Coronaviruskrise in Afrika: Der verwundbare Kontinent
Afrikas Regierungen versuchen die Coronaviruskrise einzudämmen. Warum könnte die Lage dennoch katastrophal werden?
Eine Zeit lang ist Afrika vor allem wegen seiner dürftigen Reise-Verbindungen zum Rest der Welt verschont geblieben, doch nun hat das Coronavirus auch diesen Kontinent erreicht. Die Menschen im Süden stehen vor harten Zeiten.
Wie ernst ist die Lage auf dem Kontinent?
Noch sind die offiziellen Fallzahlen aus Afrika relativ gering. Das heißt allerdings nicht, dass sich das Virus nicht rasant ausbreiten würde – nur wird im Süden kaum getestet. Rund 4000 Infizierte aus 43 afrikanischen Staaten werden bisher gemeldet. Die Liste der Infektionen wird von Südafrika angeführt, mit 1100 bestätigten Fällen, gefolgt von Ägypten mit mehr als 500 sowie Marokko und Algerien mit jeweils mehr als 400 Ansteckungen. Die Kurve steigt fast überall exponentiell an.
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„In den kommenden zwei Wochen wird sich das Schicksal Afrikas in Sachen Covid-19 entscheiden“, warnt WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus. Dem Kontinent droht die größte Katastrophe seit Kolonialismus und Sklaverei. Die Gesundheitssysteme afrikanischer Staaten dürften einer Belastung, wie sie China, Europa und die USA erleben, nicht gewachsen sein: Angesichts fehlender Intensivstationen und Beatmungsgeräte muss mit Hunderttausenden, wenn nicht Millionen von Opfern gerechnet werden.
Was unternehmen Afrikas Regierungen?
Sie setzen vor allem auf Ausgangssperren. Überall wird das öffentliche Leben zurückgefahren. Am weitesten geht bislang Südafrika, dessen Präsident Cyril Ramaphosa davon überzeugt ist, dass nur eine „dramatische Eskalation“ der Abwehrmaßnahmen das Virus eindämmen könne. Seit Donnerstagnacht gilt im Land eine der weltweit härtesten Ausgangssperren: 21 Tage lang dürfen die 57 Millionen Bürger ihr zu Hause lediglich zum Einkaufen von Lebensmitteln oder Medikamenten verlassen. Alle anderen Geschäfte bleiben wie Restaurants, Ämter, Sporteinrichtungen und Parks geschlossen. Selbst der Verkauf von Alkohol und Zigaretten ist untersagt. Überwacht werden die drakonischen Maßnahmen von Polizei und Armee, die bewaffnet in den Straßen patrouillieren. In den ersten 24 Stunden nahmen sie 55 Menschen fest.
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Auch im ostafrikanischen Kenia setzt die Polizei eine seit drei Tagen bis auf weiteres geltende nächtliche Ausgangssperre mit Härte durch. Hunderte Pendler in der Hafenstadt Mombasa, die es am Freitagabend nicht rechtzeitig nach Hause geschafft hatten, wurden von Polizisten zusammengetrieben und verprügelt. Auch aus Ruanda und Simbabwe werden Vorfälle von Polizeigewalt gemeldet. „Unsere Sicherheitskräfte müssen verstehen, dass die Menschen Hilfe und keine Strafen brauchen“, twitterte Mombasas Bezirksgouverneur Joho Hassan. Kenias Regierung hat indes Steuersenkungen angekündigt, um die finanziellen Folgen der Krise abzufedern. Präsident Uhuru Kenyatta will „freiwillig“ auf 80 Prozent seines Gehalts verzichten.
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Warum könnte die Eindämmung schwierig werden?
Die Armut in Afrika stellt das größte Hindernis bei der Eindämmung der Pandemie dar. In Elendsvierteln wie dem Slum Kibera in Nairobi etwa haben nur wenige der rund 500 000 Einwohner fließendes Wasser, Seife ist teuer, Desinfektionsmittel für die meisten unerschwinglich. Die Wirtschaftskrise dürfte die Preise für alle Güter des täglichen Bedarfs rasch steigen lassen. In Ostafrika kommt eine Heuschreckenplage hinzu, in Libyen und dem Kongo toben Bürgerkriege.
Auch in Südafrikas Townships und Slums dürfte sich die Krise schnell zuspitzen: Wenn bis zu achtköpfige Familien in zwei kleinen Räumen leben, ist eine Ausgangssperre so gut wie ausgeschlossen. In Alexandra, dem am dichtesten besiedelten Township Johannesburgs, unterschied sich das Straßenbild bereits am ersten Lockdown-Tag nur kaum von dem eines normalen Tags. In anderen Teilen Südafrikas kam es zu chaotischen Einkaufszenen und epidemiologisch fragwürdigen Schlangen vor Supermärkten.
In Ländern wie Kenia oder der Demokratischen Republik Kongo sind die Ausgangssperren bislang nur auf die Abend- und Nachtstunden beschränkt – aus einem praktischen Grund: Die meisten Menschen leben von der Hand in den Mund. Sie würde ein totaler Lockdown in kürzester Zeit in schwere Existenznöte bringen. Vorräte anzulegen können sich die meisten nicht leisten. Ob kenianische Taxifahrer, Straßenhändler oder Handwerker – wenn diese Menschen zwei Tage nicht arbeiten, haben sie und ihre Familien oft am dritten Tag nichts mehr zu essen. Weil für sie das Arbeitsleben also weitergehen muss, lässt sich allerdings das gebotene „Social Distancing“ in Ländern wie Kenia kaum effektiv durchsetzen.
Die jüngste Polizeigewalt hat außerdem erneut gezeigt, wie schlecht das Verhältnis zwischen Regierungen und Regierten in vielen afrikanischen Ländern ist. Daran hatten auch immer schon die im Westen ausgearbeiteten Strategien gegen afrikanische Ebola-Epidemien gekrankt: dass sie die größte Herausforderung im Kampf gegen die Seuche vernachlässigt hatten, nämlich das mangelnde Vertrauen vieler Afrikaner in ihre Regierungen.
Mit welchen wirtschaftlichen Folgen ist zu rechnen?
Die Lockdowns werden die ohnehin empfindlichen Volkswirtschaften der Entwicklungs- oder Schwellenstaaten auf Jahre hinweg schädigen. Wie verheerend der Schaden ausfallen wird, lässt sich nicht abschätzen, weil derzeit keiner weiß, wie lange der Ausnahmezustand dauert. So lässt sich heute kaum sagen, ob es etwa in Südafrika tatsächlich bei nur drei Wochen Lockdown bleiben wird. Hunderte, wenn nicht gar tausende kleinerer und mittlerer Unternehmen stehen vor dem Aus. Sollten die afrikanischen Wirtschaftsmotoren wie Südafrika, Kenia oder Nigeria zusammenbrechen, hätte das verheerende Folgen für den gesamten Kontinent. Angesichts ausbleibender Einnahmen, geschlossener Grenzen und dem Kollaps schwächelnder Volksökonomien sagen Experten bereits Hungersnöte voraus. Mit Blick auf die bislang geringen Todeszahl von weniger als 100 Menschen in Afrika wenden Skeptiker inzwischen ein: Langfristig könnten an den Folgen der Lockdowns womöglich weit mehr Afrikaner sterben als an dem Virus selbst.
Was kann Deutschland tun?
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) betont, dass der Westen die Länder Afrikas jetzt nicht alleine lassen dürfe. „Die Staatengemeinschaft muss schnell liefern“, schreibt Müller in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel. Neben millionenschweren Soforthilfen will der CSU-Politiker praktische Unterstützung bereitstellen – etwa bei der Schulung von Labor- und Klinikpersonal.
Viel Hoffnung setzt Müller auf „Corona-Tools“: In Deutschland entwickelte Apps, mit denen „Informationen über Infizierte und Kontaktpersonen in Echtzeit schnell und unkompliziert“ weitergegeben werden können – für ein besseres „Management und Monitoring“ der Coronakrise.
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