Online-System in Baden-Württemberg läuft: Grünen-Chef Habeck verteidigt Meldeplattform für Steuerbetrug
Die bundesweit erste Meldeplattform für Hinweise auf Steuerbetrug ist in Baden-Württemberg gestartet. Der Landes-Finanzminister musste dafür viel Kritik einstecken.
Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck sieht die Online-Meldeplattform zur Ermittlung von Steuerbetrügern in Baden-Württemberg als wichtiges Instrument, um Tippgeber zu schützen. „Steuerbetrug ist kein Kavaliersdelikt. Wer Steuern hinterzieht, verspottet die Redlichkeit all jener Bürgerinnen und Bürger, die ehrlich ihre Steuern zahlen“, sagte Habeck am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. „Und natürlich muss man, um Wirtschafts- und Finanzkriminalität zu bekämpfen, auch Whistleblower schützen, das liegt ja auf der Hand.“
Auf einer Meldeplattform sollen Bürgerinnen und Bürger Online-Hinweise über Steuerbetrüger abgeben können. Die Steuerverwaltung in Baden-Württemberg will Hinweisgebern „einen sicheren und anonymen Kommunikationsweg“ bieten, um Verstöße anzuzeigen.
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Landes-Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) hat das bundesweit erste entsprechende Hinweisportal für Finanzämter freigeschaltet. Die Behörden erwarten einer Mitteilung zufolge, dass durch die Hinweise „die Zahl steuerstrafrechtlicher Ermittlungsverfahren steigen könnte“. Der Zugriff auf personenbezogene Daten des Hinweisgebers sei ausgeschlossen.
Doch die Grünen stehen wegen der Plattform massiv in der Kritik. Politiker von CDU, FDP und AfD warfen der Partei vor, dafür zu sorgen, dass Menschen ihre Nachbarn bespitzeln. So auch CSU-Generalsekretär Markus Blume. Er schrieb auf Twitter, die Grünen wollten „Denunziantentum fördern und Misstrauen unter Nachbarn säen.“
Auch CDU-Politiker Carsten Linnemann verurteilte die Steuerbetrugs-Meldeplattform. Er befürchte, dass es durch das Portal mehr Misstrauen in der Bevölkerung geben könne. Michael Theurer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP im Bundestag, vermute der „Bild“-Zeitung zufolge sogar, dass eine „Blockwart-Mentalität“ entstehen könne. Man brauche viel eher mehr Steuerfahnder und eine effektive Kontrolle internationaler Konzerne.
Grünen-Politiker Danyal Bayaz wies die Kritik zurück. Zur Funktionsweise des Portals erklärte er: „Anzeigen müssen selbstverständlich gut begründet sein, sonst werden sie von der Steuerfahndung erst gar nicht bearbeitet. Ein einfacher Hinweis genügt ausdrücklich nicht.“ Der Grüne versicherte: “Niemand muss befürchten, dass künftig die Steuerfahndung vor der Tür seht, nur weil der Nachbar ihn angeschwärzt hat. Es geht außerdem um relevante Fälle von Steuerbetrug.“
Das neue anonyme Hinweisportal sei ein „ergänzendes Instrument im Kampf für mehr Steuergerechtigkeit“. Schon bisher seien anonyme Anzeigen möglich, per Brief oder Telefon, das sei in anderen Bundesländern nicht anders. „Im Jahr 2021 sollte das aber auch online gehen, deshalb das Onlinesystem“, erklärte Bayaz.
Er betonte, wie wichtig die Plattform für alle ehrlichen Steuerzahler sei: „Steuerhinterziehung ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die ehrlich ihre Steuern zahlen. Sie kostet uns in Deutschland geschätzte 50 Milliarden Euro im Jahr.“
Rückendeckung bekam Bayaz nicht nur von Robert Habeck, der indirekt auch die „Bild“-Zeitung attackierte. Denn die hatte getitelt: „Grünen-Minister führt Steuer-Stasi ein“. Der Grünen-Chef sagte: „Wer aber den Kampf gegen Steuerbetrug mit dem Agieren der Stasi vergleicht, verharmlost die Diktatur der DDR.“
Auch Transparency Deutschland kritisierte die Wortwahl einiger Politiker und Journalisten: „Begriffe wie „Denunziantentum“ und „Blockwartmentalität“ sind absolut fehl am Platz. Es geht beim Whistleblowing um Hinweise auf Verstöße, die der Allgemeinheit schaden und deren Aufdecken im Interesse der Gesellschaft liegt“, erklärte Louisa Schloussen, Whistleblowing-Expertin von Transparency. „Entgegen der Vorurteile zeigen wissenschaftliche Studien und die Erfahrungen in der Praxis ganz klar, dass absichtliche Falschmeldungen („Denunziationen“) kaum vorkommen und kein Problem sind.“ (Tsp, dpa)