Krankenhausreform: Weniger Betten, mehr Personal
Bund und Länder haben sich auf die lang geplante Reform der Kliniklandschaft geeinigt. Mit einer Milliarde Euro sollen defizitäre Häuser zu Ambulanzzentren umgebaut werden. Leistungen sollen auch nach ihrer Qualität bezahlt werden. Und es soll Geld für mehr Pflegekräfte geben.
Was sinnvoll ist, kommt wieder. Zum Beispiel das, was manche respektlos eine Abwrackprämie für unrentable Krankenhäuser nennen. Eine halbe Milliarde Euro wollten CDU und SPD den Ländern für die Umwandlung von defizitären Kliniken in ambulante Versorgungs- und Pflegezentren zuschießen, das Projekt stand bereits im Entwurf des Koalitionsvertrages. Dass es dort wieder herausflog, lag am Widerstand der CSU und der Knausrigkeit von Finanzpolitikern.
Der finanzielle Anreiz soll es richten
Nun wird der so genannte Strukturfonds zum Ab- und Umbau überflüssig gewordener Kliniken doch noch aufgelegt. Er findet sich in den Eckpunkten für eine Krankenhausreform, auf die sich die zuständige Bund-Länder-Kommission nach langen Beratungen am Donnerstagabend verständigt hat und die 2016 in Kraft treten soll. Für die erwünschten Strukturbereinigungen sollen 500 Millionen Euro aus den Rücklagen des Gesundheitsfonds fließen – wenn die Länder dafür noch mal die gleiche Summe locker machen. Und zwar „nicht anstelle, sondern zusätzlich“ zur ihnen obliegenden Investitionsförderung, wie es in der Vereinbarung ausdrücklich heißt.
Unterm Strich – und das wird die Skeptiker überzeugt haben – dürfte sich der finanzielle Anreiz rechnen. In keinem anderen OECD-Land gibt es, bezogen auf die Bevölkerungszahl, mehr Klinikbetten. Und die Annahme, dass sich der beständige Mengenanstieg bei Klinikbehandlungen und Operationen auch auf ein Überangebot zurückführen lässt, ist nicht abwegig. Schließlich bemüht sich jedes der knapp 2000 Häuser hierzulande um optimale Auslastung – und fast die Hälfte steckt in roten Zahlen.
Spezialisierung ist gefragt
Nicht alle sollen alles machen, lautet das Credo der Reformer. Dahinter steckt die Sorge vor unnötigen Operationen – und das Mühen um Qualitätsverbesserung. Ersteres soll über ein weiter entwickeltes Zweitmeinungsverfahren unterbunden werden, letzteres über die Bezahlung. Wer besonders„außerordentlich gute Qualität“ abliefere, könne mehr bekommen, Bei „besonders schlechter Qualität“ soll es, wenn sie nicht binnen Jahresfrist abgestellt wird, Abschläge geben. Dadurch werde „schlechte Qualität zwar nicht besser, aber seltener“, meint Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD), die derzeitige Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz der Länder.
Die Daten soll das neue Qualitätsinstitut des Gemeinsamen Bundesausschusses liefern. Und um die erwünschte Spezialisierung zu befördern, wollen die Reformer auch den Einstieg in so genannte Selektivverträge wagen. Für mengenanfällige Leistungen mit großen Qualitätsunterschieden – gedacht ist etwa an Hüft- und Knieoperationen – können die Kassen mit geeigneten Kliniken dann auch Einzelverträge abschließen.
Mehr Pflegekräfte
Doch nicht nur teuren Überkapazitäten wollen Bund und Länder begegnen, sondern auch dem Gegenteil davon. Die Rede ist von dem mitunter schon als patientengefährdend beschriebenen Mangel an Pflegekräften. Während die Fallzahl in den vergangenen zehn Jahren um eine Million und die Zahl der Klinikärzte um etwa 30 000 gestiegen ist, wurden im gleichen Zeitraum rund 25 000 Pflegestellen in den Kliniken abgebaut – trotz Arbeitsverdichtung durch kürzere Liegezeiten und immer mehr multimorbide Patienten.
Mit einem Förderprogramm sollen nun wieder mehr Pflegekräfte in die Kliniken geholt werden. 660 Millionen Euro stellt die Koalition dafür, auf drei Jahre verteilt, zur Verfügung – und zwar ausschließlich für „Pflege am Bett“. Und bis Ende 2017 soll ein Expertengremium ermitteln, ob die Fallpauschalen nicht auch stärker nach dem jeweiligen Pflegeaufwand differenziert werden müssen. Schließlich sei nach demselben Eingriff für einen 80- jährigen Demenzkranken mehr Betreuung nötig als für einen 30-jährigen, hieß es.
Geplant ist zudem, die Kliniken gezielter nach Ausrichtung und Angebot zu honorieren. Das betrifft spezialisierte Zentren und Unikliniken, die mit ihren Ambulanzen aus der Patientenversorgung nicht mehr wegzudenken sind. Es bezieht sich aber auch auf die Notfallversorgung. Bisher habe es sich wegen des hohen Aufwandes für manche Häuser regelrecht „gelohnt, daran nicht teilzunehmen“, kritisierten Experten. Künftig soll sich die bereitgestellte Infrastruktur für die Betreiber auch rechnen.
Rainer Woratschka