Griechenland: Wenn die Pleite kommt
Griechenland rutscht immer tiefer in die Schuldenkrise. Die Schuldenlast ist erdrückend, die Wirtschaft kommt nicht in Schwung. Was passiert, wenn das Land pleite geht?
Die Lage in Griechenland ist bedrohlich. Die Maßnahmen der Regierung Papandreou, um aus der Notsituation herauszukommen, sind unzureichend – und das Volk macht seinem Unmut über die einschneidenden Sparpakete immer heftiger Luft. Die Solidarität der anderen Euro-Staaten indes wird arg strapaziert. In Deutschland wird in den Reihen der schwarz-gelben Koalition schon die Möglichkeit einer „geordneten Insolvenz“ ins Gespräch gebracht. Wir betrachten die Szenarien, die eintreten könnten, sollte Griechenland trotz aller Rettungspakete den Weg aus der Schuldenkrise nicht schaffen.
Ist eine Insolvenz möglich?
Wäre Griechenland ein Unternehmen, hätte es längst den Insolvenzverwalter anrufen müssen. Eine Insolvenz liegt vor, wenn jemand nicht mehr in der Lage ist, mit seinem Einkommen seine Schulden vollständig und fristgerecht abzuzahlen. Bei Griechenland ist das im Grunde jetzt schon der Fall. Das Land wird Ende 2011 Schulden in Höhe von 166 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung angehäuft haben, die Zinsen lasten schwer auf dem Staatshaushalt. Auf dem Kapitalmarkt leiht den Griechen längst niemand mehr Geld zu vernünftigen Konditionen. Wenn EU und IWF die nächste Tranche des Hilfsprogramms nicht überweisen, ist die griechische Regierung zahlungsunfähig.
Ein Unternehmen würde in so einem Fall unter die Aufsicht eines Insolvenzverwalters gestellt. Er bestimmt darüber, wofür der Geschäftsführer noch Geld ausgeben darf, er sorgt dafür, dass die Angestellten ihren Lohn weiterhin bekommen. Vor allem aber verhandelt er mit den Gläubigern, ob sie bereit sind, auf einen Teil ihres Geldes zu verzichten, damit die Firma gerettet werden kann. Das nennt man Schuldenschnitt. Den Geldgebern bleibt meistens nichts anderes übrig als zuzustimmen, denn anderenfalls wird die Firma liquidiert, alle Wertgegenstände werden verkauft, und der Erlös wird unter den Gläubigern aufgeteilt.
Für Staaten gibt es bislang kein Insolvenzrecht. Die frühere IWF-Vizechefin Anne Krueger hat das schon 2002 angeregt. Auch Ex-Bundespräsident Horst Köhler plädierte dafür, und Bundeskanzlerin Angela Merkel regte im Juli 2010 an, einen Insolvenzplan für Krisenstaaten zu schaffen. Passiert ist bislang nichts.
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Was würde bei einer ungeordneten Insolvenz Griechenlands passieren?
Ginge Griechenland einfach so pleite, wäre das Chaos unermesslich. Wenn der Staat seine Angestellten, die Rentner und die Krankenhäuser weiterfinanzieren will, müsste die Regierung sofort sämtliche Zahlungen an ihre Gläubiger aussetzen. Das hieße: Nicht nur die griechischen Banken, die ihrem Staat eine Menge Geld geliehen haben, kämen ins Wanken, auch andere europäische Institute würden empfindlich getroffen. „Das Schlimmste an diesem Szenario ist die Unsicherheit“, sagt Nicolas Heinen von Deutsche Bank Research. Die Gläubiger hätten zwar ein Anrecht auf Rückzahlung ihres Geldes, die Prozesse könnten aber Jahre dauern. Griechenland selbst wäre für viele weitere Jahre vom Kapitalmarkt abgeschnitten. Niemand würde dem Land mehr trauen. Um die laufenden Ausgaben zu decken, müsste die Regierung aber weiter Schulden machen – oder die Ausgaben noch drastischer reduzieren. Hinzu kommt: Wenn die griechischen Banken pleitegehen, verlieren die griechischen Sparer ihr ganzes Geld. Die Unternehmen kommen nicht mehr an Kredite. Die Wirtschaft bricht zusammen.
Wäre eine geordnete Insolvenz die Lösung?
Dabei würde sich Griechenland quasi freiwillig unter fremde Verwaltung begeben. „Am besten könnte der europäische Rettungsfonds EFSF diese Rolle übernehmen“, sagt Nicolaus Heinen. Dieser, beziehungsweise später der ständige europäische Rettungsschirm ESM, hätte als einziger die notwendige Autorität, denn die Griechen wären auf weitere Kredite von der Institution angewiesen. Dann könnte der ESM zwischen Griechenland und seinen Gläubigern über einen Schuldenschnitt verhandeln, der Griechenland von den Zinszahlungen entlastet. „Die spannende Frage ist: Wie viel zahlen die Griechen zurück?“, sagt Commerzbank-Analyst Christoph Weil. Er glaubt, dass das Land sich nur noch dann sanieren kann, wenn die Gläubiger auf 80 Prozent ihres Geldes verzichten. Das würde wiederum ein riesiges Loch in die Bilanzen vieler Banken reißen. Noch gefährlicher aber ist die Ansteckungsgefahr: Auch die Risikoaufschläge für spanische und italienische Staatsanleihen würden bei einer Pleite Griechenlands sofort in die Höhe schießen, sagt Weil. Zu verhindern wäre dies nur, wenn die Europäer diese Staaten mit enormen Beträgen unterstützen, weit mehr, als der Rettungsschirm bislang vorsieht. Die Alternative wäre, dass die Europäische Zentralbank weiter Anleihen aus diesen Staaten aufkauft – oder dass die Euro-Länder sich durchringen, gemeinsame Anleihen herauszugeben.
Lesen Sie auf der letzten Seite, ob Griechenland aus der Währungsunion ausgeschlossen werden kann.
Kann Griechenland die Euro-Zone verlassen oder ausgeschlossen werden?
Weder ein Ausschluss noch ein Austritt ist in den EU-Verträgen vorgesehen. In der EU-Kommission wird das Szenario, dass Griechenland den Euro wieder abschaffen könnte, deshalb auch nicht durchgespielt – anders als das laut „Spiegel“ im Bundesfinanzministerium der Fall ist, wo dem Bericht zufolge sowohl über die Folgen eines Verbleibs Griechenlands in der Euro-Zone im Fall einer Pleite als auch über einen Austritt nachgedacht wird.
Dass für den möglichen Austritt eines Mitgliedstaates keine Vorkehrung getroffen wurde, bedeutet allerdings nicht, dass die seit 2001 bestehende Mitgliedschaft Athens im Club der Euro-Länder in Stein gemeißelt ist. Verfassungsrechtler weisen darauf hin, dass ein Mitgliedstaat durchaus aus freien Stücken die Euro-Zone verlassen kann, wenn dies dem demokratisch legitimierten Willen der dortigen Regierung entspricht. Die EU und die Euro-Zone funktionieren schließlich nach dem Demokratie-Prinzip: Die europäischen Institutionen in Brüssel haben in der Praxis keine Möglichkeiten, ein Land gegen seinen Willen im Kreis der 17 Euro-Länder festzuhalten.
Eine Entscheidung über einen Austritt wäre für Athen mit erheblichen Risiken und mit vergleichsweise geringen Vorteilen verbunden. Zu den Vorteilen gehört die Abwertung einer eigenen hellenischen Landeswährung: Wenn in Hellas die Drachme wieder eingeführt würde, wäre dies aller Voraussicht nach mit einer erheblichen Abwertung der griechischen Währung gegenüber dem Euro verbunden. Dies wiederum würde die griechischen Exporte in die Euro-Zone enorm verbilligen. Die griechische Wirtschaft könnte sich also über den Umweg über eine permanente Abwertung der eigenen Währung einen internationalen Wettbewerbsvorteil verschaffen.
Viel schwerer wiegt hingegen das Risiko, dass sich mit einer Wiedereinführung der Drachme die Schuldenprobleme Athens noch verschlimmern. Denn Griechenland müsste seine Hilfskredite nach wie vor in Euro an die Europäer zurückzahlen. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt hat Athen inklusive der Hilfen des Internationalen Währungsfonds (IWF) 65 Milliarden Euro allein aus dem ersten Hilfspaket vom Mai 2010 erhalten. Nach einer Umrechnung in die – abgewertete – Drachme würde diese Summe ins Unermessliche steigen. Griechenland würde dann wohl endgültig unter der Schuldenlast zusammenbrechen.