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EU und Deutschland konnten sich bisher nicht zu schmerzhaften Sanktionen gegen Wladimir Putin durchringen.
© Sputnik/Alexei Druzhinin/Kremlin via REUTERS

EU berät über Sanktionen wegen Nawalny-Vergiftung: Wie Deutschland fast seine Russlandpolitik geändert hätte

Nie trat die Bundesregierung schärfer gegen den Kreml auf als nach dem Giftanschlag auf Alexej Nawalny. Ein Wendepunkt in der Beziehungen? Wohl nicht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Claudia von Salzen

An diesem Montag will Deutschland mit den anderen EU-Staaten über eine gemeinsame Antwort auf die Vergiftung des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny beraten. Die Bundesregierung hat sich zuvor Rückendeckung aus Frankreich geholt, um den Eindruck zu vermeiden, es handele sich dabei nur um ein Problem zwischen Deutschland und Russland.

Berlin und Paris schlagen nun gemeinsam Sanktionen gegen Personen vor, die für den Giftanschlag auf Nawalny verantwortlich gemacht werden können. Eines ist allerdings bereits jetzt klar: Zu einem Wendepunkt im deutschen Verhältnis zu Russland ist auch der Fall Nawalny nicht geworden.

Danach hatte es noch vor wenigen Wochen ausgesehen. Nie zuvor hat die Bundeskanzlerin eine so deutliche Botschaft Richtung Moskau gesendet wie nach dem Anschlag auf Nawalny. Dieses Thema war Angela Merkel so wichtig, dass sie Anfang September selbst vor die Kameras trat. Später besuchte sie Nawalny in der Berliner Charité, wo er behandelt wurde – auch das ein ungewöhnlicher Schritt, der in Moskau sehr genau registriert worden sein dürfte.

Dabei hätte es in den vergangenen Jahren einige Anlässe gegeben, die Beziehungen zu Moskau grundlegend zu überdenken: von der russischen Unterstützung für den syrischen Kriegsverbrecher Assad über den Krieg in der Ukraine bis zum Hackerangriff auf den Bundestag und einem offenbar vom russischen Staat organisierten Auftragsmord mitten in Berlin.

Nach Moskaus Intervention in der Ukraine verhängte die EU Sanktionen gegen Russland. Merkel setzte durch, dass diese Strafmaßnahmen erst aufgehoben werden können, wenn die Minsker Friedensvereinbarungen für die Ukraine umgesetzt sind. 

Merkels entscheidender Fehler

Doch zugleich machte die Kanzlerin ihren schwersten außenpolitischen Fehler: Nur ein Jahr nach der Annexion der Krim wurden die Verträge für die Pipeline Nord Stream 2 unterzeichnet, und die Bundesregierung wollte darin nicht mehr sehen als ein ganz normales wirtschaftliches Projekt. Einwände aus osteuropäischen Ländern wurden ebenso ignoriert wie die bisherigen Erfahrungen mit Putins Russland.

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Nach dem russischen Hackerangriff auf das Parlament 2015 tat die Bundesregierung lange so, als sei nichts passiert, was das Verhältnis zu Moskau nachhaltig erschüttern könnte. Viel zu zögerlich waren auch die Reaktionen auf den Mord an einem Georgier im Kleinen Tiergarten. Selbst als der Generalbundesanwalt staatliche Stellen in Russland für die Tat verantwortlich machte, verzichtete Merkel auf eine deutliche Antwort. Die Bundesregierung will das Urteil abwarten und spielt auf Zeit.

Trotz der klaren Worte der Kanzlerin im Fall Nawalny deutet also auch jetzt nichts darauf hin, dass die Bundesregierung ihre Russlandpolitik grundlegend ändern wird. Merkel und Außenminister Heiko Maas haben zu keinem Zeitpunkt ernsthaft in Erwägung gezogen, Nord Stream 2 zu stoppen.

Seit 2014 wird die Sanktionsliste verlängert

Der neue Vorschlag aus Berlin und Paris, eine geringe Zahl von Personen mit Sanktionen zu belegen, geht nicht weit genug. Seit 2014 macht die EU nichts anderes, als der Sanktionsliste weitere Namen hinzuzufügen. Nach der russischen Cyberattacke auf den Bundestag wird wohl bald ein junger Mann, der daran beteiligt war, nicht mehr in die EU reisen dürfen. Das hat für diejenigen in Moskau, die solche Angriffe in Auftrag geben, keine abschreckende Wirkung.

Nötig wäre dagegen ein substanzieller Wandel der Sanktionspolitik: Die EU müsste gezielt die Vermögen von Personen aus der kleinen Machtelite um Putin einfrieren und Einreiseverbote verhängen. 

Denn das System Putin funktioniert seit Jahren so, dass sich eine kleine Gruppe, die dem Präsidenten die Macht sichert, in kaum vorstellbarem Ausmaß bereichert. Ihr Vermögen bringen sie gern in westlichen Ländern in Sicherheit. Doch einen solchen Schritt will die Bundesregierung in ihrer Russlandpolitik noch immer nicht gehen. Den deutlichen Worten der Kanzlerin werden wohl keine Taten folgen.

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