Lage der Migranten: In Schule und Beruf sind noch nicht alle gleich
Mehr Hauptschulabschlüsse, mehr Abiturienten - aber der Abstand zwischen Migranten und Nichtmigranten bleibt. Erst recht, wenn es um Jobs geht.
In Schule, Ausbildung und auf dem Arbeitsmarkt sind Migranten in Deutschland immer noch deutlich benachteiligt. Wie aus dem 10. Bericht hervorgeht, den am Mittwoch erstmals Aydan Özoguz vorlegte, die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, gilt dies schon am Start: Während mehr als ein Drittel der herkunftsdeutschen Kinder unter drei Jahren eine Kita besuchte (34,6 Prozent), galt das nur für 17,1 Prozent der Migrantenkinder. An Hauptschulen – mit überproportional vielen Migranten – und Gymnasien – dort sind sie unterrepräsentiert – setze sich dies fort.
Özoguz’ Bericht, der den Zeitraum 2012 bis Mai 2014 umfasst, enthält allerdings Hinweise auf deutliche Fortschritte bei den Abschlüssen. Der Anteil von Migranten an den Abiturienten stieg zwischen 2008 und 2012 von 11,2 auf 16,2 Prozent. Der Anteil ausländischer Jugendlicher ohne Hauptschulabschluss – hier misst die Statistik nur Pass-Ausländer – fiel im selben Zeitraum von 15,2 auf 11,6 Prozent und damit deutlicher als bei deutschen Schülern.
Mehr Abschlüsse, aber nicht mehr Chancen
Auf größere Ausbildungschancen wirkt sich dies allerdings bisher nicht aus. Staatsministerin Özoguz mahnte die Betriebe zu prüfen, ob ihre Bewerbungsverfahren „noch zeitgemäß“ seien und verwies auf eine Untersuchung des Migrationssachverständigenrats SVR. Der wies kürzlich nach, dass ein Bewerber mit türkischem Namen eineinhalb so viele Bewerbungen wie ein deutscher bis zu einem Bewerbungsgespräch verschicken muss. Die Arbeitslosenquote von Migranten war 2013 weiter mehr als doppelt so hoch (14,4) wie die Herkunftsdeutscher (6,2).
„Wir schaffen es noch immer nicht, dass Bildungskarrieren von Begabung und Kompetenz abhängen und nicht von der Frage: Können mir meine Eltern helfen?“, sagte Özoguz am Mittwoch. Das treffe Migrantenkinder besonders stark, obwohl deren Eltern oft eine hohe Bildungsneigung haben. Die Rahmenbedingungen in Kitas und Schulen stimmten weiter nicht, heißt es im Bericht.
Verbesserungsbedarf besteht aus ihrer Sicht auch bei der Polizei. Özoguz schloss sich den Forderungen des NSU-Untersuchungsausschusses an, der als Folgerung aus der rassistischen Mordserie und den jahrelang falschen Ermittlungsansätzen gefordert hatte, interkulturelle Kompetenz zum festen Bestandteil der Polizeiausbildung zu machen.
"Vom Einwanderungsland zur Einwanderungsgesellschaft"
Insgesamt, so Özoguz, habe sich aber in Deutschland seit etwa 15 Jahren „richtig viel geändert“. Die Debatte um ein neues Staatsbürgerschaftsrecht habe Deutschland damals auf eine neue Idee seiner selbst gebracht. Inzwischen sei Deutschland nicht nur bewusst Einwanderungsland, sondern werde langsam eine „Einwanderungsgesellschaft“. Das Bundeskabinett beschloss, ebenfalls am Mittwoch, Erleichterungen für Asylbewerber. Sie sollen rascher arbeiten dürfen und die „Residenzpflicht“ soll gelockert werden. Dann könnten sich Flüchtlinge nach drei Monaten überall im Bundesgebiet bewegen.