan drohte den Niederlanden erneut: "Hey Holland, wenn Ihr die türkisch-niederländischen Beziehungen vor den Wahlen am Mittwoch opfert, werdet ihr den Preis dafür bezahlen", sagte Erdogan am Sonntag in Istanbul. Zugleich bedankte sich Erdogan bei der französischen Regierung, dass sie einen Auftritt des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu in Metz erlaubt habe.

Das Verhalten der niederländischen Behörden kritisierte Erdogan dagegen als "unanständig". "Das wird nicht ohne Antwort bleiben", sagte er. Der Westen sei "islamophob" und habe sein wahres Gesicht gezeigt. Erdogan warf zudem den deutschen Medien vor, falsch über das angestrebte Präsidialsystem zu berichten. "Das deutsche Staatsfernsehen verbreitet Lügen und Falschmeldungen", sagte er.

Ein Zeichen der Solidarität mit den Niederlanden kam am Sonntag aus Dänemark. Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen bat seinen türkischen Amtskollegen, einen für nächste Woche geplanten Besuch in Dänemark zu verschieben. „Unter normalen Umständen wäre es ein Vergnügen, den türkischen Ministerpräsidenten Yildirim zu begrüßen“, teilte Løkke Rasmussens Büro mit. „Aber nach dem jüngsten Angriff der Türkei auf Holland kann das Treffen nicht unabhängig davon gesehen werden.“

Yildirim wollte Medienangaben zufolge am 19. und 20. März neben offiziellen Terminen auch an Versammlungen türkischer Bürger in Dänemark teilnehmen. Die dänische Regierung sehe die Entwicklungen in der Türkei mit großer Besorgnis, hieß es weiter in der Mitteilung. Ein Treffen mit Yildirim könne als Zeichen interpretiert werden, dass Dänemark die Entwicklungen in der Türkei milder betrachte, und das sei nicht der Fall.

Türkei will Entschuldigung

Außenminister Mevlüt Cavusoglu forderte eine Entschuldigung von den Niederlanden. "Wir werden auf jeden Fall Schritte einleiten, wir werden weitreichende Schritte einleiten und danach wird sich Holland bei der Türkei entschuldigen", sagte Cavusoglu nach Angaben der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu am Sonntag vor Journalisten im französischen Metz. Cavusoglu wollte dort am Nachmittag auftreten. Weiter sagte er: "Solange sich Holland nicht entschuldigt, werden wir diese Schritte weiter gehen." Welche Maßnahmen er genau plane, sagte Cavusoglu nicht.

Der Sprecher von Erdogan, Ibrahim Kalin, twitterte: "Schande über die niederländische Regierung". Diese habe "anti-islamischen Rassisten und Faschisten" nachgegeben und damit die Beziehungen beider Länder beschädigt. Die Ereignisse markierten einen "schwarzen Tag für die Demokratie in Europa".

Der türkische Finanzminister Naci Agbal sagte der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu am Sonntag im westtürkischen Edirne, Europa wolle den "Nationalsozialismus" wieder auferstehen lassen. Das "antidemokratische" und "faschistische" Verhalten gegenüber der Türkei sei inakzeptabel.

Anhänger der türkischen Regierungspartei AKP protestierten gegen die Niederlande, indem sie Orangen zerschnitten und auspressten - offenbar in Anspielung an die Farbe "Oranje", die für das Königshaus der Oranier und für die Niederlande steht.

Festnahmen in Rotterdam

Die Polizei in Rotterdam hat mehrere türkische Demonstranten festgenommen, die in der Nacht zum Sonntag gewaltsam gegen die Ausweisung der Familienministerin protestierten. Sie hätten Sicherheitskräfte mit Steinen und Blumentöpfen attackiert, berichtete die niederländische Nachrichtenagentur ANP. Die Polizei habe zur Auflösung der Demonstration Schlagstöcke und Wasserwerfer eingesetzt.

Die meisten von mehr als 1000 Demonstranten, die sich Samstagabend vor dem türkischen Konsulat in Rotterdam versammelt hatten, seien friedlich abgezogen. Die Polizei hatte zuvor das Auto der Ministerin blockiert und sie gehindert, vor den Versammelten eine Rede zu halten. Erst nachdem die Ministerin zur unerwünschten Person erklärt und aufgefordert worden war, die Niederlande zu verlassen, ließ sie sich in ihrem Wagen von der Polizei nach Deutschland eskortieren. Von dort aus flog sie zurück in die Türkei. 

Die Ministerin verurteilte die Verhinderung ihres Auftritts scharf. Das sei "antidemokratisch", sagte sie am Sonntag nach ihrer Rückreise in die Türkei am Istanbuler Flughafen Atatürk. Die Behandlung der niederländischen Behörden sei "grob und hart" gewesen. Die Niederlande habe die "Bewegungsfreiheit, die Redefreiheit, jede Art von Freiheit" ausgesetzt. Sie warf den niederländischen Sicherheitskräften zudem vor, türkische Staatsbürger mit Pferden und Hunden "angegriffen" zu haben.

Sayan Kaya betonte, ihre Absicht sei gewesen, im türkischen Konsulat für das Präsidialsystem in der Türkei zu werben und nicht etwa, sich in innere Angelegenheiten der Niederlande einzumischen.

Am Samstag hatte die niederländische Regierung dem Flugzeug von Außenminister Mevlüt Cavusoglu die Landung in Rotterdam verweigert, wo er mit einer Rede für die Verfassungsreform in der Türkei werben wollte. Daraufhin riefen türkische Medien zu Protesten vor dem Konsulat auf. Cavusolglu reiste unterdessen nach Frankreich.

Der niederländische Regierungschef Mark Rutte verteidigte noch einmal die Ausweisung der türkischen Familienministerin. "Was gestern passiert ist, ist total inakzeptabel", sagte Rutte am Sonntag. "Es war unerwünscht, dass sie hier war." Rutte versicherte zugleich, seine Regierung werde "alles, was wir können, tun, um die Lage zu deeskalieren". "Wir müssen hier die vernünftige Partei sein", fügte er hinzu.

Zwischenfall am niederländischen Konsulat in Istanbul

Ein Demonstrant ist am Sonntag in das niederländische Konsulat in Istanbul eingedrungen und hat die Fahne des Landes zwischenzeitlich durch die türkische Flagge ersetzt. Der Mann rief anschließend vom Dach der Vertretung "Gott ist groß", wie auf einem Video der Nachrichtenagentur DHA am Sonntag zu sehen war. Er sei unerkannt entkommen. Die türkische Fahne wurde inzwischen abgenommen. Die niederländische Flagge wurde dann wieder gehisst.

Wie der Mann in das hoch gesicherte Gebäude gelangen konnte, war zunächst unklar. Die Sondereinsatzpolizei ist seit der Verhinderung des Auftritts von Familienministerin Fatma Betül Sayan Kaya in Rotterdam vor dem niederländischen Konsulat in Istanbul postiert.

Verunsicherung in Schweden

Nach der Absage von Wahlkampfveranstaltungen türkischer Politiker in Deutschland und den Niederlanden sorgen ähnliche Veranstaltungen in Stockholm für Verunsicherung. Ein Lokal, in dem der türkische AKP-Parteipolitiker Mehmet Mehdi Eker am Sonntag auftreten wollte, sagte die Veranstaltung ab.

Einem Bericht des schwedischen Rundfunks SVT zufolge wollte der Gastwirt nicht, dass sein Lokal in die politischen Diskussionen in der Türkei hineingezogen wird. Die AKP ist die Partei des türkischen Präsidenten Erdogan.

Eine andere Wahlkampfveranstaltung im Raum Stockholm lief am Sonntagvormittag ohne Störungen ab. Eker plante mehrere Auftritte in der schwedischen Hauptstadt. Ein Polizeisprecher sagte der Deutsche Presse-Agentur, man sei in erhöhter Bereitschaft.

Verboten sind solche Veranstaltungen in Schweden nicht. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte dem SVT: "Wir haben Meinungsfreiheit in Schweden und alle haben das Recht, Reden zu halten und sich zu treffen." Der Aufenthalt Ekers ist kein offizieller Besuch.

CSU-Politiker fordert Abzug der Bundeswehr aus Incirlik

Auch im deutsch-türkischen Verhältnis haben die zum Teil untersagten Auftritte türkischer Politiker für einen Tiefpunkt gesorgt. Präsident Erdogan hatte der der Bundesregierung Nazi-Methoden vorgeworfen.

Nach diesen jüngsten Provokationen aus Ankara wird erneut die Forderung laut, in der Türkei stationierte Bundeswehrsoldaten abzuziehen. Der außen- und sicherheitspolitische Sprecher der CSU-Bundestagsabgeordneten, Florian Hahn, sagte der „Bild am Sonntag“: "In dieser aufgeheizten Atmosphäre gerade gegenüber Deutschland erscheint es zunehmend unsicher, ob die türkische Regierung den Schutz unserer Soldatinnen und Soldaten in Incirlik umfassend gewähren kann und will. Die Bundesregierung sollte daher jetzt jegliche Investitionen in die Infrastruktur des Luftwaffenstützpunkts stoppen und, im zweiten Schritt, die Verlegung der Tornados einleiten."

Hahn sagte, Deutschland dürfe nicht zulassen, dass die Bundeswehr zum Faustpfand in Erdogans Machtspiel werde. "Ein solches Abhängigkeitsverhältnis ist irrsinnig, insbesondere wenn auch alternative Luftwaffenstützpunkte wie in Amman möglich sind." Amman ist die Hauptstadt Jordaniens.

Über eine Verlegung nach Jordanien war bereits vor einigen Monaten diskutiert worden, als der Nato-Partner Türkei Bundestagsabgeordneten einen Besuch der deutschen Soldaten in Incirlik zunächst nicht genehmigt hatte. Ankara lenkte später ein. (Tsp mit Agenturen) 

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