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Längst genehmigt - und bald auch wieder lieferbar? Küstenschutzboote für Saudi-Arabien liegen auf dem Werftgelände der Peene-Werft in Wolgast. Die SPD will sie auch weiter blockieren.
© STefan Sauer/dpa

Streit um Rüstungsexporte: Der Alleingang der SPD ist nicht europäisch

Am Mittwoch entscheidet die Regierung, ob Saudi-Arabien wieder Rüstungsexporte erhält. Die SPD will sich profilieren – das hat unliebsame Folgen. Ein Kommentar.

Für das Gute, gegen das Schlechte – auf diese einfache Formel wollen die Sozialdemokraten die Alternativen im Streit um die Verlängerung des Moratoriums für Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien zusammenschnurren lassen. Doch die Wirklichkeit der Außen- und Rüstungspolitik, sie ist  komplizierter. Denn die SPD will mit ihrer Entscheidung auch jenen EU-Ländern Fesseln anlegen, die weiter Rüstungs-Gemeinschaftsprodukte mit deutschen Bauteilen in das Königreich exportieren wollen. Auch wenn es nur um zwei deutsche Schalter geht, soll der Export des europäischen Produkts verboten bleiben. Ganz zu schweigen von dem verheerenden Signal, das der sozialdemokratische Teil der Bundesregierung damit an EU-Partner sendet. Die sehen nun eine stärkere Integration der europäischen Rüstungsindustrie gefährdet, wie gerade die französische Botschafterin in undiplomatisch harter Form deutlich gemacht hat.  

Es stimmt, dass sich auch der US-Kongress wegen der Ermordung des saudischen Dissidenten Jamal Kashoggi gegen Rüstungslieferungen an das Königreich ausgesprochen hat. Doch die Intensität und Breite der deutschen Debatte zu Saudi-Arabien ist erstaunlich angesichts der Tatsache, dass der deutsche Anteil an saudischen Rüstungsimporten weniger als zwei Prozent ausmacht. Es geht mehr um das eigene Gewissen als um das Verändern der Wirklichkeit. Die Sozialdemokraten verweisen auf Umfragen, wonach 80 Prozent der Deutschen gegen jede Form von Rüstungsexport sind. Doch Stimmungen hinterherzulaufen macht noch keine gute Außen- und Sicherheitspolitik aus. Willy Brandt und Helmut Schmidt sind nicht deshalb große Politiker geworden, weil sie nur mit Rückenwind segelten.

Zum Erstaunen der Sozialdemokraten hält die Union beim Rüstungsexport nun eisern dagegen – trotz der anstehenden Wahlkämpfe für das Europaparlament und die Landtage. Wähler schauen nämlich nicht nur auf Inhalte, sondern auch auf Haltung und Führungsfähigkeit. Deshalb ist es zweifelhaft, ob die SPD mit ihrem Widerstand gegen Rüstungsexporte punkten kann. Viel wahrscheinlicher ist, dass sie das Misstrauen gegen Regierungsentscheidungen noch weiter steigert – und die Gegner solcher Lieferungen dann eben andere Rüstungsexporte unter SPD-Verantwortung skandalisieren. Gewinnen kann die SPD auf diesem Feld wenig.

Auf der Suche nach Profil setzt sich die SPD über bündnispolitische und europapolitische Verpflichtungen großzügig hinweg. Von der Stigmatisierung des Nato-Rüstungsausgabenziels von zwei Prozent durch den damaligen Außenminister Sigmar Gabriel als vermeintliches Trump-Diktat hat sich die SPD bis heute nicht erholt. Sie scheint vergessen zu haben, dass ein sozialdemokratischer Außenminister, Frank-Walter Steinmeier, die Selbstverpflichtung mit unterschrieben hatte.

Auch beim Rüstungsexport nimmt sie wenig Rücksicht auf Europa. Die Deutschen haben aus ihrer Gewaltgeschichte und dem verlorenen Zweiten Weltkrieg die Lehre gezogen, alles Militärische mit Argwohn zu sehen. Andere europäische Länder haben in dieser Zeit erfolgreich ihre Nation verteidigt und deshalb ein anderes Verhältnis zum Einsatz militärischer Gewalt. Wenn es denn jemals eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik mit einer stärker integrierten Rüstungsindustrie in der EU geben soll, muss man den Kompromiss suchen. Der Mehrheit strikte deutsche Sonderregeln im Gefühl aufzudrängen, dass man selbst moralisch überlegen sei, ist jedenfalls nicht europäisch. Eher muss man fragen, ob es sich nicht um eine Form von Nationalismus mit gutem Gewissen handelt.

Denn darauf läuft es hinaus: Europa wird wehrhaft sein oder es wird nicht sein – so will es die Mehrheit der Europäer. Wenn die SPD sich vor dieser Wahrheit wegduckt, macht sie alle ihre Bekenntnisse zu mehr Integration, Multilateralismus und europäischer Selbstbehauptung in einer immer ungemütlicheren Welt sehr, sehr unglaubwürdig.

Hans Monath

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