Protest gegen türkischen Angriff in Nordsyrien: Werden die YPG-Fahnen der syrischen Kurden verboten?
Am Sonnabend gibt es Proteste gegen den türkischen Einmarsch in Nordsyrien. Verbieten die Behörden YPG-Fahnen, wollen die Organisatoren zum Verfassungsgericht.
Zehntausende Kurden wollen diesen Samstag europaweit gegen den türkischen Einmarsch in Nordsyrien protestieren. In zahlreichen Städten sind entsprechende Kundgebungen angemeldet, in Deutschland findet der zentrale Protest in Köln statt. Erst am Freitag hatte Amnesty International der türkischen Armee und verbündeten Milizen schwere Kriegsverbrechen in Syrien vorgeworfen.
In Berlin werden für Samstag 2000 Demonstranten am Potsdamer Platz erwartet. Hunderte Polizisten sollen den Zug begleiten. Insbesondere seit dem Massaker des „Islamischen Staates“ an Iraks kurdischen Jesiden 2014 gibt es regelmäßig prokurdische Proteste in Deutschland – bei denen sich jedes Mal die Frage nach dem PKK-Verbot stellt.
Die Symbole der Kurdischen Arbeiterpartei PKK, die in der Türkei einen Guerillakampf um kurdische Autonomie führt, sind seit 1993 in Deutschland verboten. Die in Nordsyrien regierende Kurdenpartei PYD und deren Miliz YPG stehen der PKK ideengeschichtlich nahe, weshalb die Regierung in Ankara sie militärisch bekämpft. Die Bundesregierung verfügte 2017, dass PYD- und YPG-Symbole verboten werden können, wenn sie als Ersatz für die PKK gezeigt werden. Seitdem wird fallweise darüber entschieden – was kurdische Exilanten und deutsche Juristen empört.
„Es ist klar, dass es bei den aktuellen Demonstrationen gegen den völkerrechtswidrigen Angriff der Türkei auf Nordsyrien nicht um die PKK geht“, sagt der Berliner Anwalt Lukas Theune, der an diesem Samstag die kurdischen Kriegsgegner in Berlin vertritt. „Sollten die Behörden die Fahnen der syrischen Kurden nicht erlauben, gehen wir, wenn nötig, bis zum Bundesverfassungsgericht.“
Theune spricht von „völliger Rechtsunsicherheit“, denn: „Die Fahnen der YPG, der Frauenmiliz YPJ und der PYD sind grundsätzlich ebenso wenig verboten wie diese Organisationen selbst.“ Vor Ort wüssten oft weder die Polizisten noch die Demonstrierenden, ab wann der PKK-Bezug überwiege. „Woran soll man erkennen können, was nun angeblich pro-PKK und was pro-YPG ist?“, fragt Theune.
Der Druck auf die PKK ist in Deutschland höher als in Frankreich, Belgien und Skandinavien. Dort werden oft PKK-Symbole gezeigt, Frankreichs Regierung hat zudem YPG-Kämpfer in Paris empfangen. „Deutschland ist da sogar härter als die Türkei selbst“, sagt Theune. „Bei Demonstrationen etwa in Diyarbakir sind auch PKK-Fahnen oft erlaubt. Das können viele meiner Mandanten – die ja vor dem türkischen Regime geflohen sind – überhaupt nicht nachvollziehen.“
Dass syrische Kurdenvereine in Deutschland erlaubt sind, liegt daran, dass sie sich am Westen orientiert haben. „Auf der einen Seite will Deutschland guten Umgang mit dem Erdogan-Regime pflegen – und dazu gehört oft, dessen politische Ansichten zu übernehmen“, sagt Anwalt Theune. „Andererseits war die YPG ja der engste Verbündete des Westens beim Kampf gegen den IS, sodass man die YPG selbst nicht verfolgen möchte.“
Iraks und Syriens Kurden waren im Anti-IS-Kampf von den USA unterstützt worden. Seit die US-Soldaten aus Syrien abzogen, lässt Ankara die Kurdenregion bombardieren.
Die Kurdische Gemeinde in Deutschland, ein Dachverband mit Sitz in Gießen, hatte Gewalt bei Demonstrationen verurteilt und national-türkischen Gruppen „Provokationen am Straßenrand“ vorgeworfen. Berliner Beamte berichteten dem Tagesspiegel, dass sich Männer aus dem Umfeld der verbotenen Truppe „Osmanen“ in Milieukreisen über die kämpfenden Kurden aufregten. Die Osmanen waren ein wie Rocker organisiertes Netzwerk aus Türstehern, Kleinkriminellen und Rotlichtschlägern, die dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan nahestanden.
„Allein ich weiß von drei Fällen, in denen Mandanten von türkischen Rechtsradikalen – sogenannten Grauen Wölfen – auf der Straße bedroht wurden“, sagte Kurden-Anwalt Theune in Berlin. Türkische Nationalisten rufen für nächste Woche zu antikurdischen Kundgebungen in deutschen Städten auf.