zum Hauptinhalt
Sawsan Chebli, Staatssekretärin für bürgerschaftliches Engagement, hält ihren Twitter-Account für eine Privatsache.
© Wolfgang Kumm/dpa

Sawsan Cheblis Twitter-Krieg: Wer seine Gegner bekämpft, macht sie womöglich stärker

Den Freispruch für einen rechten Blogger hält die SPD-Politikerin für eine Niederlage der Demokratie. Ein Irrtum. Es ist nicht der einzige. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Dank Social Media erfährt der Straftatbestand der Beleidigung eine Aufmerksamkeit, die früher niemand für möglich gehalten hätte. An ihn wird eine neue Erwartung gestellt: Er soll die in weiten Teilen unfassbar primitiven Netzdebatten in ein ziviles Maß überführen. Bei diesem hohen Anspruch muss die Enttäuschung groß ausfallen.

Jüngster Fall ist der Freispruch eines rechten Bloggers und Video-Selbstdarstellers, der die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli als „islamische Sprechpuppe“ und „Quotenmigrantin der SPD“ geschmäht hat. Seit Jahren arbeitet sich der Mann an ihr ab. Chebli lässt sich so etwas nicht gefallen. Sie erstattet Strafanzeige. In Interviews spricht sie davon, dass der Diskurs nicht den Rechten überlassen bleiben dürfe, dass er „gewonnen“ werden müsse.

Unerträgliche Äußerungen unerträglicher Menschen

Was ist hier zu gewinnen? Alles was strafbar ist, gehört rigoros verfolgt. Aber selbst wenn all das verschwände, bliebe genug von dem übrig, das zutreffend als „Hass und Hetze“ angeprangert wird; aktuell so etwas wie Sprechpuppe und SPD-Quotenmigrantin beispielsweise. Unerträgliche Äußerungen unerträglicher Menschen. Das Internet quillt über damit.

Wie will man das in einem freiheitlichen, nicht-autoritären Staat besiegen? Der Staatsanwalt und Chebli wollen eine Berufung. Wird er doch noch verurteilt, könnte sich der Mann bis vor das Bundesverfassungsgericht klagen. Dort bekommt er dann womöglich Recht, Stichwort Meinungsfreiheit. Würde Frau Chebli dies auch, wie den Freispruch des Amtsgerichts, eine „bittere Nachricht für alle, die sich tagtäglich für unsere Demokratie stark machen“ nennen? Um vor Gericht Exempel zu statuieren, sollte man sich Fälle aussuchen, die eine bedenkenlose Verurteilung erwarten lassen. Alles andere macht die Gegenseite stärker.

Zunächst wären die Fronten zu klären

Ein weiterer Irrtum besteht darin, dass die beamtete SPD-Politikerin glaubt, ihr Twitter-Account („Hier privat“) sei ausschließlich ihre eigene Angelegenheit. Der Dienstbezug ist schon daran erkennbar, wie oft sie die amtlichen Twitter-Statements ihres Chefs weiterreicht, des Regierenden Bürgermeisters. Der Irrtum wird noch dadurch vergrößert, dass die Senatskanzlei ihn ebenfalls teilt. So geht alles Durcheinander: Cheblis politische Attacken, aktuell etwa gegen Friedrich Merz, der amtliche Dienstpost-Versand oder Tierbildchen. Das ist alles, nur eins ist es nicht: privat und unpolitisch.

In Cheblis Twitter-Krieg gegen die Rechten wären zunächst die Fronten zu klären. Dann könnte ihr die Senatskanzlei möglicherweise beistehen, wie es die Fürsorgepflicht für eine Mitarbeiterin erfordert. Oder Chebli wäre anzuweisen, dass sie jeden Bezug auf ihren Dienst unterlässt. Allgemein ist Zurückhaltung eine gute Idee. Stell dir vor, im Netz ist Krieg, und nur rechte Trottel gehen hin: Es wäre ein Frieden ohne Verluste.

Zur Startseite