Coronavirus -"Drehscheibe" Ischgl: Wie Tirol das Virus ignorierte
Zwei Wochen lang hat das österreichische Bundesland Tirol infizierte Urlauber quasi ignoriert und damit vermutlich stark zur Ausbreitung des Coronavirus beigetragen.
Das Skiurlaubsort Ischgl gilt als kritischer Ansteckungsherd mit dem Coronavirus in Europa. Ischgl sei die "heimliche Virus-Drehscheibe" gewesen, berichtete das Nachrichtenportal T-Online. Die Kritik: Die österreichischen Behörden hätten viel zu lange weggesehen und den Betrieb einfach weiterlaufen lassen - ungeachtet der Hinweise aus anderen Ländern.
Island bemerkt die ersten Coronavirus-Infektionen in Ischgl
Bereits Ende Februar landete eine Maschine aus München in Island. An Board bemerkten isländische Behörden zusätzlich zu einem Rückkehrer aus Italien eine 14-köpfige Reisegruppe aus Ischgl. Am 1. März stand fest: Sie hatten sich alle mit dem Virus angesteckt.
Am 5. März reagierte Island und erklärte Tirol zum Risikogebiet - genauso wie das chinesische Wuhan und den Iran. Wer dort war muss 14 Tage in Quarantäre und die Behörden kontaktieren.
Die Reaktion der Österreicher kommt schnell: Es sei "aus medizinischer Sicht unwahrscheinlich, dass es in Tirol zu Ansteckungen gekommen ist", erklärt der Tiroler Landessanitätsdirektor Franz Katzgraber in einer Pressemitteilung. Die Urlauber hätten sich wahrscheinlich im Flugzeug angesteckt, mutmaßen die Österreicher. Der Skibetrieb in Ischgl darf weiterlaufen.
Der erste offizielle Coronavirus-Fall in Ischgl
Am 7. März melden die Tiroler Behörden den ersten Coronavirus-Fall in Ischgl. Es ist ein deutscher Barkeeper, der in der beliebten Apres-Ski-Bar "Kitzloch" arbeitet. Später wird klar: Er hat mindestens 15 Menschen angesteckt. Eine Verbindung zu den Infizierten in dem Flugzeug nach Island kann nicht mehr ausgeschlossen werden.
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Zu diesem Zeitpunkt hatten schon viele Urlauber das Virus mit nach Hause getragen: In Norwegen meldeten die Behörden, knapp die Hälfte der Coronavirus-Fälle hätten sich in Österreich infiziert.
Tirol wird vorgeworfen, die Bar nicht schnell genug geschlossen zu haben. In einer Pressemitteilung erklärt die Landessanitätsdirektion, es sei "aus medizinischer Sicht eher unwahrscheinlich", dass sich Gäste in der Bar angesteckt hätten. Wer in den letzten drei Wochen im "Kitzloch" war, können sich an eine Gesundheitshotline wenden.
Österreich handelt und erklärt das Skigebiet zur Sperrzone
Erst am 13. März, zwei Wochen, nachdem Island die ersten Infizierten entdeckt hat, werden Ischgl und das Paznautal wegen der vielen Infektionen zur Sperrzone erklärt. Die Urlauber dürfen ausreisen.
Einen Tag später ruft der Gesundheitsminister Rudolf Anschober gemeinsam mit dem Innenminister Karl Nehammer die Urlauber aus dem Paznautal, St. Anton am Arlberg und Heiligenblut dazu auf, sich dringend in häusliche Selbstisolation zu begeben.
Tirol wehrt sich gegen die Kritik
Das österreichische Bundesland Tirol steht seitdem wegen seines Krisenmanagements zunehmends in der Kritik. Landeschef Günther Platter wies am Dienstag Vorwürfe zurück, die Behörden hätten nicht schnell und konsequent genug reagiert. Tirol habe "das Menschenmögliche getan, dass es nicht ein komplettes Chaos gegeben hat“.
Wie die Tageszeitung "Der Standard" am Dienstag berichtete, konnten zahlreiche Touristen in andere Teile Tirols reisen und dort in Hotels einchecken, etwa in die Landeshauptstadt Innsbruck - obwohl sie das Land direkt hätten verlassen müssen. Auch dazu sagte Platter, man habe "das Menschenmögliche getan in der jeweiligen Situation, damit wir auch die Maßnahmen beherrschen können."
Auf der ganzen Welt seien die Behörden derzeit noch im Lernprozess, sagte Platter. Man wisse noch nicht, wie sich das Coronavirus auswirke, und das "nicht nur in Tirol, sondern weltweit".
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