Streit um Wahlempfehlung für SPD-Kandidaten: Wie der Fall Maaßen die Union im Wahlkampffinale spaltet
Karin Prien, Mitglied von Laschets Zukunftsteam, ruft indirekt zur Nicht-Wahl von Hans-Georg Maaßen auf. Der keilt zurück. Ein Vorbote auf die CDU-Grabenkämpfe?
Ein Mitglied des Zukunftsteams antwortet auf die Frage, was er dazu sage: „Gar nichts.“ Die Forderung, Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet müsse Karin Prien aus dem Zukunftsteam entfernen, will der CDU-Politiker auf keinen Fall kommentieren. Dass jetzt auch noch ein Konflikt zwischen einer Laschet-Hoffnungsträgerin und dem CDU-Kandidaten in Südthüringen, dem früheren Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen entbrannt ist, hat gerade noch gefehlt. Die Personalie Maaßen hatte von Anfang an wie ein weiterer Schatten über der Kanzlerkandidatur gelegen, weil sie die Union spaltet.
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Doch der Reihe nach. Vor einer Woche hatte Laschet sein achtköpfiges Zukunftsteam präsentiert, es sollte den Beginn einer Trendwende markieren. Der prominenteste Kopf ist Friedrich Merz, der im Falle einer Kanzlerschaft Laschets Wirtschaftsminister werden könnte. Eine der Frauen ist die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien. Sie gehört dem liberalen Flügel an. Doch statt inhaltlich zu punkten, macht sie Schlagzeilen anderer Art.
Prien war am Dienstagabend in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ zu Gast. Dort sagte sie auf die Frage, wie sie es finde, dass der frühere Verfassungsschutzpräsident Maaßen in Südthüringen von der CDU aufgestellt worden ist: „Das muss ich hinnehmen, auch wenn ich davon natürlich überhaupt nicht begeistert bin und mich frage, was Herr Maaßen eigentlich in der CDU sucht.“
Auf die Anschlussfrage, ob sie Maaßen wählen würde, wenn sie in dessen Wahlkreis leben würde, sagte Prien: „Ich sag mal so, ich bin von Leistungssportlern immer wieder fasziniert.“ Das war ein indirekter Aufruf, lieber den SPD-Kandidaten im Bundestagswahlkreis 196 Suhl- Schmalkalden-Meiningen-Hildburghausen-Sonneberg zu wählen. Maaßen tritt dort gegen den früheren Biathlon-Olympiasieger Frank Ullrich (SPD) an. Laut neuer Wahlkreisprognosen hat Frank Ullrich gute Chancen, sich gegen Maaßen durchzusetzen.
Maaßen forderte nun in der „Bild“-Zeitung, Laschet müsse Prien „unverzüglich aus dem Kompetenzteam abberufen“, da sie zur fortlaufenden Belastung für alle Kandidaten werden könnte. Auf Tagesspiegel-Anfrage legte Maaßen nun nach. Was Prien gesagt habe, sei „eine dumme Äußerung, gerade jetzt in der Phase, in der die Union auf 18 Prozent runtergeht. So etwas rauszulassen ist einfach dumm. Wie kann man so eine Frau, die überhaupt kein politisches Gespür hat, in ein Kompetenzteam aufnehmen?“ Auch andere CDU-Politiker vom konservativen Flügel kritisierten Prien für ihre Wahlkampfhilfe für die SPD teils scharf.
Nach dem 26. September können die Konflikte offen ausbrechen
Der innerparteiliche Konflikt wirft auch ein Schlaglicht auf den Zustand der Partei. Wenn die Union die Bundestagswahl verliert, könnten diese Konflikte offen ausbrechen, nicht nur zwischen CDU und CSU wegen der Laschet-Kandidatur gegen Markus Söder, sondern gerade auch in der CDU.
Gerade in Thüringen und Sachsen-Anhalt wackelte die „Brandmauer“, also der Ausschluss jeglicher Zusammenarbeit der CDU mit der AfD, immer wieder. Dort wird der Modernisierungskurs von Kanzlerin Angela Merkel besonders kritisch gesehen.
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Auch Scholz setzt sich für den SPD-Kandidaten mit goldener Vita ein
Die SPD-Spitze hat den Einsatz dort zuletzt intensiviert, um einen Einzug Maaßens in den Bundestag zu verhindern. Generalsekretär Lars Klingbeil überreichte Ullrich ein rotes T-Shirt mit dem Slogan „Gold statt Braun“. Vor wenigen Tagen besuchte auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz die Region, mit dem früheren Biathlon-Star Ullrich besuchte er unter anderem das Schießsportzentrum in Oberhof.
Laschet hatte sich stets zurückgehalten mit Kritik an Maaßen. Seine Vertraute, die nordrhein-westfälische Staatssekretärin für Integration, Serap Güler hatte die Aufstellung des gar nicht in Südthüringen beheimateten Maaßen Anfang Mai dagegen scharf kritisiert: „An die 37 Parteikollegen in Südthüringen: Ihr habt echt den Knall nicht gehört! Wie kann man so irre sein und die christdemokratischen Werte mal eben über Bord schmeißen? Wer so große Angst vor der AfD hat, hat so vieles längst aufgegeben.“
Maaßen distanziert sich von der AfD
Maaßen ist mit dem Versprechen angetreten, gerade auch AfD-Wähler zurückzugewinnen. Nachdem der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU) gesagt hatte, ein Teil der ostdeutschen Wähler habe der Demokratie den Rücken gekehrt habe und ein Teil der AfD-Wähler sei dauerhaft für die Demokratie verloren, hatte er gegenüber der „Welt“ betont, dem sei nicht so. Viele Bürger hätten aber ein „feines Sensorium“, was politische Veränderungen angeht und sie wollten sich nicht bevormunden lassen, wie sie zu sprechen, zu leben und zu essen haben. „Das ist ein Anspruch, dass die Politik das tut, was die Menschen möchten, und nicht umgekehrt.“
Im Wahlkampf bestreitet Maaßen nicht eine punktuelle Nähe zur AfD. „Ich weiß, einige liebäugeln mit der AfD und zugegeben, sie spricht manches drängende Problem an“, schreibt er im Kandidatenbrief an die Wählerinnen und Wähler. Er betont allerdings, die AfD könne die Probleme nicht lösen. „Denn sie ist Oppositionspartei und wird es wohl auch nach der Wahl aufgrund ihrer Isolation bleiben.“ Eine Stimme für die AfD sei „letztlich eine verlorene Stimme für Südthüringen und wird im Zweifel nur den linken Parteien helfen“.
Maaßen wirft ARD und ZDF "Propaganda und Agitation" vor
Maaßen ist unter anderem wegen seiner Haltung zur Flüchtlingspolitik der Bundesregierung umstritten. Auch Verfassungsschützer sehen bei ihm problematische Diskursverschiebungen. Politiker von SPD, Grünen und Linken werfen ihm vor, AfD-nahe Positionen zu vertreten.
Maaßen greift auch immer wieder den öffentlich-rechtlichen Rundfunk an. So sagte er zuletzt, es sei unbestritten, dass der überwiegende Teil der dort arbeitenden Journalisten „links und grün ist“. Diese würden nicht mehr dem Auftrag nachkommen, ausgewogen zu berichten, sondern Propaganda verbreiten und agitieren. Das sei auch ein großes Problem bei Wahlen, da viele Menschen weiterhin Tagesthemen, Tagesschau und heute-Nachrichten vertrauen würden. „Und es immer noch nicht begriffen haben, dass das weniger Berichterstattung als Propaganda ist“. SPD-Generalsekretär Klingbeil wirft Laschet mit Blick auf Maaßen immer wieder vor, nicht den Willen oder die Autorität zu haben, sich einem „Rechtsruck“ entgegenzustellen.
Nachdem Umfragen einen Abstand von zwei bis zu sechs Prozentpunkten zwischen SPD und Union sehen, kommen entscheidende Tage au Laschet zu: An diesem Freitag will er einen inhaltlichen Aufschlag machen und eine „Agenda für ein sicheres Deutschland" vorstellen, mit Spannung wird danach sein Auftritt beim CSU-Parteitag erwartet, wird es weitere Spitzen von CSU-Chef Markus Söder geben, den seine Partei als „Kandidat der Herzen“ anpreist?
Am Sonntag folgt dann das zweite TV-Triell gegen SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz und Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. Am Montag will Laschet in der CDU-Zentrale sein Sofort-Programm als Kanzler vorstellen. Aber ohne rasche Trendwende könnte die Geschichte am Ende sogar so ausgehen, dass weder Laschet noch Maaßen dem nächsten Bundestag angehören werden – und die Flügelkämpfe dann erst richtig losgehen.