Katalonien-Krise: Wem folgen die katalanischen Polizisten?
Spaniens Zentralregierung übernimmt die Amtsgeschäfte in Barcelona: Nun droht Streik - und Belgien bietet Separatisten schon mal Asyl an. Wem folgt die katalanische Polizei?
Nach ohnehin turbulenten Wochen droht die Lage in Katalonien vollends zu eskalieren. Die linksradikale CUP, die der katalanischen Regierungskoalition in Barcelona angehört, rief dazu auf, „die Republik auf der Straße zu verteidigen“ – und spielt so nicht nur auf den Bürgerkrieg in den Dreißigern an, in dem der antifaschistische Widerstand in Katalonien am stärksten war, sondern auch darauf, dass viele Katalanen den König im fernen Madrid ablehnen.
An diesem Montag will die erste Gewerkschaft streiken. Noch am Sonntag zogen prospanische Demonstranten durch Barcelona und forderten die Verhaftung solcher Separatisten. Zeigen wird sich in den nächsten Tagen, wie die rechtskonservative Zentralregierung in Madrid die katalanische Verwaltung zu übernehmen gedenkt: Am Sonntag erklärte das Madrider Innenministerium bereits, man habe Parteizentralen, Häfen und Gerichte sichern lassen.
Kataloniens Regionalpolizei - was tun die 17.000 Mossos?
Dies bedeutet nicht, dass die 200.000 Bediensteten Kataloniens ab Montag wie üblich arbeiten. Nicht nur die schätzungsweise bis zu drei Millionen Katalanen, die sich die Unabhängigkeit wünschen, sondern auch die Entscheider in Madrid fragen sich nun: Wem folgen die katalanischen Polizisten?
Kataloniens 17.000 Regionalpolizisten, die Mossos genannt werden, sind sich in der Unabhängigkeitsfrage so uneinig wie die Gesamtgesellschaft. Letztlich funktioniert Katalonien schon heute zuweilen wie ein eigener Staat – mit eigener Sprache, selbst wenn die Katalanen auch Spanisch können, zudem kämpferischeren Gewerkschaften, linkeren Parteien und einer oft proseparatistischen Lehrerschaft. Zudem herrscht eine gewisse polit-kulturelle Nähe zu Frankreich, wo ebenfalls Katalanen leben, dazu werden eigene Auslandsbüros unterhalten.
Das alles sind Faktoren, die es den spanischen Behörden schwer machen könnten, Schulen, Polizeiwachen, Häfen ohne Widerstand zu betreiben. Die Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte deshalb schon zum Referendum am 1. Oktober die paramilitärische Bundespolizei, die Guardia Civil, nach Katalonien entsandt. Tausende Beamte sind dort seitdem in Bundesgebäuden und auf Schiffen untergebracht. Von prospanischen Demonstranten werden die Männer der Guardia Civil bejubelt, die katalanischen Mossos hingegen beleidigt. Separatistische Demonstranten wiederum handhaben das umgekehrt.
In Katalonien genießen die Mossos inzwischen einen guten Ruf. Sie sollen nach dem islamistischen Massaker im August in Barcelona, bei dem 14 Opfer starben, kompetent und zügig die Terroristen gesucht haben. Weil sich die Mossos gegen Separatisten zurückhielten, muss sich ihr Chef, Josep Trapero, vor dem Nationalen Gerichtshof in Madrid verantworten.
Belgischer Staatssekretär bietet Carles Puigdemont Asyl an
Dies droht auch Carles Puigdemont. Der sozialliberale Chef der Regionalregierung ist spanischem Recht zufolge seit Samstag entmachtet. Als er in Katalonien die Unabhängigkeit verkündete, hatte die Zentralregierung den Notstand-Verfassungsparagrafen 155 wirksam werden und für den 21. Dezember Neuwahlen ansetzten lassen. Die kämen einer indirekten Volksabstimmung über die Frage nach einem eigenen Staat gleich.
Im schlimmsten Fall drohen dem abgesetzten Puigdemont wegen „Rebellion“ 30 Jahre Haft. Puigdemont selbst forderte die Separatisten zwar zu friedlichem Widerstand gegen die Zwangsverwaltung auf. Dass er sich trotz aktueller Bilder, die ihn lächelnd in seinem Heimatdorf zeigen, vor Madrids Beamten fürchtet, ist bekannt: Seit Wochen begleiten ihn zusätzliche Leibwächter. Hält er sich nicht in seinem geschützten Amtssitz auf, wechselt Puigdemont die Autos, um Verfolger abzuschütteln.
Der belgische Staatssekretär für Asyl und Migration, Theo Francken, sagte am Sonntag: Katalanen, die sich politisch verfolgt fühlten, könnten in Belgien um Asyl ansuchen. Belgien ist eines der wenigen Länder der Europäischen Union (EU), in dem Bürger anderer EU-Staaten Asyl beantragen können. Zuvor hatten Aktivisten in Südfrankreich gesuchten Katalanen dort Exil angeboten.
Verlieren die Separatisten? Doch was ist mit 720 separatistischen Gemeinden?
Inzwischen scheint auch die Unterstützung für die Separatisten in Katalonien zu schwinden. Einer am Sonntag veröffentlichten Umfrage für die Zeitung „El Mundo“ zufolge liegen die drei um Unabhängigkeit kämpfenden Parteien zusammen bei maximal 43 Prozent der Stimmen. Allerdings wurde die Umfrage vor dem Notstandsakt vom Wochenende begonnen. Von 950 Bürgermeistern der Region hatten 720 die Gründung einer katalanischen Republik unterstützt, indem sie trotz Verbots aus Madrid am 1. Oktober ihre Räume als Wahllokale zur Verfügung stellten.
Unbestätigten Angaben zufolge planen einige von ihnen, ein Parallelparlament einzurichten. Dort könnten die Abgeordneten der von Madrid aufgelösten Volksvertretung in Barcelona tätig werden. Madrid droht denjenigen, die sich der Neuwahl im Dezember verweigern, mit Entlassung.
Besorgt zeigten sich Spaniens katholische Bischöfe. Der Chef der Bischofskonferenz, Kardinal Ricardo Blazquez, begrüßte Medienberichten zufolge die „Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung“ durch Madrid. Die Kirche hat in Katalonien traditionell weniger Einfluss als in Zentralspanien.