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Donald Trump bereitet das Land auf eine umstrittene Wahlentscheidung vor.
© Nicholas Kamm/AFP

Supreme Court als entscheidende Instanz: Wie sich Donald Trump trotz Niederlage an der Macht halten könnte

Der US-Präsident rechnet mit dem „größten Wahlbetrug der Geschichte“. Schon vor ihm schafften es Republikaner, aus umstrittenen Wahlen als Sieger hervorzugehen.

Ausgerechnet ein Demokrat versuchte es jüngst auf die trumpsche Art. Suraj Patel trat bei den Vorwahlen der Demokraten Ende Juni in New York gegen Carolyn Maloney an und wollte das Ergebnis partout nicht anerkennen.

Patel reklamierte, dass Tausende Briefwahl-Stimmzettel für ungültig erklärt und Zehntausende zu spät versandt wurden. Und tatsächlich brachte er es so weit, dass mehr als 1000 Stimmzettel neu ausgezählt wurden, berichtete die auf Politik spezialisierte Nachrichtenseite „The Hill“.

Widersacherin Maloney vermutete, dass Patel genau das versuchte, was Trump derzeit auch vorhat: um jeden Preis Zweifel an der Rechtmäßigkeit der US-Wahl im November zu streuen. Nur brachte es im Fall von Patel nichts, er verlor auch nach der Neuauszählung die Wahl. Ob es bei Trump ähnlich endet, ist nicht ausgemacht.

Seit Wochen schon also zweifelt Trump die Rechtmäßigkeit von Briefwahlen an. Er spricht vom „größten Wahlbetrug der Geschichte“ und will deshalb Sheriffs und Staatsanwälte in die Wahllokale schicken, um die Abstimmung zu überwachen.

Am Freitag wiederholte Trump seine Vorbehalte gegen die Briefwahl. Leute würden doppelt abstimmen und man werde möglicherweise „nie erfahren, wer gewonnen hat“, sagte er bei einem Auftritt in Arlington.

Trump liegt derzeit in allen Umfragen hinter seinem Herausforderer Joe Biden. Auch in den wichtigen Swing States sieht es vielerorts nicht gut aus für Trump:

In den vergangenen Wochen zeigte er sich immer wieder frustriert, dass die Öffentlichkeit seine Leistungen nicht würdigen würde. Fast ebenso lang streut der Präsident nun auch schon massiv Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Wahl.

Und dass Trump es nicht nur bei Worten belassen könnte, ahnen auch seine politischen Gegner.

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Im Juni kam laut einem Bericht des Wochenmagazins „New Yorker“ eine Gruppe von mehr als hundert einflussreichen Amerikanern zusammen, die sich Transition Integrity Project nennt. Dabei waren unter anderem Hillary Clintons Wahlkampfmanager von 2016, John Podesta, oder auch ein Unterstützer des ehemaligen republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain, Bill Kristol.

Sie spielten jedes nur erdenkliche Szenario durch, mit dem Trump nach dem Wahlabend versuchen könnte, sich im Amt zu halten. Am Schluss eines 22 Seiten langen Berichtes, den sie verfassten, steht das Fazit: „Wir halten es für höchstwahrscheinlich, dass Präsident Trump das Wahlergebnis mit legalen und außerrechtlichen Mitteln anfechten wird, um sich an der Macht zu halten.“

1876: Republikaner gewinnen Wahl durch Mehrheit in Wahlkommission

Dass US-Präsidentschaftswahlen durch umstrittene Manöver entschieden werden können, ist dabei nichts Neues. Das zeigen vor allem zwei Beispiele, das erste aus dem Jahr 1876.

Damals traten der Republikaner Rutherford B. Hayes und der Demokrat Samuel J. Tilden gegeneinander an. Sie bezichtigten sich gegenseitig der Wahlfälschung. Die Republikaner warfen den Demokraten vor, Wähler durch Einschüchterung von der Wahl abgehalten zu haben. Die Demokraten warfen den Republikanern wiederum vor, Stimmen unterschlagen und somit das Ergebnis in drei eigentlich demokratisch geprägten Staaten zu ihren Gunsten verzerrt zu haben.

Beide Parteien legten in der Folge angebliche Nachweise vor, wonach sie als Sieger in den drei betreffenden Staaten hervorgegangen seien. Da es somit kein klares Votum gab, wurde eine 15-köpfige Wahlkommission aus Mitgliedern von Senat, Repräsentantenhaus und Oberstem Gericht gegründet. Und da diese Kommission mehrheitlich aus Republikanern bestand, ging die Wahl an Hayes.

2000: Republikaner gewinnen Wahl durch Mehrheit im Supreme Court

Besser in Erinnerung als die Episode aus dem 19. Jahrhundert dürfte aber die umstrittene Wahl im Jahr 2000 sein: Der Wahlsieg des Republikaners George W. Bush gilt bis heute als einer der knappsten der US-Geschichte – und als bisher einziger, der wohl unmittelbar vom Supreme Court, dem obersten Gericht der USA, entschieden wurde. Denn das Gericht verhinderte, dass die Stimmen in Teilen des wahlentscheidenden Bundesstaates Florida neu ausgezählt wurden.

Ohnehin hatte es bis einen Monat nach der Wahl gedauert, bis alle Stimmen in Florida ausgezählt waren, da der prognostizierte Wahlsieg Bushs gegenüber dem Demokraten Al Gore so knapp ausfiel, dass das Palm Beach County Canvassing Board in Florida deshalb noch einmal genau nachzählte. Das Ergebnis: Tatsächlich bewegten sich die Stimmanteile zugunsten von Al Gore.

Gute Miene. Die ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Al Gore (l.) und George W. Bush.
Gute Miene. Die ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Al Gore (l.) und George W. Bush.
© Imago

Deshalb wollte dieser die Stimmen in vier weiteren Landkreisen nochmals neu auszählen lassen. Dagegen stemmte sich allerdings anschließend der Supreme Court – der überwiegend aus Republikanern bestand. Bush wurde dadurch Präsident und Kritiker mutmaßten, dass der Supreme Court ihm dabei maßgeblich geholfen habe.

Spannend ist dieser Fakt vor allem deshalb, weil Trump vor zwei Jahren für eine Mehrheit im Supreme Court gesorgt hat, indem er den umstrittenen republikanischen Richter Brett Kavanaugh einsetzte. Von neun Richtern sind aktuell vier dem demokratischen Flügel und fünf dem republikanischen Flügel zuzuordnen. Wie die Richter in einem Fall wie Florida entscheiden würden, ist völlig offen.

Dass Trump womöglich Pläne schmiedet, ist bei seinen derzeitigen Zustimmungswerten allerdings nicht verwunderlich:

Twitter, Google und Facebook bereiten sich auf Trump vor

Neben den Demokraten bereiten sich auch die großen sozialen Netzwerke auf Versuche Trumps vor, das Wahlergebnis in Zweifel zu ziehen. „Wir arbeiten mit der Regierung, der Zivilgesellschaft und anderen Online-Unternehmen, um Risiken für den öffentlichen Meinungsaustausch besser zu identifizieren, zu verstehen und zu minimieren“, sagte Twitter-Vizepräsidentin Jessica Herrera-Flanigan der Nachrichtenagentur AFP zufolge.

Auch Facebook und Google haben Maßnahmen angekündigt. So bereitet sich Facebook nach einem Bericht der „New York Times“ auf verschiedene Szenarien nach der Wahl vor, etwa Versuche Trumps, über das Online-Netzwerk fälschlicherweise einen Wahlsieg zu verkünden oder das Ergebnis anzuzweifeln.

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Facebook erwägt laut dem Bericht etwa, einen „Notschalter“ einzurichten, um nach dem Wahltag politische Anzeigen abzuschalten und damit der Verbreitung von Falschinformationen entgegenzuwirken. Die Video-Plattform Youtube, die zu Google gehört, will laut einer Erklärung „manipulierende“ Videos löschen.

Und Trump selbst? Eine Aussage des Kommunikationschefs seines Wahlkampfteams zeigt, wie sich das Lager des US-Präsidenten auf die Wahl einstimmt.

„Wir wissen nicht, welche Art von Betrug die Demokraten im November heranführen wollen“, sagte Tim Murtaugh gegenüber dem „New Yorker“. Aber eins sei klar: „In einer freien und fairen Wahl wird Präsident Trump gewinnen.“

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