zum Hauptinhalt
iehIn den Städten drohen Fahrverbote. Doch die Autoindustrie mauert.
© imago/Future Image

Mögliche Fahrverbote: Wie die Autoindustrie bei Diesel-Nachrüstungen bremst

Die Politik hat wenig Spielraum, die Konzerne im Dieselskandal zu Handeln zu zwingen. Dabei sind in mehr als 30 Städten Fahrverbote möglich.

Es sei noch „viel Arbeit zu tun“, räumte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) nach der nächtlichen Einigung der Koalition auf ein Diesel-Paket ein. Seine Kabinettskollegin Svenja Schulze (SPD) musste ihm vergangene Woche beipflichten. Mit einigen Autoherstellern werde man noch aushandeln müssen, ob und wie sie sich an Hardware-Nachrüstungen älterer Diesel beteiligen wollten, um Fahrverbote zu vermeiden. Schnell war klar: Niemand in der Industrie will wirklich. Daran hat sich auch eine Woche nach der Nacht im Kanzleramt nichts geändert.

Weil man die Unternehmen aber nicht per Gesetz zwingen kann – die Dieselfahrzeuge wurden ja nach geltendem Recht zugelassen –, bleiben der Politik nur Appelle. Und die Hoffnung, dass sich die schwer unter Druck stehenden Konzerne ihrer Verantwortung noch bewusst werden.

Merkel verschärft den Ton

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verschärfte am Wochenende den Ton: Es sei in der Autoindustrie in der Diskussion um Schadstoffreduzierungen gelogen und betrogen worden, sagte sie beim Deutschlandtag der Jungen Union. Etliche in der Industrie hätten sich „sehr schuldig gemacht und Vertrauen verspielt“.

Einen weiteren Beleg dafür erhielt Merkel am Montag: Die VW-Tochter Audi hat laut „Süddeutscher Zeitung“ für die Zulassung von Autos in Südkorea jahrelang Fahrgestellnummern und Testprotokolle gefälscht. Mitarbeiter in den Werken Ingolstadt und Neckarsulm hätten seit 2013 Testprotokolle für die Zulassung von Autos in Südkorea „gezielt manipuliert“.

Auch Svenja Schulze legte vor dem Berliner Gerichtsurteil nach und ließ erneut erklären, Hardware-Nachrüstungen müssten so schnell wie möglich auf den Weg gebracht werden. Sie seien die effektivste und wirksamste Maßnahme für bessere Luft in den Städten sei. „Da entsteht jetzt öffentlicher Druck. Und ich glaube, dass da das letzte Wort noch nicht gesprochen ist“, sagte Schulze im ZDF.

Doch bislang haben die Autohersteller das letzte Wort – sie sagen: Nein. Oder: Ja, aber. Wie VW und Daimler zum Beispiel, die am stärksten in der Diesel-Affäre belasteten Konzerne. Sie spielen den Ball an die Nachrüstfirmen zurück. „Diese Lösungen müssen vorliegen, zugelassen und dauerhaft haltbar sein und damit die Kunden überzeugen“, heißt es bei VW zu den Hardware-Nachrüstsystemen. Außerdem erwarte man, „dass die Bundesregierung sicherstellt, dass sich alle Hersteller an den entsprechenden Maßnahmen beteiligen“. Womit der Ball wieder bei Merkel, Scheuer und Schulze liegt.

Nur ein Nachrüstsystem

Die können den Herstellern beim Thema Genehmigungen aber noch wenig anbieten. Dem Kraftfahrt-Bundesamt, das dem Verkehrsministerium untersteht, liegt bis heute nur ein einziges Nachrüstsystem für einen SCR-Katalysator zur Freigabe vor, wie dpa meldet. „Der Bund wird umgehend Anforderungen für wirksame Systeme definieren und das Kraftfahrtbundesamt (KBA) wird Genehmigungen erteilen, damit diese zeitnah auf dem Markt angeboten werden können“, heißt es im Verkehrsministerium.

Das klingt nicht nach einer schnellen Lösung, die Autofahrer brauchen, die jetzt keinen Neuwagen kaufen wollen oder können. Nach Angaben einiger Nachrüster sollen zwar 2019 weitere SCR-Katalysatoren zertifiziert sein. Unklar ist jedoch, ob und wann Nachrüstsätze für alle umbaubaren Euro5-Modelle vorliegen. Und ebenso offen ist, ob es möglicherweise auch zusätzlich Lösungen für ältere Euro6-Diesel geben muss, wenn auch für sie Fahrverbote gelten sollten.

Auch die EU drängt

Die könnte es künftig nicht nur in Düsseldorf, Stuttgart, München, Aachen, Frankfurt am Main oder Berlin geben. Fahrverbote in der Hauptstadt wären für die Deutsche Umwelthilfe (DUH) nur ein vorläufiger Höhepunkt in einer Serie erfolgreicher Klagen. Insgesamt 28 Städte hat der Verein auf eine bessere Luftreinhaltung verklagt, sechs weitere sollen hinzu kommen. Urteile werde es in den nächsten Wochen Schlag auf Schlag geben, wie Rechtsanwalt Remo Klinger, der die DUH (bis auf Berlin) vertritt, ankündigt: Am 24. Oktober in Mainz, am 8. November in Köln/Bonn, am 15. November in Essen, Gelsenkirchen, Bochum und Dortmund.

Doch damit nicht genug. Parallel zum Diesel-Drama kämpft die Autoindustrie in Brüssel an der CO2-Front. Das EU-Parlament fordert eine Senkung des Kohlendioxidausstoßes bei Neuwagen um 40 Prozent bis 2030, EU-Kommission und Bundesregierung halten 30 Prozent für angemessen. So oder so müsste die Industrie schneller mit dem Verkauf von Elektroautos vorankommen, will sie Strafzahlungen bei Verfehlung des CO2- Ziels vermeiden. Die werden wahrscheinlicher, wenn der – im Vergleich zu Benzinern CO2-ärmere – Diesel weiter Marktanteile verliert.

Zur Startseite