Russische Söldner ersetzen westliche Truppen: Wie der Westen in Mali scheitert
Der Westen zieht sich aus dem westafrikanischen Mali zurück – jetzt fliegen dafür russische Söldner ein.
Die ersten von ihnen sind da. Die Söldner der Wagner-Söldnertruppe trafen mit einer russischen Linienmaschine aus Libyen ein, wo sie bisher operierten. Einige sind schon in der Wüstenstadt Timbuktu stationiert, bestätigte Malis Armee-Sprecher in der vergangenen Woche. Zuvor hatte die Regierung des westafrikanischen Staates ihre Anwesenheit beharrlich dementiert.
Die russische Söldner-Truppe ist berüchtigt, wo immer sie auftaucht, sorgt sie für Schrecken. Im ukrainischen Donbass, in Syrien, immer öfter auch in Afrika: in Mosambik, im Sudan, der Zentralafrikanischen Republik und jetzt auch in Mali. Schon vor ihrer Ankunft in dem von Unruhen heimgesuchten Staat haben die Legionäre für Aufregung gesorgt.
Frankreichs Verteidigungsministerin Florence Parly warf Malis Militärregime vor, mit der Einladung der Söldnertruppe „im Blut französischer Soldaten“ zu waten. Malis Premierminister Choguel Maïga konterte, Frankreich wolle seine ehemalige Kolonie wie kürzlich die USA Afghanistan im Stich lassen – hilflos dem Wüten islamistischer Extremisten ausgeliefert.
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Die hatten das Land vor zehn Jahren bereits zur Hälfte besetzt. Indessen sucht Oberst Assimi Goïta seine durch einen Putsch erkämpfte Macht gegen den Willen des westafrikanischen Staatenbundes Ecowas auf fünf Jahre auszudehnen. Die Organisation hat am Wochenende mit außergewöhnlich harten Sanktionsmaßnahmen auf die Weigerung des Militärregimes reagiert, noch in diesem Jahr Wahlen abzuhalten.
Die Grenzen und Flugverbindungen wurden außer für lebenswichtige Güter und Medikamente geschlossen, die diplomatischen Beziehungen auf Eis gelegt. Außerdem soll Malis Zugriff zu den Finanzmärkten der Region gestoppt werden. Mitten in dem Schlamassel sitzen fast eintausend Bundeswehrsoldaten: Ob sie wissen, was sich um sie herum zusammenbraut?
Unfähig gegen die Dschihadisten
Ausgelöst wurde die jüngste Krise dieses „failed State“ durch den Militärputsch im August 2020 und die spätere Ankündigung der französischen Regierung, ihre Truppenpräsenz in der Sahelzone von mehr als 5000 Soldaten auf fast die Hälfte zu verringern. Der Coup und der französische Teilabzug hatten einen gemeinsamen Hintergrund: die im Jahr 2013 gewählten Regierung Ibrahim Boubacar Keïtas sowie der französischen Schutztruppe und den 11 000 Blauhelmen der UN-Mission Minusma erwiesen sich als unfähig, dem Ansturm der Dschihadisten in dem gut 20 Millionen Einwohner zählenden Staat stand zu halten.
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Sie konnten die Extremisten 2013 aus dem Norden Malis vertreiben, deren Umtriebe jedoch nie stoppen. Im Gegenteil: die Dschihadisten konnten ihren Wirkungsbereich auch auf die Nachbarstaaten Burkina-Faso und den Niger ausweiten. Mit jedem Jahr stieg die Zahl der Terror-Anschläge an, zuletzt sogar besonders stark. „Ich glaube nicht, dass wir das Problem in den nächsten zehn oder 15 Jahren in den Griff bekommen“, gab Frankreichs Generalstabschef François Lecointre kleinlaut zu. „Falls überhaupt“, fügte er hinzu.
Die verschiedenen Extremistengruppen hatten sich teils mit dem „Islamischen Staat, andere mit Al -Qaida im Maghreb verbündet. Nach der überraschend schnellen Vertreibung aus ihrem Kalifat in Malis Norden gelang es ihnen, aus ihren Verstecken in der Sahara und den Weiten der Sahelzone zurückzuschlagen. Frankreich verlor 52 Soldaten, der Minusma-Einsatz entwickelte sich mit mehr als 200 Toten (darunter auch zwei Bundeswehrsoldaten) zur tödlichsten Mission der UN. die malischen Streitkräfte sollen weit über 800 Uniformierte verloren haben.
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Immer lauter wurden die Klagen der malischen Bevölkerung über die französische Schutzmacht, die sie einst begeistert willkommen hieß. Sie werfen den Franzosen nicht nur Versagen vor, sondern sogar die Unterstützung der Dschihadisten. Ihre Präsenz, so der Vorwurf, soll den Islamisten immer neue Rekruten in die Hände getrieben haben, ihre Luftschläge hätten immer wieder die Falschen getroffen. Schon vor zwei Jahren kam es zu Massenprotesten in der Hauptstadt Bamako, die außer der glücklosen Regierung Keïtas auch der ehemaligen Kolonialmacht galten. Der Aufstand wurde von einem ersten Coup des Obristen Goïta beendet.
Mit der Geduld am Ende
Das Problem war damit aber nicht gelöst. Auch Goïtas Mannen ziehen im Kampf gegen die Extremisten ständig den kürzeren und lassen ihren Frust an der Bevölkerung aus. Ihr Training durch europäische Soldaten – darunter auch der Bundeswehr – machte sie offensichtlich weder zu erfolgreicheren Kämpfern, noch zu überzeugteren Bürgern. Ihre Bilanz: ein Massaker nach dem anderen, gleich zwei Coups innerhalb eines Jahres.
Irgendwann war Emmanuel Macrons Geduld zu Ende. Mitte vergangenen Jahres gab der französische Präsident die Truppenreduzierung der „Barkhane“ genannten Mission bekannt. Andere europäische Staaten sollten das entstandene Loch etwa mit der Task Force „Takuba“ („der Säbel“) füllen. Allerdings: außer Estland und Tschechien zieren sich die meisten Europäer, auch die Bundeswehr. Sie bräuchte für einen derartigen Kampfeinsatz auch ein neues Mandat.
Nun sind die Russen da. Moskau unterhalte zu Mali schon seit dessen Unabhängigkeit 1960 gute Beziehungen. Sowohl Premierminister Maïga wie der Verteidigungsminister haben in der Sowjetunion studiert. Dass die Söldner, die auf 500 Mann aufwachsen und den malischen Staat monatlich zehn Millionen US-Dollar kosten sollen, besser mit den Dschihadisten fertig werden, als die zehnfache Zahl an Fremdenlegionären, glaubt wohl auch Oberst Goïta nicht.
Eher wolle er damit ein zweites Afghanistan, den Totalabzug der Franzosen und deren europäischer Verbündeten verhindern, sagen Kenner des Landes. Der riskante Schuss des Putschistenführers droht allerdings nach hinten loszugehen. Derzeit wird sowohl in Paris wie in Berlin eben jener Totalabzug erwogen.
Johannes Dieterich
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