Kritik an Portal gegen Steuerbetrug: Wie aus dem Jäger Bayaz ein gejagter Finanzminister wurde
Baden-Württembergs Grünen-Finanzminister Danyal Bayaz will mit einem Online-Portal anonyme Hinweise auf Steuerbetrug vereinfachen. Dann beginnt ein Shitstorm.
Am Dienstag war Danyal Bayaz mal wieder im Stuttgarter Zoo. Schon als Kind sei er ab und zu mit seinen Eltern in der Wilhelma und dabei „besonders scharf“ auf die Raubkatzen gewesen. Inzwischen ist er als neuer Finanzminister von Baden-Württemberg direkt verantwortlich für das Landesunternehmen. Seine Leidenschaft ist geblieben und so ließ es sich der Grünen-Politiker nicht nehmen, die Patenschaft für die Schneeleopardin Karma zu übernehmen. „Ich finde Raubkatzen unheimlich faszinierend“, sagte der 37-Jährige am Dienstag zur Begründung.
Doch Bayaz beobachtet nicht nur gerne Raubkatzen, sondern gibt auch gerne den Jäger. Ehe er im Mai Finanzminister in Stuttgart wurde, machte er sich als Bundestagsabgeordneter im Wirecard-Untersuchungsausschuss einen Namen, in dem er Finanzminister Olaf Scholz (SPD) mit vielen unangenehmen Fragen und Detailwissen vor sich hertrieb. Das gefiel Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der ihn nach Stuttgart holte. Und Bayaz scheint seiner Rolle auch im neuen Amt treu zu bleiben.
Im Ländle will Bayaz jetzt Jagd auf Steuerhinterzieher machen. Dafür hat sein Ministerium das bundesweit erste anonyme Hinweisgeberportal für Finanzämter freigeschaltet. Bürgerinnen und Bürger sollen damit anonym Verstöße gegen Straf- und Steuergesetze melden können. Das ging auch schon bisher, allerdings nur telefonisch, schriftlich oder persönlich abgegeben. Doch dabei würden häufig relevante Informationen fehlen, sodass Ermittlungen unmöglich seien, heißt es aus dem Finanzministerium.
Dabei geht es um richtig viel Geld. Etwa 50 Milliarden Euro unterschlagen Steuerbetrüger bundesweit jedes Jahr, schätzen Experten. 2020 konnten die Steuerfahnder des Fiskus davon gerade einmal rund 3,2 Milliarden Euro ausfindig machen. Zahlen für Baden-Württemberg oder andere Bundesländer liegen nicht vor.
CSU spricht von „Denunziantentum“, die Bild von „Steuer-Stasi“
Trotzdem hagelte es prompt Kritik an Bayaz und seinen Plänen. „Statt sich um die Großen zu kümmern, wollen die Grünen Denunziantentum fördern und Misstrauen unter Nachbarn säen“, schrieb CSU-Generalsekretär Markus Blume bei Twitter. Dass es auch in Bayern die Möglichkeit gibt, mögliche Steuerhinterziehung anonym an die Finanzämter zu melden, erwähnte Blume nicht. „Dieses Portal zeigt uns, was droht, wenn Grüne ihre moralischen Vorstellungen über Recht und Gesetz stellen und in staatliches Handeln gießen und die CDU dem nichts entgegensetzt“, sagte FDP-Politiker Wolfgang Kubicki der „Bild“-Zeitung, die von einer „Steuer-Stasi“ spricht.
Tatsächlich gibt es aber auch in allen anderen Ländern die Möglichkeit, Steuerbetrug zu melden. Auch anonym. "Nach den Erfahrungen der Berliner Steuerverwaltungen wird davon regelmäßig und umfänglich Gebrauch gemacht", teilt ein Sprecher der Berliner Finanzverwaltung auf Anfrage mit. Weil das System bereits gut laufe, erwäge man momentan kein Portal nach Stuttgarter Vorbild.
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Kritik kommt kurz vor der Bundestagswahl jedoch nicht nur von der politischen Konkurrenz. Auch der Landesverband Baden-Württemberg des Bundes der Steuerzahler hält die Plattform für problematisch. Zwar sei Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt, doch mit dem Portal säe das Ministerium Misstrauen. „Die Finanzverwaltung muss in der Lage sein, die Datenmengen bearbeiten zu können – ein weiteres Datensammeln ist nicht nötig“, sagt der Landesvorsitzende Zenon Bilaniuk dem Tagesspiegel. Er hält die Plattform für unnötig und befürchtet Missbrauch.
„Steuerhinterziehung ist ein Schlag ins Gesicht für alle“
Angesichts des heftigen Gegenwinds verteidigte sich der Finanzminister am Mittwoch: „Steuerhinterziehung ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die ehrlich ihre Steuern zahlen“, sagte Bayaz. Das Geld fehle für gute Bildung, Infrastruktur und die Polizei. Anzeigen müssten selbstverständlich gut begründet sein, sonst würden sie von der Steuerfahndung erst gar nicht bearbeitet, versicherte der Minister.
Es gehe um „relevante Fälle von Steuerbetrug“, sagt er und verspricht: „Niemand muss befürchten, dass künftig die Steuerfahndung vor der Tür seht, nur weil der Nachbar ihn angeschwärzt hat.“ Aus dem Jäger Bayaz ist ein gejagter Finanzminister geworden.