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Der 55-jährige James Comey war viele Jahre Mitglied der Republikaner.
© dpa
Update

US-Präsidentschaftswahl: Wie das FBI Wahlkampf macht

FBI-Chef Comey hat elf Tage vor dem Wahltag eine Erklärung über Clintons E-Mails veröffentlich. Damit hat er gegen eine Regel des US-Justizministeriums verstoßen.

„Entschieden unpolitisch“ sei die US- Bundespolizei FBI, betont deren Direktor James Comey. Doch das Verhalten des FBI-Chefs in der Endphase des Präsidentschaftwahlkampfs spricht eine andere Sprache. Zweimal innerhalb einer Woche haben das ehemalige, langjährige republikanische Parteimitglied Comey und seine Behörde mit Äußerungen und Veröffentlichungen direkt in den Wahlkampf eingegriffen – beide Maile zugunsten des republikanischen Kandidaten Donald Trump.

Seit Comey am vergangenen Freitag neue Ermittlungen in Clintons Mail-Affäre ankündigte, kann Trump in den Umfragen deutlich aufholen. Im Schnitt der wichtigsten Erhebungen beträgt der Vorsprung der früheren Außenministerin weniger als eine Woche vor der Wahl am 8.November nur noch etwa zwei Prozentpunkte und liegt damit innerhalb der Fehlermargen der meisten Befragungen.

Wahlkampfhelfer: Bill Clinton neben seiner Frau Hillary
Wahlkampfhelfer: Bill Clinton neben seiner Frau Hillary
© Reuters/Carlos Barria

Viele Beobachter erwarten weiter einen Sieg Clintons, weil die demokratische Kandidaten in vielen potenziell wahlentscheidenden Bundesstaaten deutlich vor Trump liegt. Doch die Zweifel an Clinton nehmen zu. Im Staat North Carolina, der als einer der wichtigsten im Kampf um das Weiße Haus gilt, hat Trump die Ex-Außenministerin in den vergangenen Tagen in den Umfragen überholt. Zwar gibt es auch andere Gründe für Trumps Aufwind: mehr konservative Bürger wollen wählen gehen, während viele Afro-Amerikaner, die mehrheitlich zu Clinton tendieren, zu Hause bleiben wollen. Doch Comeys Einmischung spielt eine wichtige Rolle.

Am Dienstag legte das FBI nach und veröffentlichte Akten einer Untersuchung gegen Clintons Ehemann Bill, der als Präsident den umstrittenen Geschäftsmann Marc Rich begnadigt hatte. In einem Wahlkampf, in dem es um den Charakter und die Vertrauenswürdigkeit der Kandidaten gehe, würden erneut Zweifel an den Clintons gestreut, kommentierte der Nachrichtensender CNN.

Einer Regel des US-Justizministeriums zufolge wird weniger als 60 Tage vor einer US-Wahl keine Mitteilung über Ermittlungen mehr veröffentlicht, die einem der Kandidaten schaden könnte – Comey legte seine Erklärung über Clintons Mails elf Tage vor dem Wahltag vor. Nicht nur Clintons Demokraten sind entrüstet. Alberto Gonzales, Justizminister unter dem Republikaner George Bush, sagte, Comey habe sich mit den Kommentaren zu Clintons Mail-Affäre so kurz vor der Wahl eine „Fehleinschätzung“ geleistet.

In Fällen, die für Trump ungünstig sind, ist Comey wesentlich zurückhaltender als bei Clinton. So verweigerte er Berichten zufolge seine Zustimmung zu einer Erklärung der US-Geheimdienste über vermutete Versuche Russlands, den Wahlkampf über das Anzapfen von Mail-Konten des Clinton-Lagers zu beeinflussen: Trump hatte Russland öffentlich aufgefordert, verschwundene Mails von Clinton zu beschaffen. Bisher hat das FBI nicht auf Forderungen reagiert, Erkenntnisse über Verbindungen zwischen Trumps Team und Moskau zu veröffentlichen. Allerdings sind Berichte über angebliche FBI-Ermittlungen gegen Trumps Ex-Wahlkampfmanager Paul Manafort wegen dessen Geschäftsverbindungen in Russland und der Ukraine in Medien aufgetaucht. Manche Beobachter vermuten, dass dies ein Zeichen für die Spannungen zwischen Clinton- und Trump-Anhängern innerhalb der Behörde ist. „Es herrscht völliges Chaos“, sagte Matt Miller, ehemaliger Sprecher des US-Justizministeriums und Clinton-Unterstützer, dem Internetportal „The Hill“.

Der frühere Anwalt und Staatsanwalt Comey, 55, hatte 2013 seine zehnjährige Amtszeit als FBI-Chef begonnen. In seiner früheren Karriere hatte er unter anderem die Anklage gegen die bekannte TV-Köchin und Autorin Martha Stewart ausgearbeitet; Stewart war 2004 wegen Insiderhandels zu mehreren Monaten Haft verurteilt worden. Inzwischen gibt es Rufe nach einer Ablösung Comeys. Immerhin müsste der FBI-Chef bei einem Sieg Clintons unter einer Präsidentin dienen, die er absichtlich oder unabsichtlich in Schwierigkeiten gebracht hat. Manche Politiker werfen Comey die Verletzung der gesetzlichen Neutralitätspflicht seiner Behörde vor.

Nachdem Trump Comeys Entscheidung vom Sommer, auf strafrechtliche Ermittlungen gegen Clinton zu verzichten, lange heftig kritisiert hatte, preist er ihn nun in den höchsten Tönen. Comeys Schritt gegen Clinton habe großen Mut erfordert, sagte Trump diese Woche. Es handele sich um den größten Skandal seit Watergate.

Hillary Clinton ist bemüht, das Thema hinter sich zu lassen. Bei ihren jüngsten Wahlkampfauftritten griff sie Trump wegen dessen sexuellen Übergriffen gegen Frauen an. Auch ein neuer Wahlwerbespot Clintons befasst sich mit Trumps Äußerungen über Frauen und seinem Eingeständnis, Frauen ohne deren Zustimmung angefasst und geküsst zu haben.

Der scheidende US-Präsident Barack Obama sagte am Mittwoch, er wolle sich zwar in die Vorgänge nicht einmischen. Bei Ermittlungen arbeite man aber nicht mit Anspielungen oder unvollständigen Informationen. "Man arbeitet mit konkreten Entscheidungen."

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