Gemeinsamer Auftritt im Wahlkampf: Frauke Petry, Vera Lengsfeld und die Rechtsradikalen
AfD-Chefin Petry und Ex-DDR-Bürgerrechtlerin Lengsfeld wollen im Wahlkampf zusammen auftreten. Die Strippen ziehen Rechtsradikale.
Es mutet nach Wahlkampfhilfe einer langjährigen CDU-Politikerin für die AfD an: Am kommenden Donnerstagabend will die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin und frühere Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld (erst Bündnis 90/Die Grünen, dann CDU) gemeinsam mit AfD-Chefin Frauke Petry im sächsischen Pirna auftreten. Organisiert wird die Veranstaltung von einem Zusammenschluss örtlicher Unternehmer und Handwerker. Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass hinter diesem die rechtsradikale "Ein-Prozent-Bewegung" steckt.
Als "offener Dialog" wird die Veranstaltung in Pirna angekündigt, die AfD-Vorsitzende Petry soll zunächst ein Impulsreferat halten. Danach sollen Petry und Lengsfeld diskutieren. Zum Abschluss angekündigt ist die "freie Rede für Jedermann mit Fragen und Diskussionen". Garniert ist der Flyer mit zwei Zitaten, von Ernst Jünger und Kurt Tucholsky.
Die Konstellation Lengsfeld-Petry erinnert an den Einsatz der langjährigen hessischen CDU-Bundestagsabgeordneten Erika Steinbach, die kürzlich bei einer AfD-Wahlkampfveranstaltung in Pforzheim auftrat. Auch Lengsfeld, deren Sohn Philipp bisher für die Berliner CDU im Bundestag sitzt, hat sich schon seit einer Weile von ihrer Partei abgewandt, ohne formal ihren Austritt erklärt zu haben. Sie attackiert in Kolumnen immer wieder scharf Kanzlerin Angela Merkel, vor allem für deren Flüchtlingspolitik. Sie sagt nach dem 24. September eine starke AfD-Bundestagsfraktion voraus.
Erst am Freitag schrieb Lengsfeld in ihrem Blog: "Die AfD ist eine junge Partei und wird sich ganz schnell sortieren und von Radikalen trennen müssen, wenn sie keine Eintagsfliege bleiben will." Die gesellschaftliche Mitte in Deutschland stehe weit offen wie ein Scheunentor. Aber: "Am rechtsextremistischen Rand der Gesellschaft kann die AfD nur verlieren."
Aber warum begibt sich Lengsfeld dann auf eine Bühne, die ihr Rechtsradikale bauen? Als Veranstalter und Einladende in Pirna verantwortlich zeichnen neun Unternehmer - vom Geschäftsführer eines Elektroanlagenbetriebs über einen Steinmetz bis hin zum Immobilienservice, Omnibushandel, Kfz-Meisterbetrieb, Tischler, Schlosser, Steuerberater und Sanitärfirma. Mindestens ein Teil der neun ist nach Recherchen des Tagesspiegels auch aktiv im Bündnis "Pro Patria Pirna" (PPP), nach Selbstdarstellung eine "aktivistische Bürgerbewegung aus der Mitte der Gesellschaft".
Ableger der "Ein-Prozent-Bewegung" von Kubitschek und Elsässer
"Pro Patria Pirna" ist der örtliche Ableger der rechtsradikalen "Ein-Prozent-Bewegung", die von dem Publizisten Götz Kubitschek aus Schnellroda in Sachsen-Anhalt gegründet wurde. Ebenfalls zu den Gründern der Ein-Prozent-Bewegung gehört laut Recherchen des MDR Jürgen Elsässer, Chefredakteur des rechten Magazins "Compact". Er unterstützt, ähnlich wie Kubitschek, die AfD und Pegida. "PPP – das sind im Kern acht mittelständische Unternehmer, die sich aktiv für Heimat und Kultur einsetzen", heißt es auf der Homepage von "Ein Prozent". Acht Unternehmer, den Dialog Petry-Lengsfeld haben neun organisiert.
Wer namentlich hinter "Pro Patria Pirna" steht, ist nicht bekannt. Die Truppe hat in Pirna schon mehrfach mit spektakulären Aktionen auf sich aufmerksam gemacht. Als "bürgerliche Widerstandsgruppe" hängte sie Transparente wie "Widerstand leisten", "Gegen den Strom" oder "Freiheit" an Kreuzungen, Bahnunterführungen und Hausfassaden. Der sächsische Verfassungsschutz beobachtet die "Ein-Prozent-Bewegung" bisher nicht, obwohl sie ihren Hauptsitz im Kurort Oybin im Zittauer Gebirge hat. In der Behörde ist die Rede von "Grauzonen zwischen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus".
Die Zeitung "Die Welt" berichtete im Dezember über die rechtsextreme Identitäre Bewegung - und beschrieb auch die Querverbindungen zur "Ein-Prozent-Bewegung". Sie zitierte den sachsen-anhaltischen Landesverfassungsschutzchef Jochen Hollmann mit den Worten, "Ein Prozent" nehme für die Identitäre Bewegung eine zunehmend wichtigere Rolle ein. "Diese Initiative will finanzielles, juristisches, publizistisches und emotionales Auffangbecken für Aktivisten der Bewegung sein", sagte Hollmann.
Verfassungsschutz lässt Beobachtung offen
Am Freitag sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Magdeburg auf die Frage, ob die "Ein-Prozent-Bewegung" inzwischen vom Verfassungsschutz beantwortet wird: "Die 'Ein-Prozent-Bewegung' ist der Verfassungsschutzbehörde des Landes Sachsen-Anhalt bekannt. Ob die Voraussetzungen für eine Sammlung und Auswertung von Informationen zu der Bewegung gegeben sind, kann anhand der derzeit vorliegenden Informationen noch nicht abschließend beurteilt werden."
Im März berichtete die rechte Publikation "Sachsen Depesche" ausführlich über die Aktionen von "Pro Patria Pirna", beschrieb deren politische Nähe zu AfD und Pegida. Die dort zusammengeschlossenen Unternehmer und Angestellten sorgten sich "um den Erhalt der gelebten Lebenskultur", hieß es. Offenbar "aus Furcht vor persönlichen Nachteilen" seien sie "vorerst um Anonymität bemüht".
Das DJV-Magazin "Journalist" schrieb unter Berufung auf den sächsischen Verfassungsschutz-Sprecher Martin Döring in seiner neuen Ausgabe, die "Sachsen-Depesche" selbst werde nicht als rechtsextremistische Publikation geführt. Gleichwohl seien einzelne Personen, die die "Sachsen-Depesche" publizistisch nutzen oder genutzt haben, "Teil eines Beobachtungsobjekts des sächsischen Verfassungsschutzes".
Petry kämpft in der Region um das Direktmandat
Petry bewirbt sich im Landkreis Sächsische Schweiz/Osterzgebirge, zu dem Pirna gehört, um ein Direktmandat für den Bundestag - sie kämpft dort gegen den CDU-Politiker Klaus Brähmig, der das Direktmandat in Serie gewonnen hat. Für die AfD ist entscheidend, dass die Veranstaltung möglich wird - zumal Ende August der AfD-Kreisverband keinen Raum für eine Veranstaltung mit der Parteivorsitzenden in Pirna bekam. Was die Macher der Veranstaltung "privat treiben", sei nicht bekannt, heißt es aus der Partei.
Vera Lengsfeld begründete in ihrem Blog ihre Teilnahme an der Veranstaltung damit, dass sie der "undemokratische Umgang mit der AfD stört". Sie schrieb weiter: "Keiner der Unternehmer ist rechtsradikal, es gibt keine Verbindungen zwischen der ,Ein-Prozent-Bewegung' und der Veranstaltung." Dies hätten ihr die Unternehmer versichert.
Veranstalter: Wir sind nicht rechtsextrem
Die Veranstalter um den Unternehmer Daniel Heimann erklärten, es handele sich nicht um eine AfD-Wahlkampfveranstaltung. "Die Veranstaltung wird von uns rein privat organisiert, durchgeführt und bezahlt", die Gruppe "Pro Patria Pirna" oder der Verein "Ein Prozent" habe nichts damit zu tun. Keine der an der Organisation beteiligten Personen sei rechtsextrem. "Diese Anschuldigung ist eine Ungeheuerlichkeit."