Geldwäsche in Russland: Wie neun Milliarden Dollar aus Russland in den Westen flossen
Die Enthüllungs-Plattform OCCRP deckt erneut Geldwäsche in Milliardenhöhe auf. Im Fokus steht „Troika Dialog“, die erste Investmentbank in Russland.
Der russische Musiker Sergej Roldugin ist zweifellos ein Virtuose. Die Frage ist nur, in welchem Bereich seine Meisterschaft größer ist: am Violoncello oder in der Finanzbranche.
Mit dem Musikinstrument hat er es immerhin bis zum Solisten des angesehenen St. Petersburger Mariinski-Theaters gebracht. Heute besitzt er eine Eliteschule für Solomusiker. In der Finanzwelt tauchte sein Name 2016 erstmals öffentlich in den Panama-Papers auf. Wie die internationale Gruppe von Ermittlern und Enthüllungsjournalisten OCCRP damals aufdeckte, soll der Cellist rund zwei Milliarden Dollar durch das Netzwerk eines dubiosen Offshore-Dienstleisters geschleust haben. Besonders pikant daran: Roldugin ist ein enger, vielleicht der engste persönliche Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Jetzt steht sein Name erneut in einer Analyse der Enthüllungs-Plattform. In Deutschland berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ zuerst darüber. Die OCCRP-Gruppe hatte diesmal untersucht, wie bis zu neun Milliarden Dollar von der russischen Investment-Bank „Troika Dialog“ über zwei litauische Banken zwischen 2006 und 2013 aus Russland herausgebracht wurden.
Vermögen aus der Luft geschöpft
Die zu Beginn der 90er Jahre gegründete Troika Dialog war die erste russische Investmentbank überhaupt. Im untersuchten Zeitraum wurde sie von dem russisch-armenischen Geschäftsmann Ruben Wardanjan geleitet. Der wies jegliche Vorwürfe im Interview mit russischen Journalisten zurück. Alle Transaktionen hätten den damaligen Regeln der internationalen Finanzmärkte entsprochen. Bei den geleakten Dokumenten handelt es sich um Korrespondenz, Verträge, Rechnungen und Informationen zu mehr als 1,3 Millionen Banküberweisungen.
Roldugin tritt diesmal nur in einer Nebenrolle auf. Von 2007 bis 2010 soll der Musiker Transaktionen in Höhe von 70 Millionen Dollar über Troika Dialog abgewickelt haben. Dabei schöpfte er sein Vermögen praktisch „aus der Luft“. Rodulgin kaufte beispielsweise auf dem Papier Aktien des Staatskonzerns Rosneft. Der hielt das Paket aber zurück und zahlte nach einer gewissen Zeit die Strafe für den Widerruf des - von vornherein fiktiven - Kaufvertrages.
Das Prinzip ist einfach, die Verschleierung dieser Vorgänge über zahllose Kontenbewegungen jedoch komplex. Doch die Ermittler wiesen unter anderem nach: „Zwei Firmen, die mit Roldugin in Verbindung stehen, schlossen innerhalb weniger Tage 16 Verträge mit anderen Firmen, die dann jeweils widerrufen wurden - gegen Entschädigungszahlungen von 11,6 Millionen Dollar Gebühr“, wie die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt.
Fincas an der Costa Brava
Von Troika Dialog soll aber nicht nur Prominenz profitiert haben. Nein, angeblich bekam auch die Rentnerin Anna Kurepina etwas ab. Die 80-Jährige, die in Moskau zur Miete wohnte, erhielt 2009 einen Kredit von 15 Millionen Euro, den sie umgehend zum Kauf von Grund und Boden in der Nähe von Barcelona an der Costa Brava nutzte. Die Rückzahlung, zuzüglich fünf Prozent effektivem Jahreszins, wäre im April 2019 fällig. Das Problem nur: die Konten der Rentnerin wurden schon vor Jahren, nach deren Tod, geschlossen.
Die Grundstücke in Spanien gehören inzwischen der Familie Artjakow. Sie hat dort inmitten einer parkähnlichen Anlage mit Springbrunnen und großem Pool zwei prachtvolle Fincas errichten lassen. Den Artjakows gehörte auch die Mietwohnung, in der Anna Kurepina vor zehn Jahren gewohnt hatte. Als die Moskauer Rentnerin ihren Millionenkredit erhielt, war Wladimir Artjakow Chef des staatlichen Rüstungskonzerns Rostech. Zuvor hatte er dem Kreml als Gouverneur der Region Samara gedient. Ein Schelm, der eine Verbindung zwischen dem Oligarchen und der Rentnerin zieht.
In Russland ist der Fall fast unbekannt
In Russland müsste es ein gesteigertes Interesse an der Aufklärung des mutmaßlichen Milliardenbetrugs geben, sollte man meinen. Doch weit gefehlt. Die Öffentlichkeit weiß über den Fall Troika Dialog praktisch nichts. Über Geldwäsche konnte man im staatlichen russischen Fernsehen kürzlich aber sehr viel erfahren - jedoch handelten die Beiträge aus der Republik Moldau, wo Parlamentswahlen anstanden.
Zu Troika kein Wort. Und wortkarg blieb auch Putins Sprecher Dmitri Peskow, als er in dieser Woche auf den Fall angesprochen wurde. Der stehe im Kreml nicht auf der Tagesordnung, ließ er verlauten. „Wir haben Finanzbehörden, die über alle notwendigen Mittel verfügen, die finanziellen Aktivitäten in dieser Branche zu beobachten.“
Brüsk reagierte dagegen Garegin Tossunjan, der Präsident der Assoziation Russischer Banken. Für ihn ist das alles eine „künstlich inszenierte Kampagne“, da werde „aufgebauscht und ausgeschmückt“.