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Wie werden es Merkels Nachfolgerin oder Nachfolger mit China umgehen? Die Kanzlerin, hier mit Präsident Xi Jinping, galt dort als verlässliche Partnerin.
© Guido Bergmann/picture alliance / dpa

Die Außenpolitik im Wahlkampf: Wie hältst du es mit China?

Angela Merkel hat sich in der viel Welt Respekt erworben, aber bald tritt sie ab.  Wie gehen die Anwärter auf ihr Amt mit ihrem Erbe um? Ein Vergleich der Parteiprogramme.

Wer die deutsche Außenpolitik in Zukunft erfolgreich gestalten will, muss zwei gegensätzliche Prinzipien in Einklang bringen: Es geht zum einen darum, die in Jahrzehnten bewährten Traditionen fortzuführen. Aber gleichzeitig fordert eine Welt im radikalen Wandel andere Antworten als jene, die im vergangenen Jahrhundert oder Anfang des 21. Jahrhunderts die richtigen waren.

Von den drei gegenwärtig in den Umfragen stärksten Parteien versprechen und fordern die Grünen in der Außenpolitik einen Aufbruch hin zu neuen Ufern, während Union und SPD insgesamt eher den Willen zur Kontinuität vertreten.

Allerdings sind im Programm der Grünen und in den Äußerungen von Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock Spannungen angelegt, die eine unterschiedliche Interpretation ihrer Überzeugungen und Ziele erlauben. Der frühere Spitzendiplomat und Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, bescheinigte der Ökopartei in einem Interview mit dem Tagesspiegel, sie strebe keinen Bruch mit den bisherigen Traditionen der deutschen Außenpolitik an. Zu diesen gehören die Europaorientierung, die Westbindung und der zentrale Stellenwert der Nato in der Sicherheitspolitik.

Dagegen kommt kommt Thorsten Benner vom Thinktank Global Public Policy Institute (GPPI) zu dem Schluss, die Grünen lieferten zwar viele neue Ideen, eine Verwirklichung ihrer Ziele aber werde erhebliche Spannungen mit den westlichen Verbündeten zur Folge haben. Sie seien in den Kernfragen der Sicherheitspolitik „grundsätzlich auf einem völlig anderen Weg als Deutschlands wichtigste Partner“.

Wird für jede neue Bundesregierung kein einfacher Partner sein: Russlands Präsident Wladimir Putin.
Wird für jede neue Bundesregierung kein einfacher Partner sein: Russlands Präsident Wladimir Putin.
© Sputnik/Alexei Nikolskyi/Kremlin via REUTERS

Die wichtigste Forderung der Grünen lautet, das Bekenntnis zu Demokratie und Menschenrechten in der Außen- und Sicherheitspolitik stärker wirksam werden zu lassen. Sie wollen den Systemkonflikt mit autoritären Staaten um Werte offener als bisher austragen, was vor allem das Verhältnis zu Russland und China betreffen würde. „Dialog und Härte“ verlangt Baerbock in diesem Zusammenhang.

Allerdings stellt sich mit Thorsten Benner die Frage, ob die Grünen für diesen Systemkonflikt Deutschland auch die nötigen Instrumente zur Verfügung stellen. Das Zwei-Prozent-Ziel der Nato für Rüstungsausgaben lehnen sie ab, genauso wie die Beteiligung Deutschlands an der nuklearen Abschreckungsstrategie, die nukleare Teilhabe.

Die Union sieht China als größte Herausforderung an

Deutsche Kampfflugzeuge würden im Ernstfall amerikanische Atomwaffen ins Ziel tragen. In der nächsten Legislaturperiode steht die Entscheidung über ihre Modernisierung an. Was die Nato-Partner und auch vor allem östliche EU-Mitglieder zur Eindämmung Russlands für nötig halten, erklären die Grünen für überflüssig.

Das Wahlprogramm der Union weist der Außen- und Sicherheitspolitik einen hohen Stellenwert zu, indem es ihr das erste Kapitel widmet. CDU und CSU bekennen sich entschieden zu allen bisherigen Instrumenten der Außen- und Sicherheitspolitik, versprechen die Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels und bekennen sich zur nuklearen Teilhabe.

Der Grundtenor lässt sich als zugleich werteorientiert und realpolitisch beschreiben, so wird China als „größte außen- und sicherheitspolitische Herausforderung“ genannt. Die Union will „mehr als bisher“ alle Instrumente der Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik anwenden, „auch militärische, wenn dies nötig ist“. Ein solches klares Bekenntnis, die Bundeswehr zur Durchsetzung politischer Ziele einzusetzen, fehlt in anderen Programmen. Friktionen mit den westlichen Partnern sind hier keine angelegt.

Können Deutschlands Partner damit rechnen, dass auch nach der Wahl deutsche Soldaten in Auslandseinsätzen helfen, die Welt sicherer zu machen? Im Bild der Abzug aus Afghanistan.
Können Deutschlands Partner damit rechnen, dass auch nach der Wahl deutsche Soldaten in Auslandseinsätzen helfen, die Welt sicherer zu machen? Im Bild der Abzug aus Afghanistan.
© Torsten Kraatz/Bundesweh/dpa

Das Programm der Union bekennt sich zu westlichen Werten und beschreibt ebenfalls den Grundkonflikt im Verhältnis zu autoritären Staaten. Allerdings stellt sich die Frage, ob Kanzlerkandidat Armin Laschet wirklich gewillt ist, diese Konflikte hart auszutragen. In der Vergangenheit war er durch relativierende Äußerungen zu Syriens Diktator Assad und zu Russlands Präsident Putin aufgefallen.

In der außenpolitischen Debatte aller Kanzlerkandidaten von ARD und Münchner Sicherheitskonferenz plädierte er nicht für eine Neujustierung des Verhältnisses zu China, sondern stellte sich in die Kontinuität der Politik von Angela Merkel gegenüber Peking. Laschet betonte die partnerschaftlichen Elemente in der Beziehung mit China und definierte Dialog und Kooperation als “Kern der Außenpolitik”.

Olaf Scholz scheint nicht bemüht, Unklarheiten zu beseitigen

Auch im Programm der SPD gibt es viele Kontinuitätslinien zur Außen- und Sicherheitspolitik der vergangenen Jahre, auch wenn starke Kräfte in der Partei Bestandteile gemeinsamer westlicher Sicherheitspolitik offen infrage stellen. Anders als vor vier Jahren fehlt im Programm diesmal die ausdrückliche Verdammung des Zwei-Prozent-Rüstungsziels der Nato. In diesem Punkt bleibt die Partei, in der viele bis hin zu Parteichef Norbert Walter-Borjans diese Vorgabe ablehnen, vage.

Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat sich in bisherigen Debatten keine Mühe gegeben, die Unklarheit zu beseitigen, verweist stattdessen darauf, dass er als Finanzminister die Ausgaben für die Bundeswehr erhöht habe. 

Eine harte Systemkonkurrenz zu autoritären Staaten oder eine Stärkung harter Machtmittel Deutschlands plant die SPD nicht. „Als die Friedenspartei in Deutschland setzen wir auf Diplomatie und Dialog, auf zivile Krisenprävention und Friedensförderung, auf Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie internationale Zusammenarbeit“, heißt es in ihrem Programm.

Willy Brandts Entspannungspolitik scheint auch in der Welt des 21. Jahrhunderts noch immer die Leitlinie der SPD zu sein – auch die des Kanzlerkandidaten. In einer Debatte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) sagte Scholz auf die Frage, wie die SPD mit China umgehen wolle, man müsse „zurück zu den Einsichten der Entspannungspolitik”, denn „so ist die Welt auch heute noch”.

Zur nuklearen Teilhabe bekennen sich Union und FDP, die Grünen und die Linkspartei sind dagegen. Im Bild ein Kampfflugzeug vom Typ Tornado, sie sollen im Ernstfall amerikanische Atombomben ins Ziel bringen. 
Zur nuklearen Teilhabe bekennen sich Union und FDP, die Grünen und die Linkspartei sind dagegen. Im Bild ein Kampfflugzeug vom Typ Tornado, sie sollen im Ernstfall amerikanische Atombomben ins Ziel bringen. 
© dpa

Die FDP bekennt sich in ihrem Programm ähnlich wie die Union zur unbedingten Europaorientierung und Einbindung Deutschlands in den Westen, befürwortet das Zwei-Prozent-Ziel und die nukleare Teilhabe.  Die Linkspartei will dagegen alle Auslandseinsätze beenden, die US-Atomwaffen aus Deutschland verbannen und die Nato überwinden.

Die AfD strebt ein „Europa der Vaterländer“ an und will die EU zu einem „Staatenbund souveräner Staaten“ zurückführen. Sie verspricht den Einfluss der EU zurückzudrängen und den Nationalstaat zu stärken, lehnt etwa eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU ab. Auf den von Union und Grünen beschriebenen Systemkonflikt mit autoritären Staaten will die AfD sich nicht einlassen. In die inneren Angelegenheiten anderer Staaten dürfe sich Deutschland nicht einmischen. Damit wollen Linkspartei und AfD fast mit allen Traditionslinien bundesdeutscher Außenpolitik brechen.

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Fazit: Am meisten Kontinuität verspricht die Union in der Außen- und Sicherheitspolitik, die SPD verspricht Kontinuität mit großen Fragezeichen. Die Grünen verlangen, den Systemkonflikt mit autoritären Staaten deutlich härter auszutragen als in der Vergangenheit, bleiben aber Antworten schuldig, mit welchen machtpolitischen Instrumenten sie Deutschland in dieser von ihnen zugespitzten Auseinandersetzung stärken wollen.

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