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Turbulente Zeiten für den Euro.
© dpa

Anleihenkauf der EZB: Wie der Bundesetat vom Mammutprogramm des Mario Draghi profitieren wird

Die EZB wird massenhaft Staatsanleihen kaufen. Dafür kassiert sie Zinsen. Davon landet ein Viertel via Bundesbank im Bundeshaushalt. Der Finanzminister kann mit Mehreinnahmen in Milliardenhöhe rechnen.

Die Europäische Zentralbank mit Mario Draghi an der Spitze will über den Aufkauf von Staatsanleihen bis September 2016 etwa eine Billion Euro frisches Geld in die Märkte pumpen, um damit ein Abrutschen der Euro-Zone in die Deflation zu verhindern, die Konjunktur zu beleben und die Inflation nach oben zu treiben. Die Bundesregierung und die Bundesbank stehen dem von der EZB beschlossenen Aufkauf von Staatsanleihen distanziert gegenüber. Doch dürfte Draghis umstrittenes Vorhaben dem Bundesetat Einnahmen in Milliardenhöhe bescheren. Denn durch die Zinszahlungen der Euro-Staaten, deren Anleihen die EZB und die nationalen Notenbanken kaufen, wächst der Gewinn der EZB. Und dieser Gewinn wird, nach Abzug von Kosten und zusätzlichen Risikorückstellungen, an die Euro-Staaten über deren Notenbanken ausgeschüttet. Insider rechnen damit, dass die EZB einen nennenswerten Gewinn machen wird. Daher ist davon auszugehen, dass auch der Bundesbankgewinn in den kommenden Jahren steigen wird. Dieser kommt stets dem Bundeshaushalt zugute. Wie viel es konkret sein könnte, ist vorerst allerdings unklar - die Details des Programms sind noch unbekannt.

 Günstige Konstruktion

Die Konstruktion des Anleihenkaufprogramms ist, auch wenn es in Deutschland recht kritisch aufgenommen wurde, relativ günstig für die Bundesrepublik. Denn einerseits fallen nur 20 Prozent der Anleihekäufe unter die gemeinsame Risikoteilung der Euro-Staaten, ansonsten aber haften allein die nationalen Zentralbanken. Jede Notenbank darf nur Anleihen ihres Staates kaufen. Die Bundesbank kauft also ausschließlich Anleihen des Bundes, die Banque de France französische Papiere, die Banca Italia nur italienische. Je höher die Schulden- und Zinslast, umso größer ist das potenzielle Risiko – bei Bundesanleihen ist das Ausfallrisiko im Euro-Raum am geringsten, es ist praktisch gleich null. Entsprechend gering wird die Risikovorsorge der Bundesbank ausfallen.  Die Ausschüttungen der Zinsgewinne müssen dagegen, so die EZB-Vorschrift, exakt nach dem Anteil am Kapital der Zentralbank erfolgen, sie dürfen sich also nicht an den Zinsen der jeweiligen Staaten orientieren. Da die deutschen Zinsen mit die niedrigsten im Euro-Raum sind, die der Süd-Staaten dagegen deutlich höher, fließt der Bundesbank und damit indirekt dem Bundesetat auch ein Teil dieser höheren Zinsgewinne aus französischen oder spanischen Anleihen zu. Deutschland profitiert so gesehen überproportional

 Berlin ist mit gut 25 Prozent beteiligt

Die Bundesrepublik ist aktuell mit 25,7 Prozent am EZB-Kapital beteiligt, bekommt also gut ein Viertel des Zinsgewinns. EZB und Notenbanken dürfen Staatsanleihen mit Restlaufzeiten zwischen zwei und dreißig Jahren kaufen. Konkrete Planungen gibt es noch nicht, doch dürften damit sowohl Papiere in das Programm kommen, die deutlich vor der Finanzkrise ausgegeben wurden (und daher einen höheren Zinskupon haben) als auch jüngere Anleihen mit niedrigem Zins. Die Finanzagentur des Bundes emittierte am vergangenen Mittwoch erstmals sogar eine fünfjährige Anleihe ohne jede Zinszahlung. Geht man von einem durchschnittlichen Zins über alle Laufzeiten und Staaten von drei Prozent aus, dann würden der EZB Zinseinnahmen in Höhe von etwa 30 Milliarden Euro zufließen, wenn tatsächlich eine Billion Euro neues Geld eingesetzt wird. Rein rechnerisch entfielen davon also etwa 7,5 Milliarden Euro auf Deutschland, abzüglich der Kosten und Rückstellungen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble kann also über den Bundesbankgewinn 2016 und 2017 jeweils mit zusätzlichen Milliarden rechnen.

Das Volumen der Staatsanleihenkäufe orientiert sich ebenfalls an den Kapitalanteilen. Ein Viertel entfällt also auf Bundesanleihen. Es werden damit, angesichts des vom EZB-Rat für Staatsanleihenkäufe gesetzten Rahmens von etwa 50 Milliarden Euro im Monat, von März an bis zum September 2016 Bundesanleihen im Wert von bis zu 240 Milliarden Euro auf dem Sekundärmarkt, also meist von Banken, gekauft. Die Bundesschuld (also ohne Länder und Kommunen) liegt derzeit bei etwa 1,2 Billionen Euro. Bei Bundesbank und EZB würden damit etwa 20 Prozent der Schulden des Bundes landen, sie wären damit zusammen wohl der größte Gläubiger Deutschlands. Bisher sind das, obwohl es dafür keine offizielle Bestätigung gibt, die Schweizer Nationalbank und die chinesische Zentralbank. Notenbanken waren 2013 die mit Abstand größten Nettokäufer von Bundesanleihen. Für 2014 liegen noch keine Zahlen vor.

  Experten erwarten Wirkung erst ab 2018

Konjunkturell wird sich das neue EZB-Programm, wenn überhaupt, erst mit Verzögerung auswirken. Die von der EZB befragten Experten rechnen damit, dass sich die Phase schwachen Wachstums und damit auch niedriger Inflation bis mindestens 2018 hinziehen wird. Erst für 2019 rechnen sie mit einer wieder höheren Teuerungsrate von 1,8 Prozent, die der Zielmarke der EZB von knapp zwei Prozent nahe kommt. Draghi will mit dem Anleihekauf die Inflationsrate, die derzeit im Euro-Raum sogar unter Null liegt, nach oben treiben. Die befragten Experten lagen zuletzt mit ihren Prognosen stets zu hoch. Für 2016 hatten sie noch im Oktober mit einem Preisplus von 1,4 Prozent gerechnet, nun erwarten sie nur noch 1,1 Prozent. Für 2015 sagen sie nun nur noch 0,3 Prozent voraus, vor vier Monaten waren es noch 1,0 Prozent. Die Umfrage wurde bereits in der vorigen Woche durchgeführt, das Ergebnis dürfte Draghi in seinem Entschluss bestärkt haben, ein massives Kaufprogramm aufzulegen.

 Weidmann kritisiert Entscheidung

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann kritisierte am Freitag das EZB-Programm. “Der Ankauf von Staatsanleihen ist in der Währungsunion kein Instrument wie jedes andere. Es birgt Risiken“, sagte er der “Bild“-Zeitung. Die Notenbanken im EZB-System würden damit zu den größten Gläubigern der Euro-Staaten. „Das birgt das Risiko, dass solides Haushalten vernachlässigt wird. Und es könnte der politische Druck auf uns steigen, die Zinslast der Finanzminister dauerhaft niedrig zu halten.“ Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte bei einem Treffen mit dem italienischen Premier Matteo Renzi in Florenz, keine Zentralbank werde die Politik ersetzen können, „sondern die Politik muss ihre Verantwortung selber wahrnehmen“. Das zielte vor allem auf die Regierungen in Paris, Rom, Madrid und Athen, von denen die Bundesregierung stärkere Anstrengungen bei der Reform der Arbeitsmärkte und  der Belebung der Wirtschaft erwartet. Es sei wichtig, dass die EU-Mitglieder ihren Reformkurs fortsetzten, sagte Merkel, die Italien für „ein unglaublich ambitioniertes Reformprogramm“ lobte. Renzi sagte, die EZB-Entscheidung „erlegt uns sogar mit noch größerer Dringlichkeit auf, unsere Reformen fortzuführen. Renzi hatte im Gegensatz zu Merkel und Weidmann die von Draghi verkündete Entscheidung ausdrücklich gutgeheißen.

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