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Malediven: "Es ist ein teuflischer Plan im Gange"

Der Präsident der Malediven, Mohamed Nasheed, über den gescheiterten Klimagipfel und die Probleme seines Inselstaates.

Präsident Nasheed, Ihr Land ist durch den Klimawandel in akuter Gefahr, im Meer zu versinken. Trotzdem haben Sie beim Weltklimagipfel in Kopenhagen darum gekämpft, dass die schwache politische „Kopenhagen-Vereinbarung“ im Plenum nicht komplett gescheitert ist. Warum?

Kopenhagen hat nicht die Ergebnisse gebracht, die wir uns gewünscht hätten. Aber mit nichts in der Hand abzureisen, das wäre katastrophal gewesen. Ich habe nur versucht, den Prozess zumindest am Laufen zu halten. Aber wir verlieren den Schwung.

Warum?

Aus meiner Sicht ist ein teuflischer Plan im Gange, die Klimaforschung lächerlich zu machen. Doch die Grundaussagen der Wissenschaft lassen sich nicht wegdiskutieren. Wir müssen dagegen angehen. Die Substanz der wissenschaftlichen Aussagen zur globalen Erwärmung ist von den Fehlern, die im Bericht des Weltklimarates gefunden wurden, nicht betroffen. Da wurde zum Beispiel behauptet, die Gletscher im Himalaya-Gebirge würden nicht schmelzen. Ich habe daraufhin den Premierminister in Nepal angerufen. Und er sagt: „Ich lebe dort. Ich weiß, wie die Gletscher ausgesehen haben, als ich ein Kind war, und ich weiß, wie sie heute aussehen.“ Vermutlich schmelzen die Gletscher nicht so schnell, wie das im IPCC-Report behauptet worden ist, aber dass sie schmelzen, lässt sich doch kaum leugnen.

Wer steckt Ihrer Meinung nach dahinter?

Die USA haben ein sehr etabliertes, institutionalisiertes Lobbysystem. Wir haben das nicht.

Gibt es auf den Malediven keine unterschiedlichen Interessen?

Doch, die gibt es. Aber bei uns gibt es erst seit einem guten Jahr eine Demokratie. Ich bin 2008 in der ersten freien Wahl auf den Malediven gewählt worden, nachdem ich jahrelang für Demokratie und gegen Menschenrechtsverletzungen gekämpft hatte.

Sie haben in Berlin die Internationale Tourismusmesse besucht und um mehr Besucher geworben. Ist das nicht wie eine Einladung an Ihre Gäste, Ihr Land zu zerstören?

Ich muss Ihnen zustimmen. Das ist ein Widerspruch. Die Treibhausgasemissionen durch die Fluggesellschaften sind ein großes Problem. Aber wir wollen bis 2020 zumindest unsere Hotels und unsere Inseln kohlendioxid-neutral machen. Das würde aber immer noch nicht das Problem des Reisens lösen. Wir setzen uns für klimafreundlichere Treibstoffe ein. Aber ich gebe zu, Sie haben recht. Aber wir haben keine Wahl. Wir müssen uns an den Klimawandel anpassen. Und da uns niemand Geld dafür geben will – wie Kopenhagen ja gezeigt hat – müssen wir die Einnahmen nutzen, die wir haben, also aus dem Tourismus. Es ist ein falscher Handel. Aber wir müssen unsere Inseln schützen. Schon jetzt ist das Salzwasser in viele grundwasserführende Schichten eingedrungen. Wir müssen eine alternative Wasserversorgung aufbauen. Wir haben bereits an jeden Haushalt einen Zwei-Tonnen- Container verteilt, damit sie zumindest Trinkwasser haben. Aber eine effiziente Nutzung des Regenwassers braucht größere Investitionen.

Würde Ihnen ein globaler Klimavertrag helfen, die Anpassungsinvestitionen leichter zu schultern?

In der „Kopenhagen-Vereinbarung“ sind Mittel für die Anpassung für die Jahre zwischen 2010 und 2012 versprochen worden. Nur, sie kommen nicht. Wir müssen uns also um uns selbst kümmern. Deshalb haben wir eine neue, geringfügige Steuer auf Tourismuseinnahmen eingeführt. Es sind vier Prozent. Wir wollen mit diesem Geld in die Wasserversorgung und in Schutzmaßnahmen für die Inseln investieren.

Was können Sie da noch tun?

Die Hauptstadt Male ist mit einer Betonmauer geschützt worden. Aber das ist einfach viel zu teuer. Was wir tun können und müssen, ist, in den Schutz der Korallenriffe zu investieren. Riffe können beim Wachsen unterstützt werden. Die haben uns 2005 auch vor den schlimmsten Auswirkungen des Tsunamis geschützt. Aber das wird mit fortschreitendem Klimawandel auch immer schwieriger, weil die Meere immer mehr versauern, je höher der Kohlendioxid-Anteil in der Atmosphäre ist.

Was würden Sie sich von der Welt wünschen?

Ich appelliere an die Menschen, nicht so dumm zu sein. Der Lebensstandard der Menschen im Westen ist sehr angenehm. Aber es muss doch klar sein, dass Sie keinen Vertrag mit der Mutter Erde abschließen können. Ich möchte, dass China entsprechend seiner Bedeutung Führungsstärke in der internationalen Klimadiskussion zeigt. Ich wünsche mir, dass China mit der internationalen Gemeinschaft konstruktiv an einem globalen Klimavertrag arbeitet.

Das Interview führte Dagmar Dehmer.

Mohamed Nasheed (42) ist seit Oktober 2008 Präsident der Malediven. Er saß jahrelang in Haft. Nasheed beendete die 30-jährige Herrschaft des Diktators Maumoon Abdul Gayoom.

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