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Erste Schritte. Asylbewerber und Geduldete müssen drei Monate warten, bevor sie eine Arbeit aufnehmen können.
© dpa

Arbeitsmarkt in Deutschland: Wie Flüchtlinge in den Job kommen

Es wird ein bisschen dauern und es wird kein Kinderspiel: Wie es dennoch gelingen kann, dass viele Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt in Deutschland kommen.

Beim Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen ist man optimistisch. Aus Erfahrung, schließlich kennen die Fachleute des 65 Jahre alten UNHCR die Lage von Flüchtlingen am längsten, und sie haben den Blick auf die ganze Welt. „Wer am Anfang richtig in Flüchtlinge investiert, bekommt viel mehr zurück als diese Anfangskosten“, sagte kürzlich Melissa Fleming dem Tagesspiegel, die Sprecherin des UNHCR. Die Flüchtlinge, die jetzt kämen, würden „ein Riesenwachstumsprogramm für Deutschland“.

"Riesenwachstumsprogramm für Deutschland"

Genauso richtig ist wohl: Das wird ein bisschen dauern und es wird kein Kinderspiel. Die führenden deutschen Wirtschaftsinstitute haben in ihrer Herbstprognose ausgerechnet, dass die Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge in diesem Jahr um vier und im nächsten um elf Milliarden Euro steigen werden. Und zunächst werden die Flüchtlinge auch die Zahl der Arbeitslosen wachsen lassen. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), eine Einrichtung der Bundesagentur für Arbeit, hat kürzlich ein Plus von 130 000 Arbeitslosen errechnet, falls 2015 und 2016 jeweils eine Million Flüchtlinge kommen – wobei deren Berufsqualifikation aktuell „deutlich geringer ist als bei anderen Ausländergruppen“, wie die Forscher in ihrer Studie vom September schreiben.

Und auch das Aufnahmeland schleppt in die neuen großen Herausforderungen alte Probleme mit. Schon vor der ganz großen Bewegung, 2013, hatten 35 Prozent der jungen Migranten in Deutschland keine abgeschlossene Berufsausbildung, gegenüber etwa neun Prozent der Nichtmigranten. Beim Integrationsgipfel Ende 2014 anerkannte auch die Kanzlerin, dass die Lage nicht rosig sei – und dass dies oft nicht an fehlendem Willen von Migranten liege, sondern an systematischer Benachteiligung: „Es gibt, das ist der Befund, noch Diskriminierung.“ Bürgerrechtsgruppen, Menschenrechtsexperten, aber auch die UN warnen schon lange, dass Rassismus und strukturelle Benachteiligung nicht nur hässlich für die Betroffenen sind, sondern eine Einwanderungsgesellschaft lähmen.

Rechtlich ist die Situation für Flüchtlinge einfacher geworden

Rechtlich ist in Deutschland die Situation für Flüchtlinge in den letzten Jahren allerdings leichter geworden. Waren sie früher oft jahrelang zur Untätigkeit verdammt, sind diese Schranken zumindest deutlich abgesenkt. Vor einem Jahr änderten sich das Asylverfahrensgesetz und die Beschäftigungsverordnung zu ihren Gunsten. Seitdem müssen Asylbewerber nicht mehr neun, sondern nur noch drei Monate lang warten, bis sie arbeiten dürfen. Gleiches gilt seither für Geduldete, also Menschen, die zwar kein Asyl erhielten, aber vorerst bleiben dürfen. Sie mussten zuvor ein Jahr lang warten. Eine weitere Hürde, die „Vorrangprüfung“, wurde auf 15 Monate gesenkt. Bis dahin galt, dass Flüchtlinge in den ersten vier Jahren ihres Lebens in Deutschland keine Chance hatten, wenn es statt ihrer auch EU-Bürger für eine Arbeitsstelle gab.

Auch der Blick auf die Flüchtlinge selbst zeigt, dass die Optimisten recht behalten könnten: Von allen, die 2014 einen Asylantrag in Deutschland stellten, waren 81 Prozent jünger als 35 Jahre, mehr als die Hälfte sogar jünger als 25. Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre machten mehr als ein Viertel aus, 28 Prozent. Fazit der Forscher vom Nürnberger IAB: „Das Bildungspotenzial ist folglich sehr hoch.“ Will sagen: Viele der Flüchtlinge sind jung genug, rasch gut Deutsch zu lernen, ihre Ausbildung zu machen und dann die Chance auf ein langes Arbeitsleben hierzulande zu haben.

Erst nach 15 Jahren kein Unterschied mehr auf dem Arbeitsmarkt

Nimmt man Alte und Junge und alle Qualifikationsstufen zusammen in den Blick, dann brauchte es in früheren Flüchtlingsgenerationen fünf Jahre, bis die Hälfte von ihnen Arbeit hatte. Erst nach 15 Jahren war auf dem Arbeitsmarkt kein Unterschied mehr zwischen ihnen und den Alteingesessenen zu erkennen. Das könnte diesmal schneller gehen, meint das IAB-Team in seiner Analyse Schließlich habe der Staat inzwischen einen besseren Rahmen gesetzt.

Die aktuellen Kosten für die Unterbringung, aber auch Integrationshilfen „liegen bei etwa zehn Millarden Euro“, sagt Herbert Brücker, IAB-Forschungsbereichsleiter und einer der Autoren. „Das klingt viel, ist aber zu heutigen Preisen rund fünf Prozent des Betrags, der vor 25 Jahren bei der deutschen Vereinigung binnen Jahresfrist von West nach Ost floss.“

Es werde mehr Wachstum geben, prognostiert auch Brücker. „Die Flüchtlinge sind eher keine finanzielle, sondern eine große logistische Herausforderung. Auf die sind wir im Augenblick offensichtlich weder in puncto Bürokratie vorbereitet noch was Unterbringung und Integrationsangebote angeht.“ All das sei „nicht über Nacht, aber im Zeitablauf“ zu lösen, das zeigten auch die Erfahrungen etwa mit dem Nachkriegs-Wohnungsbau. Was normalerweise vier Jahre daure, lasse sich mit mehr Geld auch in einem Jahr hinbekommen. „Das Glas ist eher halb voll als halb leer.“ Andrea Dernbach

- Die Charta der Vielfalt hat einen Praxisleitfaden für Unternehmen herausgegeben: Die Broschüre „Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt!“ kann unter info@charta-der-vielfalt.de bestellt werden. Dieser Text erschien in der Beilage zur Diversity-Konferenz 2015 des Tagesspiegels. Mehr zum Thema Diversity lesen Sie hier. Zur Debatte über die Integration von Flüchtlingen in Deutschland lesen Sie mehr hier./

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