„Superwoman Day“ statt Frauenquote: Die Frauen-Union macht einen Rückzieher
Auf dem Bundesparteitag der CDU soll nicht gestritten werden, zumindest nicht über die Frauenquote. Eine Kommission soll nun offenbar über das Thema beraten.
Ginge es nach Wiebke Winter, 23, wäre das Thema Frauenquote bald abgeräumt. Die Landesvorsitzende der Jungen Union Bremen würde auf dem am Freitag beginnenden CDU-Parteitag gern gegen den entsprechenden Antrag sprechen, sagt sie. Doch Winter ist in Leipzig keine Delegierte. Und über den Antrag der Frauen-Union (FU) wird voraussichtlich erst gar nicht diskutiert. Wie der Tagesspiegel aus Parteikreisen erfuhr, erklärte sich der Bundesvorstand der FU am Donnerstagmittag dazu bereit, das Thema an eine Kommission zu verweisen. Der Quoten-Streit ist damit vorerst vertagt.
Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer, die nach Angaben von Teilnehmerinnen bei der Sitzung dabei war, dürfte erleichtert sein. Auch so hat sie auf dem Parteitag genug zu tun. Ihr Rivale Friedrich Merz hat für Freitagvormittag eine Rede angekündigt, gerade bahnt sich ein Streit über den chinesische Technologie-Konzern Huawei an. Bei der Quote hätte sich Kramp-Karrenbauer klar positionieren müssen – zu sehr haben die Parteifrauen sie bei ihrem Aufstieg unterstützt. Doch die Frauenquote hat in der CDU vermutlich noch mehr Kritiker als die oft glücklos wirkende Vorsitzende. Selbst Befürworter sagen, dass im Falle einer Abstimmung eine Niederlage wahrscheinlich sei.
Vor allem junge CDU-Frauen sind gegen Quote
Die Geschlechter-Debatte ist in der CDU längst Symbol für grundsätzliche Konflikte. Wie hält man es mit der Parteivorsitzenden? Wie offen ist man für weitere Modernisierungen? Nicht zuletzt ist es aber eine Generationenfrage. Gerade der Parteinachwuchs ist beim Thema Quote oft kritisch.
Winter, die gerade in Medizinrecht promoviert, leitet den Bundesarbeitskreis „Frauen“ der Jungen Union. In ihrem 70-köpfigen Netzwerk kenne sie keine, die für eine verpflichtende Regelung sei, sagt sie. Stattdessen setzt die Gruppe unter dem Hashtag #MehrMädels darauf, dass freiwillig mehr Frauen kandidieren. Auf Parteitagen verteilen sie Sticker, auf Instagram porträtieren sie junge Vorbilder. „Ich will keine Quotenfrau sein“, sagt Winter. Und: „Ich würde mich nicht als Feministin bezeichnen. Ich bin einfach für Gleichberechtigung.“
Bei der Frauen-Union sieht man das inzwischen anders. Die Organisation hat sich in den vergangenen Jahren zur wichtigsten Fürsprecherin für eine echte Quote in der CDU entwickelt. „Vor 20 Jahren hätte ich das auch noch nicht gedacht”, sagt Elisabeth Motschmann. „Aber es geht nicht mehr ohne.“
„Alle Argumente liegen auf dem Tisch“
Die 67-Jährige ist seit 1991 Abgeordnete, wie Wiebke Winter lebt sie in Bremen. In ihrer politischen Karriere war Motschmann mehrfach Staatsrätin und Spitzenkandidatin. Sie sitzt im Bundesvorstand von CDU und Frauenunion. Inzwischen sind sie und ihr Mann achtfache Großeltern. Wenn es um um Abtreibungen geht, ist Motschmann immer noch christlich-konservativ. Doch bei der Quote plädiert sie heute für feste Regeln und im Zweifel auch Sanktionen. So wie sie denken viele ältere Frauen in der Union. Anfang der Woche forderte Ex-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth im Tagesspiegel eine rasche Entscheidung: „Alle Argumente liegen auf dem Tisch.“
In ihrem Antrag fordert die Frauen-Union fordert das Reißverschluss-Prinzip bei Listen-Aufstellungen und eine Quote von 30 Prozent. „Es darf keine Ausreden mehr geben“, sagt Quoten-Befürworterin Motschmann. Bislang sind die 30 Prozent nur freiwillig.
Im Frühjahr schrieb Motschmann den JU-Frauen, dass sie sich ein Treffen wünsche. Es wurde ein Streitgespräch verschiedener Generationen. Ohne Kompromiss. „Ich war früher auch so“, seufzt die 67-Jährige. „Wir brauchen keine Quote. Frauen müssen sich selbst einbringen, vielleicht müssen wir mehr zu Kandidaturen ermutigen“, erwidert Wiebke Winter. In einer Partei mit 26 Prozent Frauenanteil die Hälfte der Plätze an Frauen zu vergeben sei jedoch unfair.
Quoten-Diskussion der CSU wurde zum Fiasko
Wie schnell die Diskussion kippen kann, zeigte sich Mitte Oktober in München. Beim CSU-Parteitag wollten die Bayern beim Thema Gleichstellung vorangehen. Am Ende wurde es fast ein Fiasko. Während mächtige Bezirkschefs und Parteilieblinge wie Ilse Aigner, Andreas Scheurer, Barbara Stamm oder Manfred Weber für die Quote ins Feld zogen, argumentierten Kreisvorsitzende und JU-Frauen dagegen. Am Ende musste Parteichef Söder einen Kompromiss vorschlagen. Die Quote auf Kreisebene ist jetzt nur noch freiwillig.
Das Thema ist längst Teil einer grundsätzlichen Diskussion in der Union, wie es weitergehen soll. Die beiden Parteien müssen sich gleichzeitig zwischen Grünen und AfD behaupten. Der Spielraum in der Mitte der Partei ist wieder kleiner geworden. Männer wie Friedrich Merz und JU-Chef Tilman Kuban stehen für den verbreiteten Wunsch nach einem Abkehr von zu viel Modernität. Andere halten erbittert dagegen. Der Ton ist inzwischen oft rau.
Gerade in der JU scheint es unpopulär, sich mit den älteren Frauen zu verbünden. Man wolle mit der #MehrMädels-Kampagne nicht wie die junge Frauen-Union wirken, sagt Winter. Dennoch sei sie sich bewusst, dass es strukturelle Probleme und Männerklüngel in ihrer Partei gebe. „Als Kind dachte ich, ich bin Pippi Langstrumpf und alles ist möglich. Heute weiß ich, dass das nicht immer so einfach ist.“
„Gegen die gläserne Decke stoßen wir alle“
Erfahrene Parteifrauen, mit denen man spricht, erkennen an, dass die jungen Quoten-Gegnerinnen fleißig seien, finde sie aber naiv. „Alle denken, dass sie es alleine schaffen“, sagt eine FU-Frau, die als Unternehmerin tätig ist. „Ich bin hochqualifiziert und habe mehr als zwei Jahrzehnte politische Erfahrung. Aber gegen die gläserne Decke stoßen wir alle.“
Das Thema dürfte die Partei spätestens im kommenden Jahr wieder einholen, wenn die geplante Kommission ein Ergebnis vorlegen muss. Die JU-Frauen hoffen, dass sie bis dahin zeigen können, dass es auch ohne Quote geht. Ein Vorbild könne die Politik von Sebastian Kurz sein, findet Wiebke Winter. Dieser habe die Österreichische Volkspartei wieder für junge Frauen wählbar gemacht. Die Generalsekretärin des ÖVP-Nachwuchses, Laura Sachslehner, sei eines ihrer Vorbilder, sagt Winter. Mit ihren roten Haaren, den großen Ohrringen und dem lockeren Auftritt stehe sie für zeitgemäße Politik: „Konservativ und weiblich sein, das schließt sich nicht aus.“
An diesem Wochenende organisiert die ÖVP einen eigenen Kongress für junge Frauen. Zufälligerweise findet der sogenannte „Superwoman Day“ zeitgleich zur Quoten-Diskussion auf dem Leipziger CDU-Parteitag statt. Von der Frauenquote findet sich in der Einladung nichts, dafür gibt es ein „Buddy-Programm“ und einen Vortrag von Silvia Schneider, die als Fernseh-Moderatorin und langjährige Freundin von Andreas Gabalier bekannt ist. Auch Männer sind willkommen. Wiebke Winter hofft, dass sie die Veranstaltung im kommenden Jahr nach Deutschland holen kann.