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Angespannte Stimmung beim Gespräch mit Edelgard Bulmahn (Mitte).
© Martin Niewendick
Update

Besuch bei Bundestags-Vizepräsidentin: Wie Edelgard Bulmahn israelische Studenten irritierte

Die SPD-Politikerin diskutierte mit einer Studentengruppe aus Israel über den Nahostkonflikt. Das ging nicht gut. Die Studenten warfen ihr Inkompetenz vor.

Edelgard Bulmahn hatte einen denkbar guten Start. Am Dienstagnachmittag empfing die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages eine israelische Studentengruppe, um über den Nahostkonflikt im Allgemeinen und das Bild Israels in Deutschland im Besonderen zu diskutieren. Dass sie nach dem Abitur ein Jahr in Israel gelebt hat und auch heute noch regelmäßig dort Urlaub macht, brachte der SPD-Politikerin Sympathiepunkte bei den jungen Studenten ein. Doch die gute Stimmung hielt nicht lange, weil einige ihrer Äußerungen bei den Gästen auf Unverständnis stießen.

„Heute ist der Geburtstag von Golda Meir“, sagte Itai Hacham, einer der Mitorganisatoren der Reise. Der 28-jährige Student erinnerte an ein berühmtes Zitat der ehemaligen Ministerpräsidentin Israels: „Frieden wird es geben, wenn die Araber ihre Kinder mehr lieben, als sie uns hassen.“

Auf der palästinensischen Seite gebe es keinen zuverlässigen Verhandlungspartner, der mit einer Stimme für die Palästinenser sprechen könne, sagte er. Das mache bilaterale Verhandlungen so schwierig. Edelgard Bulmahn verwies auf den Führungsanspruch der PLO und plädierte dafür, gescheiterte Friedensgespräche wieder aufzunehmen. Dann irritierte sie mit einem Vergleich.

„Vielleicht habe ich mehr Lebenserfahrung als Sie“

Als Deutsche sei sie selbst in einem geteilten Land aufgewachsen. Auch an der deutsch-deutschen Grenze habe es Tote gegeben, wenn auch nicht so viele wie an der Grenze zum Gazastreifen. Die Situation sei teilweise vergleichbar, auch weil andere Länder in den Konflikt involviert gewesen seien. Der Vergleich der Situation des geteilten Deutschlands mit dem von Terrorkommandos und permanentem Raketenhagel aus dem Gazastreifen bedrohten Israel sorgte für Ratlosigkeit und Kopfschütteln. Auch dass die Berliner Mauer Menschen davon abhielt, aus dem Land herauszukommen, während die israelische Sicherheitsanlage vor Eindringlingen schützt, machten den Vergleich für Studenten schief. „Vielleicht habe ich mehr Lebenserfahrung als Sie“, sagte sie etwas gereizt. Es war nicht das einzige Mal, dass sie ratlose Blicke erntete.

Auch bei den EU-Geldern, die jährlich in Richtung Palästinensische Autonomiebehörde fließen, gingen die Meinungen auseinander. Diese würden unter anderem zur Finanzierung von Terrorismus verwendet, sagte ein Teilnehmer der israelischen Delegation. Das stimme so nicht, wendete Bulmahn ein.

Das Geld werde zum Beispiel zur Finanzierung der Polizei und für den Bau von Krankenhäusern genutzt, die im Übrigen von der israelischen Armee oft wieder zerstört würden. Wieder ging ein Raunen durch die Reihen. Denn in Israel herrscht allgemeine Wehrpflicht, fast jeder Israeli kennt die Armee also aus eigener Erfahrung und weiß, dass die im Gazastreifen regierende Hamas zivile Gebäude wie Schulen, Kindergärten und Moscheen als Waffenlager und Abschussrampen nutzt, um sich vor Gegenschlägen zu schützen. Wird doch zurückgeschlagen, kann die Hamas die Aktion propagandistisch ausschlachten und Israel an den Pranger stellen. Dieser Komplexität wurde Bulmahn in den Augen der Studenten nicht gerecht.

Ansonsten wurde viel mit Zahlen hantiert. 48 Prozent der Israelis lehnten volle staatsbürgerliche Rechte für Palästinenser ab, sagte Bulmahn. Israel könne nicht erwarten, dass Europa dies akzeptiere. Auf den Einwand, dass laut einer anderen Studie rund 90 Prozent der Palästinenser antisemitische Emotionen hegten, sagte die frühere Bildungsministerin, man dürfe nicht verallgemeinern.

Auch den Hinweis auf die Organisation „Boycott, Divestment, Sanctions“, die sich weltweit für einen kompletten Boykott Israels einsetzt, wollte Bulmahn nicht gelten lassen. Die Bewegung spiele in Deutschland überhaupt keine Rolle, sagte sie.

Was Israel und Britney Spears gemeinsam haben

Die Studenten der Universitäten in Jerusalem und Herzliya sind Teil der nichtstaatlichen Organisation „Tafnit“, die sich für einen Austausch zwischen der israelischen und der internationalen Zivilgesellschaft einsetzt. Die Diskussion mit Bulmahn wurde vom Mideast Freedom Forum Berlin arrangiert.

Man könne Israel mit der amerikanischen Sängerin Britney Spears vergleichen, sagte Tafnit-Leiter Shay Ginsberg vor dem Treffen mit der SPD-Politikerin. Auch bei der Sängerin werde nur ein Teil des Bildes gezeigt. „Wir sind hier, um das Gesamtbild zu zeigen und ins Gespräch zu kommen.“ Vor dem Besuch im Regierungsviertel waren die Studenten mit Felix Klein, dem Sonderbeauftragten der Bundesregierung für die Beziehungen zu jüdischen Organisationen, zusammengekommen.

Einigkeit zwischen "Leftie" und "bösem Siedler"

Es gibt einen Krisen-Mechanismus in Israel. Wird das Land von außen bedrängt, rückt die Gesellschaft zusammen, ganz gleich ob links, rechts oder liberal. Eine ähnliche Reaktion zeigten auch die 17 jungen Israelis während des Gesprächs mit Edelgard Bulmahn. Hatte man sich untereinander am Abend zuvor beim Bier noch leidenschaftlich über Politik gestritten, war man sich in der ablehnenden Haltung gegenüber den Thesen der deutschen Politikerin weitgehend einig.

Am eindrücklichsten war dies bei Paz Moria und Itai Epstein zu beobachten. Paz von der Hebräischen Universität Jerusalem bezeichnet sich selbst als „Leftie“, als Linke mit einem großen arabischen Freundeskreis. „Ich glaube, die Sachen, die sie gesagt hat, waren sehr naiv und problematisch“, sagte Paz nach der Diskussion. Von außen sei es einfach, neutral zu sein und zu sagen, beide Seiten hätten Unrecht. „Das ist aber etwas anderes, wenn Raketen auf dein Haus geschossen werden, Leute in den Straßen erstochen werden und Busse explodieren.“

Itai Epstein, der sich ironisch als „bösen Siedler“ bezeichnet und in Herzliya studiert, ergänzt: „Sie wollte nur einen Vortrag halten und falsche Fakten verbreiten.“ Das Gespräch sei für ihn ein weiterer Beweis für die mangelnde Kompetenz der europäischen Politik im Nahostkonflikt. Andere Teilnehmer teilten diesen Eindruck.

Martin Niewendick

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