Statt "Familienbaugeld": Wie der Staat Wohneigentum wirklich fördern könnte
Früher war wohlhabend, wer ein Haus oder eine Wohnung besaß, heute ist es, wer teure Metropolen-Mieten zahlen kann. Braucht es nun Hauseigentum für alle? Ein Kommentar.
Verletzlich ist der Mensch ohne Obdach. Kälte und Regen ist er ausgesetzt, Verachtung, Gewalt. Wenig anderes ängstigt mehr als der Verlust der Wohnung, weshalb diese Sorge Spuren in unserer Sprache hinterließ. Die Wohnung, das Haus ist das eigene Heim, jene Kurzform von Heimat: Wir kehren heim, am Abend, dahin, wo es heimelig ist.
Aber das eigene Heim, das Eigenheim, bleibt hierzulande einer Minderheit vorbehalten. Anders als in Italien und Spanien hat nicht mal die Hälfte der Deutschen Wohneigentum. In der „Mieterstadt“ Berlin liegt die Eigentumsquote sogar noch viel niedriger, bei gut 15 Prozent. Man wohnte lieber zur Miete, statt sich bis über die Halskrause zu verschulden. In das eigene Haus, draußen im Grünen, zog allenfalls, wer eine Familie gründete.
Sorglos mietet, wer die Stadt mit den gut bezahlten Jobs wechselt
Das hat sich geändert: Sorglos mieten kann, wer sich nicht festlegen muss, mit dem Job die Stadt wechselt und, weil gut bezahlt, immer eine Wohnung findet. Für alle anderen ist Wohneigentum der rettende Anker in der Not geworden, Schutz gegen die beängstigend steigenden Mieten und deren Folgen für jene, die sich das nicht mehr leisten können: den erzwungenen Umzug weg aus dem vertrauten Umfeld mit Nachbarn, Café, mit Hausarzt und Eckladen.
Das eigene Heim ist eine Versicherung gegen Armut im Alter – jedenfalls wenn es abbezahlt ist. Der Hauseigentümer hat keine Angst vor Mieterhöhungen, allenfalls Reparaturen können kommen, aber viele wird der Heimwerker selbst erledigen oder Rat und Hilfe holen in der Nachbarschaft, im Netzwerk. Und wegen der Absicherungsfunktion ist es gut, dass Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) unlängst „Familienbaugeld“ ins Gespräch brachte, 8000 Euro bis 20.000 Euro für Familien, gestaffelt nach der Zahl der Kinder, die im Haushalt leben. Wer in Ballungsgebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt lebt, soll den Zuschuss bekommen und mit dieser Hilfe die Schwelle zum Wohneigentum überwinden.
Gut gemeint, aber helfen wird das Familienbaugeld kaum
Gut gemeint ist aber nicht schon gut gemacht. Mehr als ein Placebo ist diese Geldspritze nicht, die – falls sie kommt – wohl auch nur Haushalten verabreicht wird, die auch ohne diesen Zuschuss bauen oder kaufen würden. Hier laboriert jemand an den Symptomen herum, statt das Übel an der Wurzel zu packen.
Wie es anders geht, zeigte jüngst das Pestel-Institut im Auftrag der Gewerkschaften: Der Staat soll über seine KfW-Bank Kredite für Haushalte mit knappem Budget gewähren und die Zinsen dafür bis zur kompletten Rückzahlung aller Schulden festzurren, 30 Jahre, falls nötig. Diese Kredite sollen nur beim Kauf der eigenen Wohnung gewährt werden, wobei deren Größe die Vorgaben von Hartz IV einhält, sodass die Ämter die Zinsen übernehmen können, wenn der Schuldner seinen Job verliert. Sozialer Wohnungsbau 2.0 ist das, nachhaltig zumal.
Wie man den Menschen die Angst nimmt
Gewiss, die Bankenlobby wird es nicht freuen, und auch die Immobilienbranche hat ihre Bedenken. Vielleicht muss auch an so mancher Stellschraube nachgezogen werden. Das Prinzip aber ist bestechend: Die Hilfe nimmt den Menschen die Angst vor dem Verlust ihrer Wohnung, auch wenn Zeitläufte oder Konjunktur sie um ihre Arbeit bringen. Das könnte so manchen vor dem Absturz bewahren, weil er seine Kraft auf das Comeback verwenden kann.
Dass es Anreize oder eine Förderung braucht, damit sich mehr Menschen Wohneigentum leisten können und wollen, steht außer Frage. In den Ballungsgebieten herrscht Wohnungsnot, weil es dort Arbeit gibt, überwiegend aber befristet und selten gut bezahlt. Bessere Chancen bestehen in der Gründerszene, aber dort gehört Scheitern sogar zum guten Ton.
Unsicherheit wird normal in der Arbeitswelt, aber nichts fürchten Banken mehr als Kreditnehmer mit unsicheren Einkünften – und wer kann sich schon ein Eigenheim leisten, ohne sich zu verschulden? Zumal der Immobilienmarkt heiß läuft und sich das Angebot von der Nachfrage abgekoppelt hat. Die Durchschnittspreise von Eigentumswohnungen in Berlin liegen knapp unter 4000 Euro je Quadratmeter. Der drastische Anstieg der Eigentumspreise hat den Vorteil der historisch niedrigen Zinsen nahezu ausgeglichen. Und das Land Berlin erhöhte die Schwelle, hob mehrmals die Grunderwerbsteuer an, die nun zu den höchsten bundesweit zählt.
Verstößt die neue Koalition gegen Berlins Verfassung?
Im Koalitionsvertrag von Rot-Rot-Grün ist von einer besonderen Förderung des Wohneigentums nichts zu lesen. Das ist bitter und widerspricht der Berliner Verfassung. Darin heißt es: „Das Land fördert die Schaffung und Erhaltung von angemessenem Wohnraum, insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen, sowie die Bildung von Wohnungseigentum.“ So, wie die Dinge liegen, wird das Eigenheim für viele bleiben, was es lange Zeit war. Unerreicht und unerreichbar.
Ralf Schönball