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Nach der Bundestagswahl könnten drei Parteien den Koalitionsvertrag unterschreiben.
© imago/Christian Ohde

Keine höheren Steuern, Nein zu Kampfeinsätzen: Wie FDP und Linke mit möglichen Koalitionen hadern

Nach der Bundestagswahl könnte es auf die kleineren Parteien ankommen. Doch FDP und Linke diskutieren über rote Linien für künftige Bündnisse.

Dietmar Bartsch gibt ein ambitioniertes Ziel aus. Zweistellig soll das Ergebnis der Linken bei der Bundestagswahl werden. Dabei liegt die Partei in Umfragen nur bei sechs bis acht Prozent. Dieses Ziel will die Linke mit dem Fraktionschef Bartsch und der Parteichefin Janine Wissler als Spitzenduo erreichen. Sie wurden am Montag mit knapp 87 Prozent vom Parteivorstand gewählt. „Wir kämpfen für eine starke Linke und andere politische Mehrheiten in diesem Land“, sagte Wissler. Sollte es nach der Wahl rechnerisch für ein grün-rot-rotes Bündnis reichen, fangen für die Linke allerdings die Schwierigkeiten erst an.

Probleme nach der Wahl - das trifft auf Linke und FDP gleichermaßen zu, auch wenn sie sonst nichts gemeinsam haben. In einem Parteiensystem, in dem Zweierkoalitionen nicht mehr selbstverständlich sind, gewinnen die kleinen Parteien an Bedeutung – die FDP für eine Ampelkoalition, die Linken für ein grün-rot-rotes Bündnis. „Der Spagat zwischen der Abgrenzung zur Konkurrenz und gleichzeitig dem Brückenbauen für eine mögliche Koalition ist für alle Parteien schwierig“, sagt der FDP-Generalsekretär Volker Wissing.

Die Linke positioniert sich im Wahlkampf als einzige Partei, die tiefgreifende Sozialreformen in Angriff nehmen will. „Wir sind nicht die Partei der Stellschrauben. Wir streben grundsätzliche Veränderungen an“, sagt Bartsch. Diesen Satz kann man durchaus als Spitze gegen die SPD verstehen. Die Linke sei das „soziale Gewissen“, sie müsse dafür sorgen, dass soziale Politik in Regierungshandeln umgesetzt werde, betont auch die Co-Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow.

Doch die Frage, wie groß in einer möglichen Koalition die Zugeständnisse sein dürfen, ist parteiintern umstritten. Als besonders heikle Themen gelten den Linken die Auslandseinsätze der Bundeswehr sowie das Verhältnis zur Nato, denn die Friedenspolitik gehört zum Markenkern der Partei. Der Grünen-Chef Robert Habeck forderte die Linke auf, ihre Regierungsfähigkeit unter Beweis zu stellen, und machte ein „Bekenntnis zur Nato“ zur Bedingung für ein Bündnis. Die Abfuhr kam prompt: Wissler lehnte es ab, das Zwei-Prozent-Ziel der Nato zu übernehmen.

Linke lässt Spielraum für Interpretationen

Das heißt jedoch nicht, dass die grün-rot-rote Option vom Tisch wäre. Hennig-Wellsow sieht es als ihre Hauptaufgabe an, ihre Partei im Bund in die Regierungsverantwortung zu führen. Auch Bartsch gilt als Pragmatiker, der einer Koalition nicht im Weg stehen würde. Die Linke sei bereit, ihr Programm in Regierungsverantwortung umzusetzen, sagte er – und fügte hinzu: Das ginge nur zu 100 Prozent, wenn die Linke die absolute Mehrheit hätte.

Seine Co-Spitzenkandidatin Wissler dagegen, die als radikal linke Hardlinerin bekannt ist, sagte auf die Frage nach roten Linien für ihre Partei: „Die Linke wird nicht einer Bundesregierung beitreten, die Kampfeinsätze der Bundeswehr beschließt.“ Doch selbst dieser Satz eröffnet Spielraum für Interpretationen: Denn als echten Kampfeinsatz lässt sich keiner der derzeitigen Auslandseinsätze der Bundeswehr bezeichnen.

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Während die Linken mit der Frage hadern, ob sie überhaupt regieren wollen, ist die Sache für die Liberalen klar: Ein Platz am Kabinettstisch ist ihr ultimatives Ziel. Das gehört zum Selbstverständnis der Freidemokraten. Verantwortung übernehmen und mitbestimmen – in dieser Rolle könne man am besten glänzen, sind sie überzeugt. Um jeden Preis mitregieren, das werde man aber nicht, macht Parteichef Christian Lindner deutlich. Die rote Linie verläuft für ihn in der Finanzpolitik. „Wir schließen Steuererhöhungen aus“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Es ist eine Botschaft an die eigenen Anhängerinnen und Anhänger, dass man auch nach der Wahl an liberalen Prinzipien festhalten werde; dass man nicht umfallen werde, wenn die Macht lockt. Aber ist es auch ein Signal an SPD und Grüne, die beide Steuererhöhungen wollen? Eine Absage an eine mögliche „Ampel“-Koalition im Bund?

So weit will man in der FDP nicht gehen. Wissing, der in Rheinland-Pfalz gerade einen Koalitionsvertrag mit SPD und Grünen ausgehandelt hat, bekräftigt zwar Lindners Linie. „Unser Land hat sicher viele Probleme, zu niedrige Steuern gehören nicht dazu“, sagt er. Wie Lindner schließt er Steuererhöhungen aus, da seien auch „keine Kompromisse“ möglich. „Wir werden uns keiner Regierung anschließen, die eine solche Politik verfolgt.“ Zugleich betont Wissing: „Es gibt mit Union, SPD und Grünen jeweils andere Schnittmengen, auf die wir uns verständigen können.“

Würde die FDP Baerbock zur Kanzlerin wählen?

Mit wem die FDP koalieren will, darüber hält man sich in der Parteispitze bedeckt. Dass die Freidemokraten mit aktuell zehn bis zwölf Prozent in Umfragen überhaupt wieder als möglicher Koalitionspartner gelten, freut die Liberalen. Zugleich erhöht das den Druck auf die Partei, sich kompromissbereit zu zeigen. Ein weiterer „Jamaika-Schock“ wie 2017, nach den geplatzten Sondierungen mit Union und Grünen, wäre den eigenen Anhängerinnen und Anhängern nur schwer zu erklären.

Wie heikel das „Ampel“-Thema für die FDP ist, zeigt der Umgang der Liberalen mit einer eigentlich recht einfachen Frage: Sind sie bereit, Grünen-Chefin Annalena Baerbock zur Kanzlerin zu wählen? Eine klare Antwort – Ja oder Nein – will in der Parteispitze niemand geben, nicht einmal hinter vorgehaltener Hand. Wissing versucht es mit einer Art Gegenfrage an die Grünen: „Annalena Baerbock muss den Wählerinnen und Wählern sagen, ob sie sich von den Linken zur Kanzlerin wählen lassen würde, ob es mit ihr also einen deutlichen Linksruck gibt“, fordert er. Das hatte auch Lindner zuletzt verlangt.

Dass Baerbock am Ende doch mit den Stimmen der FDP im Bundestag zur Kanzlerin gewählt wird, will aber auch niemand ausschließen. Das hänge an den Inhalten. „Wir sind grundsätzlich bereit, mit den Grünen zu reden“, sagt Wissing. „Und sollten sie die größte Fraktion stellen, respektieren wir ihren Anspruch, die Kanzlerin zu stellen.“

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