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Bald der zweite starke Mann? Johannes Vogel (links) ist Generalsekretär der FDP in NRW und möchte nun der Vize von Christian Lindner werden.
© imago/Sven Simon

Johannes Vogel will FDP-Vizechef werden: Ein Signal in Richtung Ampelkoalition

Johannes Vogel, Generalsekretär der NRW-FDP, kandidiert als Vizechef der Partei. Als Linker sieht sich der Experte für Arbeit und Soziales nicht.

Oft sind es nicht die großen inhaltlichen Punkte, die in der Politik für Streit sorgen. Vielmehr entzünden sich Kontroversen häufig an den kleinen Dingen. Das „Gendersternchen“ etwa reizt manche Konservative bis zur Weißglut. Bei den Liberalen ist es ein anderes Schriftzeichen, das unter Spaltungsverdacht steht: der Bindestrich. Begriffe wie „liberal-konservativ“ oder „sozial-liberal“ werden in der FDP gemieden. Lieber beschwört man den „ganzheitlichen Liberalismus“, der wirtschaftliche und gesellschaftliche Freiheit vereine. Als „Bindestrich-Liberaler“, der einem bestimmten Flügel angehört, will in der Partei kaum jemand gesehen werden.

Das gilt auch für Johannes Vogel, Generalsekretär der FDP in Nordrhein-Westfalen. Trotzdem wird der 38-Jährige in den kommenden Wochen wohl damit leben müssen, von Medien oder Parteikollegen das Label „Sozial-Liberaler“ verpasst zu bekommen. Beim FDP-Bundesparteitag Mitte Mai kandidiert er als Vizechef, als Stellvertreter des Vorsitzenden Christian Lindner – bislang ohne Gegenkandidatur. Bei den Freidemokraten richten sich seither viele Augen auf Vogel. Der hat sich in den vergangenen Jahren vor allem als Experte für Arbeit und Soziales einen Namen gemacht.

Vogel sieht sich nicht als Linker

Was will der Bundestagsabgeordnete an der Parteispitze? Ist seine Kandidatur ein weiteres Signal in Richtung Ampel? Ein Anzeichen für eine Richtungsänderung der FDP?

Vogel betont das, was alle in der FDP derzeit in den Vordergrund rücken: die eigene Unabhängigkeit, jenseits des Lagerdenkens. „Die FDP geht als eigenständige Partei in den Bundestagswahlkampf, wir diskutieren nicht abstrakt über Koalitionen, sondern über konkrete inhaltliche Angebote“, sagt er. Inhalte – bei Vogel heißt das: „Chancenliberalismus“. Er will den Wählerinnen und Wählern ein „Aufstiegsversprechen“ machen, so wie früher die SPD. Die FDP-Idee des „Midlife-BaföG“ für Menschen in Fortbildung geht beispielsweise auf ihn zurück.

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Klingt links-liberal. Doch ein Linker, das sei er gewiss nicht, betont Vogel. Deshalb will er sich auch nicht festlegen lassen als Mann der Ampel. In NRW hat er 2017 die Koalition mit der CDU mitausgehandelt. Im Bund stehe die FDP, in der Außenpolitik oder in Wirtschaftsfragen, der Union am nächsten, sagt er. „In der Sozialpolitik, etwa bei der Rente, haben wir mit der SPD unter Hubertus Heil, aber oft härter noch mit den Grünen, heftige Debatten.“ Und dennoch kann man sagen, dass es mit einem Parteivize Vogel ein Stück „ampeliger“ werden könnte an der FDP-Spitze.

Linders Vize Wolfgang Kubicki, der im Mai erneut antritt, gilt ohnehin als Freund von Rot-Gelb-Grün. Generalsekretär Volker Wissing regierte als Wirtschaftsminister in Rheinland-Pfalz vier Jahre mit SPD und Grünen. Auch Vogel käme wohl mit beiden Parteien aus – und die mit ihm. 2009 zog er, damals noch Chef der Jungen Liberalen (Julis), erstmals in den Bundestag ein und verdiente sich über Fraktionsgrenzen hinweg einen guten Ruf als Arbeitsmarktexperte. Heute sagt er: „Ich pflege zu allen demokratischen Mitbewerbern im Bundestag gute Gesprächskontakte, zur CDU ebenso wie zu SPD und Grünen.“ Zuletzt zollte SPD-Vize Kevin Kühnert im Doppelinterview mit der „Zeit“ Vogel Respekt für dessen Ideen in der Rentenpolitik.

Manche in der Partei wünschten sich einen weiblichen Neuzugang

Und in der FDP? In der Bundestagsfraktion ist die Resonanz auf Vogels Kandidatur positiv. Ob er beim Bundesparteitag dann auch ein gutes Ergebnis erzielt, muss sich zeigen. Manche seiner Themen, wie „Empowerment“ und „Diversität“, seien vor allem etwas für die „Großstadtmitgliedschaft“, sagt ein Parteifreund. Auch Vogels Juli-Hintergrund könnte ein Hindernis für eher konservative und wirtschaftsliberale FDPler sein. Manche in der Partei hätten sich wiederum für die männerdominierte Parteispitze einen weiblichen Neuzugang gewünscht, am besten aus Ostdeutschland.

Dennoch zahlt Vogels Kandidatur auf ein Versprechen ein, das Lindner seit langem gibt: die „personelle Verbreiterung“ der FDP-Führung. Wenn er die Wahl besteht, wäre Vogel das jüngste Präsidiumsmitglied, mit einem eigenen Profil als Sozialpolitiker.

Doch schafft er es dann auch, das Bild der FDP mitzuprägen? Das dominiert Lindner, das Image der „One Man Show“ hängt fest an der Partei. Ändern könne sich das nur, so hört man seit langem bei den Freidemokraten, wenn sich die Leute aus der „zweiten Reihe“ endlich nach vorne trauten. Auch Lindner fordert das immer wieder intern. Mit seiner Kandidatur als FDP-Vize kommt Vogel dem Appell nun nach.

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