Petitionsausschuss des Bundestages: Wie die AfD gegen den Migrationspakt kämpft
Die AfD geht im Petitionsausschuss des Bundestags mit allen Mitteln gegen den UN-Migrationspakt vor. Eine Mitarbeiterin bat nach Bedrohungen um Versetzung.
Für Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau ist es ein Vorgang, wie sie sie ihn in mehr als 20 Jahren Parlamentserfahrung noch nicht erlebt hat. "Die AfD bekämpft die Institutionen der Demokratie", sagt die Linken-Politikerin zum Streit um den Widerstand der Partei und ihrer Verbündeten gegen den UN-Migrationspakt. Denn geführt wird die Auseinandersetzung inzwischen nicht nur auf politischer Ebene - sondern auch gegen Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung. Eine Mitarbeiterin des Petitionsausschussdienstes wurde nach Tagesspiegel-Informationen so sehr bedroht, dass sie - erfolgreich - um ihre Versetzung nachsuchte. Die Frau war öffentlich an den Pranger gestellt worden.
"Absolut inakzeptabel" sei es, dass auch Mitarbeiter des Parlaments attackiert, drangsaliert und verächtlich gemacht würden, erklärt Pau dem Tagesspiegel, es handele sich um eine klare "Grenzüberschreitung". "Das zeigt, welch Geistes Kind die AfD und ihre Mitstreiter sind."
Tatsächlich haben AfD & Co. den Petitionsausschuss zu einem Hauptkampffeld der Diskussion um den Pakt gemacht, der vorsieht, Migration stärker zu steuern und die Rechte von Migranten zu schützen. Das Dokument soll am 10. und 11. Dezember auf der UN-Konferenz in Marrakesch (Marokko) angenommen werden.
Mehrere Dutzend Petitionen wurden seit September eingereicht, von Anfang an gab es Streit darum. Es ging damit los, dass der Ausschussdienst empfahl, eine der Initiativen aus AfD-Kreisen zunächst nicht zu veröffentlichen. Eingereicht hatte die Petition Matthias Moosdorf, Mitarbeiter des bayerischen AfD-Bundestagsabgeordneten Martin Hebner, der selbst Mitglied des Petitionsausschusses ist - und zugleich maßgeblich verantwortlich für die AfD-Parteikampagne gegen den Migrationspakt.
Zur Begründung hieß es unter Berufung auf Ziffer 4.c. der Richtlinien für die Behandlung von öffentlichen Petitionen, von einer Veröffentlichung sei abzusehen, wenn eine Petition "geeignet erscheint, den sozialen Frieden, die internationalen Beziehungen oder den interkulturellen Dialog zu belasten".
CDU-Politiker als "Merkeldreckstück" beschimpft
Zensur, hieß es anschließend in rechten Blogs. Wahrheitswidrig wurde erklärt, die Petition sei gelöscht und die Meinungsfreiheit eingeschränkt worden - Behauptungen, die das Recherchekollektiv Correctiv in einem Faktencheck widerlegte. Der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marian Wendt, Vorsitzender des Petitionsausschusses, versicherte: "Wir zensieren keine Petitionen." In jedem Fall werde die Petition im Ausschuss behandelt. Der "Berliner Zeitung" berichtete Wendt: "Ich werde per Mail bedroht oder beschimpft - als ,Migrationsfaschist' oder ,Merkeldreckstück'." Er kündigte an, strafrechtlich relevante E-Mails der Bundestagspolizei zu melden, die dann ein Strafverfahren einleiten könne.
Viele der eingereichten Petitionen zum Thema ähnelten einander im Wortlaut. Ruhe kehrte auch dann nicht ein, als sich der Ausschuss am 21. November auf eine Leitpetition zum Thema einigte - sie ging mit der ID-Nr. 85565 auf der Webseite des Bundestages online. So viel Wirbel machten AfD, Pegida & Co. für ihre Initiative, dass der Bundestags-Server unter dem Ansturm zusammenbrach. Wieder gab es in rechten Blogs Verschwörungstheorien - von gezielter Manipulation war die Rede. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Hebner veröffentlichte ein Video im Netz, in dem er der Bundestagsverwaltung "Dienst nach Vorschrift" unterstellte und dazu aufforderte, mit Beschwerden bei Wahlkreisabgeordneten und Mitarbeitern der Bundestagsverwaltung auf "wirkungsvolle Maßnahmen" gegen die vermeintliche neue Zensur-Maßnahme zu dringen.
Verwaltung gibt technische Probleme mit E-Petitionsportal zu
Technische Probleme mit dem E-Petitionsportal hat es nach Darstellung der Bundestagsverwaltung tatsächlich gegeben. Sie berichtete am 27. November intern über "Beeinträchtigungen bei der Nutzung", Höhepunkt am 22. und 23. November. In der Folge sei es gelungen, "das System sukzessive zu stabilisieren und eine normale Nutzbarkeit zu gewährleisten". Manipulationen, um die AfD-Petition zu behindern, schließt die Verwaltung hingegen aus. Die Petition zum Migrationspakt hat inzwischen mehr als 100.000 Mitzeichner, das notwendige Quorum für eine nun fällige öffentliche Debatte des Anliegens ist damit erreicht.
Diskussionsforum zur Petition vorzeitig geschlossen
Zweifel, dass es im Parlament nicht mit rechten Dingen zugeht, haben die AfD-Anhänger dennoch weiterhin. Im öffentlichen Diskussionsforum zur Petition auf der Internetseite des Bundestages wurde so heftig gestritten, dass dieses am vergangenen Freitag per Obleute-Beschluss - auch die AfD stimmte zu - vorzeitig geschlossen wurde. Fast 6000 Diskussionsbeiträge waren bis dahin abgegeben worden. Zur Begründung der Schließung des Forums hieß es: "Eine Vielzahl der Beiträge ist unsachlich, beleidigend, agitatorisch oder sogar strafrechtlich relevant. Eine an der Richtlinie orientierte Moderation ist unter diesen Umständen nicht mehr möglich." Die Schließung eines Diskussionsforums zu einer Petition hatte es zuvor nur einmal, 2011, gegeben. Damals war eine Initiative gegen die Verschärfung des Waffenrechts heftig diskutiert worden.
Alle Fraktionen außer der AfD schickten eine weitere Erklärung hinterher: "Es betrübt uns, dass dieser Schritt notwendig geworden ist. (...) Wir möchten betonen, dass es im Deutschen Bundestag – und das gilt auch für seine Internetplattformen – keinen Platz für Hasspropaganda, Rassismus, haltlose Verschwörungstheorien und antidemokratische Umtriebe gibt."
Beruhigt hat das die Skeptiker nicht, im Gegenteil. Die frühere Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld (CDU, zuvor Grüne), inzwischen mehr und mehr in rechten Kreisen unterwegs, veröffentlichte am Montag in ihrem Blog einen Gastbeitrag über "die merkwürdigen Praktiken des Bundestags-Petitionsausschusses". Das Vorgehen des Ausschusses "schürt den Verdacht, dass hier dem kritischen Bürger ein Maulkorb verpasst werden soll", schreibt ihr Autor.
Grüne: "AfD missbraucht Ausschuss für politische Kampagnen"
Viele der Mitglieder des Petitionsausschusses wirken inzwischen ob der Stimmungsmache aus AfD-Kreisen verzweifelt. Corinna Rüffer, Grünen-Obfrau in dem Gremium, sagte dem Tagesspiegel: "Abgeordnete der AfD und ihre Mitarbeiter missbrauchen den Petitionsausschuss für ihre politischen Kampagnen. Dabei setzen sie gezielt auf falsche Behauptungen und denunzieren parlamentarische Verfahren." Aus dem Petitionsausschuss heraus werde so versucht, mit Hilfe eines in der Verfassung garantierten Bürgerrechts das Vertrauen in die Demokratie zu untergraben. Weiter sagt Rüffer: "Die AfD agiert im Petitionsausschuss wie Brandstifter, die aus den Reihen der Feuerwehr kommen. Solchen Leuten muss man das Handwerk legen und nicht das Zündholz reichen."