zum Hauptinhalt
Die deutsche Mannschaft - glücklich nach dem Finalsieg
© Reuters

WM 2014: Nationalelf in Berlin: Weltmeister sein mit Leib und Seele

Der Pokal strahlt. Doch die Weltmeistermannschaft bringt heute auch einiges nach Berlin mit, das sich nicht anfassen lässt.

Die Weltmeister kommen, sie feiern weiter in Berlin, und nach so einer langen Reise darf man fragen: Was haben sie uns eigentlich mitgebracht? Den bedeutendsten Pokal des Sports werden sie herumzeigen, bestimmt mit jugendlichem Stolz wie etwas, für das sie so viel Kraft und Konzentration angespart hatten. Ihr wertvollstes Mitbringsel dagegen haben sie gut in Gesten und Worte eingepackt. Der Teamgeist lässt sich nicht anfassen wie ein Pokal, aber er strahlt noch stärker als eine Trophäe aus Gold.

Die Fußball-Nationalelf ist in Brasilien nicht einfach so Weltmeister geworden durch ein Tor im Finale – ein besonders schönes übrigens. Die herausragende Leistung dieser Mannschaft und ihres Trainerstabs ist ihr Zusammenhalt. Den Teamgeist haben sie erst beschworen, dann gehütet und gepflegt, bis er immer weiterwuchs, ganz organisch. Seine Verästelungen durchdrangen auch jenes feste Bild der spielenden Jungunternehmer, die auf dem Fußballfeld nur für maximalen Eigenprofit kämpfen. Im Finale stand er dann in voller Blüte.

Götzes Moment im Finale

Von jedem großen Triumph im Fußball ist eine Ableitung auf Land und Leute möglich, das fing 1954 in Bern an, und 2006 bei der WM im eigenen Land reichte es zwar nicht zu einer sportlichen Überraschung, dafür aber zu einer gesellschaftlichen: Die Leichtigkeit kann auch die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen. Nun also Rio 2014. Ein Sieg des Pluralismus. Denn in dieser Mannschaft fand jeder seinen Platz, konnte jeder etwas beitragen, war jeder auf seine Art wichtig.

Es gibt in dieser Mannschaft genauso Kämpfer wie Mats Hummels oder Benedikt Höwedes wie filigrane Techniker, die bisweilen einen Kringel zu viel drehen. Mario Götze zum Beispiel. Im Turnier spielte Götze lange nicht die entscheidende Rolle. Andere arbeiteten und wühlten sich von Runde zu Runde, er musste dabei oft von der Ersatzbank aus zuschauen, aber sein Moment kam noch. Im Finale erzielte Götze das Siegtor, nicht nach einem Kringel, sondern einem Schuss aus der Drehung, zu dem eine Menge Entschlossenheit gehört.

Beschwipst, beseelt - aber nicht durchgedreht

Teamgeist bedeutete für die Nationalspieler nicht, sich für den Erfolg unterzuordnen in Hierarchien altdeutscher Art – es reichte schon das Einordnen in eine Gruppe, in der jeder auf seine Weise gebraucht wurde. Es gab in dieser Mannschaft auch einen Generationenvertrag. Miroslav Klose spielte mit 36 Jahren noch einmal mit und traf im Team auf Spieler, die ganz anders aufgewachsen sind, Spieler der Generation „Selfie“, die ein völlig anderes und vor allem digitales Mitteilungsbedürfnis haben. Gut gespielt haben sie aber erst zusammen.

Die Erfahrungen der Weltmeister kann jeder nun mit seinem Bild dieser Gesellschaft abgleichen. Und diskutieren, wie viel von diesem Land in der Mannschaft steckt und was aus dieser Mannschaft und ihrer Leistung noch als Botschaft ausgehen könnte. Der Teamgeist dürfte dabei die stärkste sein. Es gibt noch mehr Transfers, etwa vom starken Mittelfeld zum Mittelstand. Oder wie viel sich in Wirtschaft und Gesellschaft erreichen lässt, wenn man projektorientiert arbeitet.

Diese Debatte könnte auch deshalb eine spannende und gewinnbringende sein, weil das Land nach dem WM-Sieg nicht durchgedreht ist. Sich nicht vollkommen besoffen hat, sondern einfach nur ein bisschen beschwipst war – und auch beseelt. Das kann es ruhig noch etwas bleiben.

Zur Startseite