zum Hauptinhalt
Soll die Krise um die Einheitswährung die Europäische Union staatlich einigen?
© dpa

Überdehntes Gebilde: Niemand sollte Europa staatlich zusammenzwingen

Angesichts der Schuldenkrisen werden die Rufe lauter nach den Vereinigten Staaten von Europa. Doch schon andere großstaatliche Gebilde sind in sich zusammengebrochen. Europa war immer anders - und dennoch erfolgreich.

Irgendwie passt das Ganze nicht zusammen. Da schwärmt Frau von der Leyen von den Vereinigten Staaten von Europa und möchte doch „goldwerte“ Sicherheiten für neue griechische Hilfszahlungen. Als ob Klaus Wowereit je auf die Idee kommen müsste, das Brandenburger Tor für bayerische oder baden-württembergische Leistungen im Rahmen des Länderfinanzausgleiches zu verpfänden.

Jetzt rächt sich, dass nie zu Ende gedacht wurde, was Europa einmal sein soll. Nach dem Krieg hätten die Deutschen sich am liebsten in Europa verkrochen, die Franzosen ein französisches Europa gebaut und die Briten es bei einer großen Freihandelszone belassen. Herausgekommen ist ein Gebilde, das am ehesten noch dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation in seiner besseren Zeit gleicht. Damals, also vor Friedrichs schlesischen Raubkriegen, war dieses Gebilde eine Friedensordnung, unfähig zu Expansion und Gestaltung, handlungsfähig allein durch seine großen Glieder, vor allem Habsburg. Wie Habsburg damals mehr schlecht als recht den französischen Ausdehnungsdrang verlangsamte und weit mehr recht als schlecht die osmanische Expansion stoppte, so haben jetzt Frankreich und England den libyschen Diktator Gaddafi im Namen Europas bezwungen.

Doch wie damals handelte nicht das Ganze, sondern handelten seine stärksten Glieder. Denn weder das Heilige Römische Reich damals noch Europa heute sind so etwas wie die Vereinigten Staaten von Amerika, schon weil sich Kalifornien und Texas weniger von Virginia und Connecticut unterscheiden als Holland oder Frankreich von Polen. Amerika hat trotz aller landsmannschaftlicher Unterschiede zwischen Ost und West oder Nord und Süd eine gemeinsame amerikanische Identität, erwachsen aus gemeinsamer Sprache und Kultur, angefochten und gehärtet im Bürgerkrieg, eine Identität, die trotz 1000-jähriger gemeinsamer Geschichte Frankreich und Deutschland nicht verbindet.

Auch einen deutschen Staat vermochte Bismarck erst zu formen, als die überwiegend fremdsprachigen Teile des alten Reiches zusammen mit Habsburg dieses verlassen mussten. Staatwerdung mag ein Willensakt sein, doch dieser Wille muss im gemeinsamen kulturellen Erbe verwurzelt sein. Übernationale Staaten waren in Europa selten erfolgreich, die Schweiz und das Reich Franz Josefs mit Einschränkungen bilden die Ausnahmen, Jugoslawien, Belgien, die Tschechoslowakei und Russland die Regel.

Es ist deshalb keine gute Idee, ausgerechnet die Finanz- und Euro-Krise zur Begründung europäischer Staatlichkeit zu nutzen. Denn erzwungene Gemeinsamkeiten sind selten von Dauer. Auch wenn Ländern wie Indien, Brasilien und China die Zukunft zu gehören scheint, folgen Kroaten, Slowenen, Flamen und Schotten ihrem eigenen Kompass. Europa war immer anders und dennoch erfolgreich. Athen und Sparta blieben Sieger über das persische Großreich. Nicht die Größe, die Vielgestaltigkeit seiner Lebensformen war Europas Erfolgsgeheimnis. Bei Salamis siegte nicht die Alternativlosigkeit, sondern die größere Beweglichkeit der griechischen Welt und auch heute lässt sich Europa erfolgreich jenseits des Euro denken.

Schließlich wäre die Euro-Zone nicht die erste Großorganisation, die an ihrer schieren Überdehnung zugrunde geht.

Zur Startseite