"Paradise Papers": Wie diese Steuerflucht beendet werden könnte
Der Skandal um Steuerflucht wäre beendet, wenn alle Banken, die Geschäfte mit Off-Shore-Firmen tätigen, ihre Banklizenz im Euroraum verlören. Ein Kommentar.
Und wieder ein Leak. Wieder hat ein anonymer Helfer Medien Millionen von Dateien aus Steuerfluchtzentren zugespielt. Erneut erfahren wir, mit welchen Praktiken die Superreichen und ihre Konzerne sich im großen Stil ihrer Steuerpflicht entziehen. Mal sind es als Treuhänder getarnte Strohmänner, hinter denen sie sich verstecken. Mal nutzen sie Sondergesetze, um steuerpflichtige Milliardengewinne in steuerfreie Lizenz- und Patentgebühren zu verwandeln. Dann wieder erwerben die Konzerneigentümer genauso wie Top-Manager ihre Privatjets mehrwertsteuerfrei. Und natürlich bleiben Namen und Summen in ganzen Labyrinthen von Schattenfirmen geheim, die formal in irgendwelchen Operettenstaaten registriert sind.
Mit diesem System der Schattenfinanz werden rund um die Erde Vermögen und deren Erträge im Wert von mindestens 20 Billionen Dollar der Steuerpflicht entzogen. Das kostet, vorsichtig gerechnet, die Staatskassen der Welt 300 Milliarden Euro an Einnahmen im Jahr, doppelt so viel wie alle Zahlungen für Entwicklungshilfe zusammen.
Ja, das ist empörend. Doch es ist keineswegs überraschend. Nur die Namen und Details sind neu. Aber die Methoden sind seit Jahrzehnten bekannt. So wichtig diese Enthüllungen sein mögen, so deprimierend sind sie daher auch. Die „Paradise Papers“ dokumentieren nicht nur erneut die Verachtung, mit der die globale Wirtschaftselite den Gesellschaften begegnet, denen sie ihren Reichtum verdankt. Sie belegen auch die unerträgliche Kumpanei, mit der die demokratisch gewählten Regierungen der Wohlstandsländer des Westens dieser Verspottung des Gemeinwohls Vorschub leisten.
Nichts Unrechtes getan
Ablesbar ist das nicht zuletzt an den Dementis der beteiligten weltumspannenden Anwaltskanzleien und ihrer Kunden. Unisono künden sie, dass sie ihren gesetzlichen Pflichten nachgekommen sind, folglich nichts Unrechtes getan haben. Und genau das ist der eigentliche Skandal: Die milliardenschwere Steuervermeidung erfolgt größtenteils ganz legal.
Die gängige Entschuldigung für diesen Zustand gab der ausgeschiedene Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zum Besten. Man lebe nun mal „in einer globalisierten Welt“, sagte er, und da sei es schwer, dem Steuerfluchtwesen zu begegnen. Kaum hätten er und seine Kollegen „der Hydra einen Kopf abgeschlagen“, würden „zwei neue wachsen“.
Das ist absurd. Tatsächlich sind die Steuerfluchtzentren de facto nichts anderes als ex-territoriale Zonen in den Datenspeichern der Banken. Gäbe es in den USA oder in der Euro-Zone den politischen Willen, ließe sich deren parasitäres Geschäft von heute auf morgen beenden. Die Parlamente müssten nur beschließen, dass Banken, die Geschäfte mit Firmen auf der Isle of Man, den Kaiman-Inseln und anderen steuerfreien Zwergstaaten betreiben wollen, kein Konto mehr bei der EZB oder Federal Reserve bekommen, folglich also nicht mehr in Euro oder Dollar handeln könnten. Sofort würden alle internationalen Banken dieses Geschäft einstellen, und der Spuk wäre vorbei. Den Vorschlag machte Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt schon vor elf Jahren.
Aber diesen Willen gab es eben nie. Stattdessen sorgte sich die bisherige Bundesregierung lieber um die Privatsphäre der Superreichen. Vor allem wegen des deutschen Widerstandes gibt es darum bis heute keine Register, die EU-weit verpflichtend und ohne Ausnahme die tatsächlichen wirtschaftlichen Begünstigten einer jeden Unternehmung öffentlich benennen, um so dem Geschäft mit den Geheimvermögen ein Ende zu machen.
Eigentlich wäre es für die künftige Bundesregierung gemeinsam mit der des französischen Präsidenten Macron ein Leichtes, ein Zeichen zu setzen. Schließlich verliert mit dem Ausscheiden der Briten aus der EU die zentrale Schutzmacht der Steuervermeider Sitz und Stimme. Lassen sie diese Chance verstreichen, werden auch die jüngsten Enthüllungen folgenlos verpuffen.