"Panama Papers": Geheimgeschäfte von Poroschenko über Messi bis Putin
Hunderte Politiker, Präsidenten und Könige, Sportstars und Banken sollen mithilfe einer Kanzlei aus Panama ihre Finanzgeschäfte verschleiert haben. Ein enormes Datenleck brachte 215.000 Briefkastenfirmen ans Tageslicht.
Großartige Pressearbeit. Großen Dank an alle beteiligten Journalisten. Hoffen wir inständig, dass die gigantische Steuerhinterziehung weltweit dadurch eingeschränkt werden kann. Von mehr wagt man nicht zu träumen.
schreibt NutzerIn der_naechste_bitte
Ein internationaler Rechercheverbund hat Finanzgeschäfte international bekannter Persönlichkeiten enthüllt. Ein enormes Datenleck habe Geschäfte von 215.000 Briefkastenfirmen offengelegt, berichteten am Sonntagabend zeitgleich um 20 Uhr die "Süddeutsche Zeitung" und die Tagesschau. Aus Deutschland waren NDR, WDR und SZ an der Aufdeckung beteiligt. Weltweit veröffentlichten parallel viele weitere Medien die Informationen.
Mehr als elf Millionen Dokumente der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca in Panama seien ausgewertet worden, heißt es. "Das größte Leak, mit dem Journalisten je gearbeitet haben", schreibt die SZ. Demnach umfassen die Dokumente einen Zeitraum von den 1970er-Jahren bis heute. Die Unterlagen, "Panama Papers" genannt, zeigen den Berichten zufolge, wie Spitzenpolitiker, Sportstars und Kriminelle weltweit ihr Vermögen verschleierten - mithilfe von Briefkastenfirmen, die offenbar von Mossack Fonseca vermittelt und verwaltet wurden.
Zu den Kunden der Kanzlei sollen unter anderem der isländische Ministerpräsident Gunnlaugsson, der ukrainische Präsident Poroschenko und der Fußballer Lionel Messi gehören. Das Umfeld des russischen Präsidenten Wladimir Putin soll ebenfalls involviert sein. Laut ARD gehören auch internationale Finanzinstitute, darunter 15 deutsche Banken oder ihre Töchter, zu den Profiteuren. Ferner hätten international sanktionierte Geschäftsleute wie ein Cousin des syrischen Präsidenten Baschar al Assad oder Monarchen wie der König von Saudi-Arabien den Unterlagen zufolge Offshore-Firmen genutzt.
"Deutsche Politiker sind nicht in den Dokumenten zu finden", sagte Georg Mascolo, Leiter des Verbundes von SZ, NDR und WDR, am Sonntagabend in der ARD. Allerdings gebe es interessante deutsche Namen. Neben den Banken fänden sich auch neue Spuren im Siemens-Skandal, sagte Mascolo bei "Anne Will".
"Eine globale Industrie, angeführt von Banken und Kanzleien"
Nach Einschätzung der SZ steckt hinter den Geschäften "eine globale Industrie, angeführt von großen Banken, Anwaltskanzleien und Vermögensverwaltern, die Besitztümer von Politikern, Fifa-Funktionären, Betrügern und Drogenschmugglern, aber auch von Milliardären, Prominenten und Sport-Stars in aller Verschwiegenheit verwaltet".
Zwar sei der Besitz von Offshore-Firmen "nicht illegal", ihre Geschäftspraxis jedoch "in der überwältigen Zahl der Fälle" darauf gerichtet, die eigentlich Begünstigten geheim zu halten. Igor Angelini, Chef der Finanzermittlungseinheit von Europol, erklärt der SZ zufolge, dass Briefkastenfirmen auch eine "wichtige Rolle bei Geldwäsche-Aktivitäten im großen Maßstab" spielen. Gleiches gelte für Korruption: Offshore-Firmen würden besonders genutzt, "um die Bestechungsgelder weiterzuleiten".
Zwölf aktuelle und frühere Staatschefs sollen involviert sein
Mossack Fonseca betreue "die mutmaßlichen Offshore-Firmen von zwölf aktuellen und früheren Staatschefs", teilt die SZ mit. Direkt in den Papieren erwähnt werden demnach neben den genannten auch aktuelle oder ehemalige Staatsoberhäupter von Argentinien, Georgien, dem Irak, Jordanien, dem Sudan, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Spuren führten außerdem in die Staatsspitze von Großbritannien, Spanien, Italien, Griechenland, Malta und Weißrussland sowie mehrere Dutzend weiterer Länder. Genannt wird etwa die Schwester von Spaniens Ex-König Juan Carlos. Es soll es Hinweise auf Dutzende weitere Spitzenpolitiker und ihr engstes Umfeld geben, weiterhin fast 130 weitere Politiker aus aller Welt, viele von ihnen Minister.
Ein langjähriger Freund Wladimir Putins, der Cellist Sergej Roldugin, taucht nach SZ-Angaben in Verbindung mit mehreren Firmen auf, u.a. als Eigentümer. Diese ständen "im Zentrum eines Netzes von Offshore-Firmen", berichtet die SZ. "Binnen weniger Jahre" seien "rund zwei Milliarden Dollar durch dieses Offshore-Geflecht geschleust" worden. Fast alle Firmen, die Roldugin zugeordnet werden, seien über die Sankt Petersburger Bank Rossija gesteuert worden, von Fachleuten als "Putins Bank" bezeichnet., heißt es weiter.
Offenbar zahlreiche Verbindungen zu Putin
In den "Panama Papers" spiegele sich das Netzwerk Putins wider, wie es seit seinen Tagen beim KGB und als Politiker in Sankt Petersburg in den 1990er-Jahren entstanden sei. Langjährige Weggefährten des heutigen Staatspräsidenten sind längst Milliardäre, nicht zuletzt der Freundeskreis um die Osero-Datschen. Offenbar kann die SZ keinen eindeutigen Beweis für einen persönlichen Profit Putins aus dem Firmengeflecht vorlegen, führt jedoch zahlreiche Hinweise und Verbindungen auf, die nahelegen, "dass Millionen aus diesem Topf nicht nur an Wladimir Putins engsten Zirkel gingen, sondern offenbar auch dessen Familie davon profitierte".
Poroschenkos Briefkastenfirma wurde laut SZ im Jahr 2014 gegründet, nur zwei Monate nach seiner Wahl zum neuen Präsidenten der Ukraine. Auch der isländische Premierminister Sigmundur Gunnlaugsson soll bis Ende 2009 zusammen mit seiner heutigen Ehefrau eine Briefkastenfirma besessen haben, in der unter anderem Anleihen wichtiger isländischer Banken deponiert waren.
Messi soll mit Vater Firma besitzen, Fifa-Affäre ebenfalls berührt
Neben Spitzenpolitikern ist auch der Sport im Visier. Der prominenteste Name: Fußballer Lionel Messi. Der Superstar des FC Barcelona soll nach SZ-Angaben zur Hälfte an einer Briefkastenfirma beteiligt sein, die offenbar eine Weile lang von Mossack Fonseca betreut wurde. Ganz im Sinne seines Ranges in der Fußballwelt trägt sie laut SZ den Namen Mega Star Enterprises. Der zweite Eigentümer sei der Vater und Manager des Stars, Jorge Horacio Messi. Das sei durch ein Dokument aus dem Juni 2013 verbrieft. Mega Star Enterprises sei "jedenfalls bis vor wenigen Wochen noch aktiv" gewesen.
Der SZ zufolge sollen sich in den Unterlagen auch Spuren zur Fifa-Affäre finden. Juan Pedro Damiani aus Uruguay, ein Anwalt und Mitglied in der rechtsprechenden Kammer der Fifa-Ethikkommission, soll drei Angeklagten im Fifa-Skandal zu Offshore-Firmen verholfen haben, über die möglicherweise Fußball-Funktionäre bestochen worden sein sollen. Die Ethikkommission des Fußball-Weltverbandes bestätigte der Deutschen Presse-Agentur am Sonntagabend interne Vorermittlungen gegen Damiani. Weitere Offshore-Geschäfte werden Ex-Uefa-Chef Michel Platini und dem früheren Fifa-Generalsekretär Jérome Valcke angelastet, wie Tagesschau.de berichtet. (mit dpa, AFP)
Die gesamte Berichterstattung der "Süddeutschen Zeitung" zu den "Panama Papers" finden Sie auf dieser Sonderseite.