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Erst albanischer Milizionär, dann US-Verbündeter und Premier. Im April 2017 vor einem französischen Gericht (Foto) und ab heute wieder Regierungschef in in Kosovo: Ramush Haradinaj
© AFP / Bozon

Neuer Regierungschef Ramush Haradinaj: Wer ist der Chef in Kosovo?

Der neue Ministerpräsident des Kosovo ist ein alter Strippenzieher. Doch obwohl er als Clan-Boss bekannt war, könnte sich Ramush Haradinaj noch als Spitzenpolitiker neu erfinden.

An diesem Donnerstag wird er also doch - Regierungschef in Pristina, der Hauptstadt des kleinen, nicht mal von allen Nachbarstaaten anerkannten Kosovo. Gewonnen hat seine Partei nicht, er selbst könnte bald vor einem Sondertribunal in Den Haag angeklagt werden, vielen Landsleuten gilt er als Mafioso - und dass Ramush Haradinaj trotzdem in diesen Tagen sein neues Amt als Ministerpräsident des Kosovo antreten wird, sagt viel über den Zustand des Landes aus.

Haradinaj, Jahrgang 1968, ist ein Offizier, der in den Jugoslawien- Kriegen der 1990er Jahre zum Milizionär, zum Plünderer von Waffenarsenalen, zum mächtigen Clanchef wurde - und erst zum Politiker, als die Nato 1999 den jugoslawischen Rumpfstaat aus Serbien und Montenegro bombardierte. Da war Haradinaj ein Ansprechpartner der US-Amerikaner. Fünf Jahre danach, es gab das Kosovo noch gar nicht als Staat, amtierte Haradinaj kurz als Premier, nun ist er wieder da.

Die "Vetevendosje" macht Druck

Gemeinsam mit zwei weiteren Parteien von ehemaligen Kämpfern hat seine AAK eine Koalition geschmiedet, die mehr Stimmen zusammenbringt als die eigentliche Gewinnerin der Parlamentswahlen, die linksnationalistische, zuweilen basisdemokratische Vetevendosje. Die wurde besonders in den Städten und von den jungen Leuten gewählt. Ihre Versprechen waren ein Sozialstaat, der Abzug ausländischer Truppen und das Ende der Korruption.

Frisch gewählter Premier Ramush Haradinaj in Pristina 2004 - heute ist er wieder im Amt.
Frisch gewählter Premier Ramush Haradinaj in Pristina 2004 - heute ist er wieder im Amt.
© dpa

Vor allem letzteres kollidiert mit dem Ruf von Haradinaj. „Die im Raum Decan auf Familienclan basierende Struktur um Ramush Haradinaj befasst sich mit dem gesamten Spektrum krimineller, politischer und militärischer Aktivitäten, die die Sicherheitsverhältnisse im gesamten Kosovo erheblich beeinflussen“, schrieb der Bundesnachrichtendienst im Jahr 2005 über ihn. Da stand er wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor dem Haager Kriegsverbrechertribunal, ein Prozess, den viele Zeugen nicht überlebten - und der mit einem Freispruch endete.

Die falschen Leute können aus den falschen Gründen das Richtige tun

Und dieser Mann soll den jüngsten Staat des Kontinents modernisieren, ins politische Europa führen, Vertragssicherheit herstellen, die Demokratie aufbauen?

Manchmal sorgt die Geschichte dafür, dass die falschen Leute aus den falschen Gründen doch das Richtige tun. Haradinaj steht - selbst für die Verhältnisse auf dem Balkan - unter enormem Druck. Es ist nicht angeschlossen ist, dass er der Opposition im Kosovo und den Kritikern im Ausland zeigen will, dass er des Krieges müde ist und die Forderung nach einem funktionierenden Staat ernst nimmt. Und sich selbst, dass er Spitzenpolitiker sein kann.

Hannes Heine

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