Die Markus-Söder-Show in Leipzig: Wenn die CDU plötzlich den CSU-Chef feiert
Locker, listig, lustig: Der Auftritt des CSU-Chefs beim CDU-Parteitag gerät zur Show. Von einer Urwahl zur Kanzlerkandidatur hält er nichts – gut für AKK.
Die Vorsitzende würde nun doch allmählich gerne dem Gastredner danken, und der macht auch schon Gesten mit den Händen, dass es jetzt gut ist. Der Parteitag sieht das aber ganz und gar nicht ein. Ganze Blöcke von Delegierten bleiben einfach stehen und applaudieren Markus Söder weiter zu.
In der Leipziger Messehalle hat es in den vergangenen zwei Tagen allerlei Reden gegeben und verschiedenerlei Sorten Beifall – taktischen, parteisoldatischen, solchen zur Einigkeit und demonstrativ gedämpften. Der Applaus für den CSU-Vorsitzenden kommt tief aus der Seele der CDU. Wenn sie in diesem Moment entscheiden müssten, wer ihnen in den nächsten Wahlkampf voranstürmen soll – die Sache wäre klar.
Der Auftritt des CSU-Vorsitzenden gehört zur parteigeschwisterlichen Tradition. Er ist diesmal um so willkommener, als der Parteitag am Samstag inhaltlich schwere Brocken beiseite zu schieben hat. Die Anträge, die als krawallträchtig galten, sind allerdings vom Generalsekretär Paul Ziemiak und seiner Antragskommission im Vorfeld umfassend entschärft worden.
Dem Anti-Huawei-Antrag etwa sieht man jetzt nicht mehr sofort an, dass er einzig darauf zielt, den chinesischen Konzern vom Aufbau des 5G-Netzes auszuschließen. Das hindert Norbert Röttgen nicht, noch mal einen „totalen Kontrollverlust“ und quasi die Übernahme der Republik durch die Kommunistische Partei in Peking an die Wand zu malen, wenn man die China-Hardware nicht verbanne. Doch der Parteitag stimmt der entschärften Antragsfassung anstandslos zu.
In Leipzig kommt die Söder-Show gut an
Söders Auftritt steht damit nichts mehr im Weg. Er hat aber ohnehin leichtes Spiel, gerade weil er auf die Kanzlerkandidatenfrage immer glasklar Nein gesagt hat. Er muss keine verbalen Winkelzüge vollführen und sich keine Zügel anlegen wie der ehrgeizige Friedrich Merz. „Ich weiß, auf diesem Parteitag is’ wichtig zu unterscheiden zwischen Rede und Grußwort“, spottet der Bayer über die Konkurrenz bei der CDU – und macht aus seinem amtlichen Grußwort erst recht eine ausgewachsene Rede.
[Warum Söder Kanzlerkandidat werden kann: Tagesspiegel-Herausgeber legte bereits im Oktober dar, was für den veränderten CSU-Chef spricht. Lesen Sie hier seinen Kommentar.]
Was er sagt, ist inhaltlich völlig solidarisch mit der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer und ein einziges Lob der Parteigeschwisterliebe: „Deutschland braucht eine einige Union.“ Er lobt sogar die Kanzlerin: „Wer vier Wahlen hintereinander gewinnt, der kann es nicht ganz falsch gemacht haben.“ Nur sagt er das alles – anders. Locker, direkt auf den Punkt, mit listigen Einschüben und Kunstpausen.
In Bayern kennen sie die Söder-Show schon. Hier in Leipzig zünden die Gags frisch. Die Grünen, seine neuen Lieblingsgegner, wollen Ölheizungen sofort verbieten – „Ja was sollen die Leute denn sonst tun? In den Wald gehen? Holz fällen dürfense ja auch nicht!“ Der Saal johlt. Die AfD? Eine neue NPD: „Mit solchen Leuten macht man nix, sondern man bekämpft sie.“
Urwahl zur Kanzlerkandidatur? Nicht mit der CSU
Oder Urwahlen zur Kanzlerkandidatur, wie das die Junge Union beantragt hat? „So richtig ist der Weg der SPD bei solchen Fragen nicht so das totale Vorbild für uns“, spöttelt Söder. „Außerdem würd’n wir auch noch so’n kleines bisschen mitreden als CSU.“ Auch sonst sei die Sozialdemokratie wenig vorbildlich mit ihrer „Dauerdepression“: „Lädt man jemanden zu sich nach Hause ein, von dem man weiß, dass er den ganzen Abend lang jammert?“
Nein, sagt Söder, die Union müsse anders auf die Bürger zugehen, als „Botschafter eines Willens und einer Begeisterung“ über sich selbst. „Wir sind die Stärksten und wollen es bleiben!“, ruft er. „Ich finde nicht, dass unser Akku leer ist“ – kleine Kunstpause – „meiner jedenfalls nicht“.
Der Zündfunke springt über. Kramp-Karrenbauer kommt mit ihrem Dank kaum durch: „Wir sind die starke Mitte in Deutschland“, variiert sie ihr Parteitagsmotto, „nicht mit Fragezeichen, nicht mit Punkt – mit Ausrufezeichen!“ Das Ausrufezeichen winkt gleich noch mal kurz in den Saal.
Kubans Versuch scheitert
Ob der JU-Vorsitzende Tilman Kuban auch so anhaltend applaudiert hat, war von hinten nicht zu erkennen. Aber er hätte spätestens seit Söders Auftritt wissen können, dass sich auch der Versuch der Jungkonservativen erledigt hatte, Kramp-Karrenbauer mittels einer Urwahl aus dem Kanzlerkandidaten-Rennen zu schubsen.
Kuban versucht es trotzdem. Doch weder laute Stimme noch offenes Hemd tragen dem Niedersachsen mehr als ein paar Hände Beifall ein. Philipp Amthor, der auch jungkonservativ ist, aber klüger, unternimmt einen allerletzten Versuch: Ob man nicht den Urwahl-Antrag und Anträge zur Mitgliederbefragung an die Satzungskommission überweisen könne wie den Quoten-Antrag der Frauen?
Aber auch der taktische Rückzug kommt viel zu spät. „Nein, wir wollen hier eine Sachentscheidung treffen“, sagt Sitzungsleiter Daniel Günther. Kuban fordert geheime Abstimmung. „Machen wir“, knurrt Günther.
Die Abfuhr für die Anträge fällt deutlich aus: 80 Prozent gegen alle Versuche, der Parteiführung die Entscheidung für die Kanzlerkandidatur aus der Hand zu nehmen. Kramp-Karrenbauer, heißt eine ziemlich einhellige Analyse der zwei Tage, stehe nach diesem Parteitag nicht besser da als vorher. Immerhin in diesem wichtigen Punkt stimmt das aber ausdrücklich nicht.