Aufruhr um Bundesfinanzminister: Behindert Olaf Scholz die Aufklärung im Wirecard-Ausschuss?
Im Wirecard-Untersuchungsausschuss wächst die Verärgerung über Bundesfinanzminister Scholz und sein Ressort. Er soll Akten zu spät übergeben haben.
Es geht um 50 Ordner mit 107 Akten für den Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Ein kleinerer Teil betrifft das Bundesfinanzministerium und die britische Finanzaufsicht FCA.
Der Großteil bezieht sich nach Informationen des Tagesspiegels die Leitungsebene der Finanzaufsichtsbehörde Bafin. Also insbesondere die mittlerweile abgelösten Chefs der Behörde, Felix Hufeld und Elisabeth Roegele. Beide sind für diesen Freitag in den Ausschuss geladen, am Donnerstag sollten zuvor leitende Bafin-Mitarbeiter als Zeugen gehört werden.
Das Aktenkonvolut wurde dem Ausschuss vom zuständigen Finanzministerium in zwei Schüben am Dienstagnachmittag und am Mittwoch gegen Abend zugeleitet. Viel zu kurz, um zu den anstehenden Zeugenbefragungen noch ausgewertet werden zu können – so die einhellige Meinung im Ausschuss. Zumal ein Teil der Akten als geheim deklariert und so nur mit Einschränkung in einem gesonderten Raum zugänglich ist.
Das Ergebnis: Zwei Staatssekretäre des für die Bafin und die Aktenlieferung zuständigen Finanzministeriums Sarah Ryglewski und Werner Gatzer, wurden in die Sitzung am Donnerstag zitiert, um das Verhalten des Ressorts von Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) zu erklären. Von Zerknirschung und Entschuldigung war danach die Rede. Es sei keineswegs so, dass man Akten bewusst zurückgehalten habe.
Bessere Kommunikation wurde versprochen. Offiziell hieß es aus dem Ministerium, man informiere den Ausschuss "sorgfältig, detailliert und so zügig wie möglich". Der Ausschuss soll klären, welchen Umgang Bundesregierung und Behörden mit dem Unternehmen pflegten, das nach dem Bekanntwerden von Bilanzmanipulationen im Juni 2020 Insolvenz anmeldete.
Staatssekretäre müssen antreten
Gatzer, eigentlich für den Haushalt und gar nicht für Finanzmarktthemen zuständig, ist formell der für die Aktenzuleitung verantwortliche Staatssekretär, weil die tatsächlich thematisch zuständigen Staatssekretäre Jörg Kukies und Wolfgang Schmidt Zeugen im Ausschuss sind, so die Auskunft aus dem Ausschuss. Gatzer muss an diesem Freitag nochmals im Ausschuss antreten, um genauer zu erklären, "wie der Fauxpas passieren konnte"; wie der Ausschussvorsitzende Kay Gottschalk (AfD) sagte.
[Wenn Sie mehr wissen wollen zum Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Wirecard-Affäre - hier finden Sie unseren T-Plus-Dreiteiler: Rückblick Teil 1 und Teil 2 und den ausführlichen Ausblick.]
Seit Wochen ist von Ausschussmitgliedern zu hören, das Finanzministerium sei langsam bei der Aktenzustellung. Als Beispiel wird genannt, dass Akten zu einem Zeugen, der für den 26. Februar in den Ausschuss geladen war, am 19. März bei den Abgeordneten landeten.
Zum Ende der Ausschussarbeit hin wird immer mehr das Verhalten der Bafin in der Wirecard-Affäre zum Thema - und damit auch das Finanzministerium, das die Rechts- und Fachaufsicht hat. Vor allem das im Februar 2019 unter noch nicht ganz geklärten Umständen von der Bafin erlassene zweimonatige Leerverkaufsverbot für Wirecard-Aktien - vorgeblich als Maßnahme zum Schutz vor Spekulationsattacken - rückt in den Mittelpunkt der Aufklärungsarbeit im Ausschuss.
Scholz und Kukies im Ausschuss
Kukies ist am 21. April als Zeuge dran, Scholz am Tag darauf. Mit dem Leerverkaufsverbot, das als Mittel gegen größere Verwerfungen am Aktienmarkt konzipiert ist, verbindet sich die Frage, warum diese Maßnahme ausgerechnet für den recht kleinen Dax-Wert Wirecard erstmals von der Bafin angewendet worden ist. Kukies war vorab von dem Schritt informiert - der Ausschuss erlangte davon aber erst vor einigen Tagen eher beiläufig Kenntnis, und zwar durch einen Tweet des Staatssekretärs Schmidt ("in seiner ganz eigenen Art", wie es im Ausschuss süffisant heißt).
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Es entstehe der Eindruck, dass das Finanzministerium die Ausschussarbeit sabotieren wolle, sagte der Grünen-Politiker Danyal Bayaz. Er sehe nur einen „schwach entwickelten Willen des Bundesfinanzministers, an der Aufklärung aktiv mitzuwirken“, teilte der CSU-Abgeordnete Hans Michelbach mit. Der Linken-Politiker Fabio De Masi sprach von einer "Verhöhnung" der Abgeordneten. Florian Toncar von der FDP sieht eine Behinderung des Ausschusses und beklagt, vom angekündigten Aufklärungswillen von Scholz sei nicht viel zu spüren. Selbst in der SPD war Unmut über das Verhalten des eigenen Ministeriums zu erkennen.
Ob und wie weit die nun zugestellten Akten tatsächlich wichtig sind für die weiteren Zeugenbefragungen, ist am Donnerstag offen geblieben. Roegele und Hufeld wurden jedoch für den 13. April gleich ein zweites Mal als Zeugen geladen – für alle Fälle.
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