Pressestimmen zum TV-Duell: "Wie ein vorgezogenes Koalitionsgespräch"
Die Medien sind sich einig: Eine echte Wechselstimmung hat das Duell Merkel contra Schulz nicht erzeugt. Doch zum Auftritt der Kandidaten gibt es verschiedene Ansichten.
Das TV-Duell zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Herausforderer Martin Schulz hat ein breites Echo in den Medien gefunden - und wird sehr unterschiedlich kommentiert.
„Münchner Merkur“: „Nach wirklich spannenden Unterschieden in den Politikangeboten von Kanzlerin und Kandidat mussten die Zuschauer des TV-Duells mit der Lupe suchen. Ob ein gefühltes Patt für den Herausforderer aber reicht, um auf den letzten Metern noch so etwas wie Wechselstimmung herbeizuzaubern? Große Zweifel sind erlaubt.“
„Sueddeutsche.de“ (Süddeutsche Zeitung, München): „Schulz ist eigentlich der viel bessere Redner. Aber das Eigentlich zählt nicht an so einem Abend; Schulz konnte es nicht zeigen, er kam zu selten in Fahrt, er konnte sich nicht entfalten, er konnte kaum Punkte sammeln, kaum Treffer landen. Merkel gelang das besser, auch deswegen, weil sie von den Moderatoren viel weniger unterbrochen wurde als Schulz. Die Frager behandelten Merkel wie eine Majestät und Schulz wie ihren Domestiken; und Schulz gelang es zu selten, das abzustellen. Er präsentierte sich zu oft im Konjunktiv, ja er war der personalisierte Konjunktiv.“
„faz.net“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung): „Im Berliner Adlershof, das wird schnell klar, treffen sich kurz vor der Wahl zwei langjährige europäische (Außen-)Politiker, die sich und ihre Positionen aus unzähligen Verhandlungsrunden in- und auswendig kennen - und die den anderen sehr schätzen. Und das Duell, in weiten Teilen ist es eher ein öffentlicher Koalitionsgipfel unter Regierungspartnern als ein heftiger Schlagabtausch zweier Vertreter mit einer unterschiedlichen politischen Agenda.“
„Badische Zeitung“ (Freiburg): „Klare Kante, klare Aussagen - damit punktete Schulz mehrmals gegen eine wie immer abwägende Merkel. Besonders spürbar war das in der Frage des Umgangs mit der Türkei. Allerdings wirkte Schulz später ein wenig so, als feiere er innerlich bereits seine stramme Performance. Merkel blieb Merkel und machte gerade dadurch das Beste daraus: Sie dozierte, erklärte und vergaß nie den Hinweis, dass die SPD in der Koalition fast immer dabei war.“
„rp-online.de“ (Rheinische Post; Düsseldorf): „Eines muss man nach dem TV-Duell sagen: Deutschland hat zwei überzeugte und vernunftgesteuerte Demokraten, die sich für das Amt des Regierungschefs bewerben. Das ist angesichts der Populisten und Autokraten, die anderswo regieren, nicht das allerschlechteste.“
„ntv.de“ (Köln): „Im Rückblick wird man vermutlich sagen: Das TV-Duell war der Moment, als Martin Schulz die Bundestagswahl endgültig verloren hat. Der SPD-Kanzlerkandidat hätte beim Aufeinandertreffen mit Angela Merkel deutlich besser sein müssen als die Bundeskanzlerin. Das war er nicht. Im Gegenteil.“
„Heilbronner Stimme“: „Schulz sollte attackieren und die Kanzlerin in die Ecke drängen. Doch der Kandidat verzettelte sich und rutschte einige Mal auf dem glatten Duell-Parkett aus.“
„welt.de“ (Berlin): „Angela Merkel hat dieses am Ende ziemlich glanzlose Duell gewonnen, und Martin Schulz hat es nach einem ziemlich beeindruckenden Anfang verloren, weil er nicht bei seinen intellektuellen Leisten blieb. Seinen Schlussgag hatte er am Anfang verbraten und danach mit Machismo und heiterer Ruppigkeit versucht, die Kanzlerin unter Druck zu setzen. Das gelang auch, ein paar Treffer saßen. Aber sie reichten nicht, um die Kanzlerin ins Wanken zu bringen und schon gar nicht reichte es, um sich selbst als einen Politiker zu präsentieren, dem die noch unschlüssigen Wähler zutrauen, Deutschland als europäische Führungsmacht in schwierigen Zeiten zu führen.“
„Nordsee-Zeitung“ (Bremerhaven): „Schulz hat sich sehr wacker geschlagen. Aber neue Hoffnungen auf einen politischen Wechsel konnte er kaum wecken. Wie auch, wenn es keine Wechselstimmung gibt? Mindestens hätte er dafür dieses „TV-Duell“ haushoch gewinnen müssen. Hat er aber nicht. Für Schulz waren die 95 Minuten zur besten Sendezeit aber schon deshalb ein Erfolg, weil er sich erstmals einem Millionenpublikum präsentieren konnte. Merkel kennen alle Leute, Schulz viele nicht. Viele haben am Sonntagabend gelernt: Auch der könnte Kanzler.“
„waz.de“ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung; Essen): „Es gibt keine wirklichen Unterschiede zwischen der Politik Angela Merkels und den Vorstellungen des SPD-Kandidaten: Flüchtlingspolitik, Integration, Abschiebungen, Trump, Erdogan, Nordkorea, innere Sicherheit, Entlastungen für Familien, eine soziale Rentenpolitik - bei vielen Themen sah das Publikum zwei Großkoalitionäre, von denen Schulz bemüht Konflikte suchte und Merkel mögliche Kanten glättete. Deutlich wurde auch immer wieder: Die wesentlichen Entscheidungen in der Innen- und Außenpolitik haben CDU und SPD gemeinsam getroffen. Für Schulz bleibt es daher bis zur Wahl die größte Herausforderung, eine Kanzlerin zu kritisieren, die eine sozialdemokratisierte CDU führt.“
„TheGuardian.com“ (London): „Insgesamt eine enttäuschende Nacht für Angela Merkels Herausforderer. Kurz, als es um die Türkei ging, fühlte es sich an, als könnte er die Kanzlerin überraschen. Doch das Format und die Fragen gaben ihm keine Möglichkeit, dieses Momentum zu behalten. Merkel auf der anderen Seite glänzte nicht, aber sie musste es auch nicht.“
„nzz.ch“ (Neue Zürcher Zeitung): „Das TV-Duell (...) wirkte eher wie ein vorgezogenes Koalitionsgespräch denn ein Duell um die Kanzlerschaft. Schulz und Merkel nickten sich oft gegenseitig zu. Der eine sprach, die andere nickte und umgekehrt. Für Schulz ist das schlecht. Es war für ihn, drei Wochen vor der Wahl, das Gespräch der letzten Hoffnung. Jetzt ist diese weg.“
„washingtonpost.com“ (Washington): „Drei Wochen, bevor Deutschland darüber entscheidet, ob Bundeskanzlerin Angela Merkel weitere vier Jahre im Amt bleibt, stellte sie sich am Sonntagabend einer Debatte mit ihrem größten Rivalen, die die TV-Sender als Duell angekündigt hatten - die aber zeitweise eher einem Duett glich. (...) Ein Thema nach dem anderen - darunter Flüchtlinge, die Wirtschaft und natürlich (US-) Präsident (Donald) Trump - zeigte das Paar gelegentlich leichte Unstimmigkeiten, sah aber größtenteils von ernsthaften Attacken ab. Trump selbst bekam wesentlich mehr Kritik ab als das, was die beiden Kandidaten gegenseitig auf sich abluden.“
„www.elmundo.es“ (Madrid): „Das einzige Duell mit ihrem Rivalen, in das die Kandidatin der CDU einwilligte, verlief wie der Wahlkampf, in dem sie allen Umfragen zufolge führt: ohne Turbulenzen, ohne Überraschungseffekte, ohne große Versprechen, ohne Selbstkritik. (...) Merkel verteidigte ihre Entscheidungen (während der Flüchtlingskrise 2015, die Red.), wissend, dass ein Sozialdemokrat niemals - so wie es die ganze Zeit der Fall war - solch eine Solidarität in Frage stellen würde. Schulz hatte bloß in der Frage der Beziehungen zur Türkei eine andere Meinung.“ (dpa)