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Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny bei der Urteilsverkündung.
© AFP

Von Appellen bis zu harten Sanktionen: Welche Optionen die Europäer im Fall Nawalny haben

Mahnende Worte, ein Verfahren im Europarat, Kontensperrungen und ein Baustopp für Nord Stream 2 – diese Reaktionen sind im Fall Nawalny im Gespräch.

Das Urteil gegen Alexej Nawalny hat weltweit Empörung ausgelöst. Der russische Oppositionspolitiker muss für mehr als zweieinhalb Jahre ins Straflager. Nun wird darüber diskutiert, wie eine angemessene Antwort Deutschlands und der EU aussehen könnte. Ein Überblick über Optionen und Positionen:

Appelle an die russische Führung

Die Kanzlerin persönlich rufe dazu auf, Nawalny freizulassen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch. Zuvor hatte bereits Außenminister Heiko Maas das Urteil als „herben Schlag“ gegen Freiheitsrechte und Rechtsstaatlichkeit in Russland bezeichnet.

„Alexej Nawalny muss unverzüglich freigelassen werden“, sagte Maas. Auch der britische Premier Boris Johnson und der designierte US-Außenminister Antony Blinken forderten die sofortige Freilassung Nawalnys.

Dass sich Minister und Regierungschefs selbst zu Wort melden und deutlich positionieren, zeigt, welche Bedeutung dem Fall Nawalny beigemessen wird. In Deutschland fordern alle im Bundestag vertretenen Parteien mit Ausnahme der AfD Nawalnys Freilassung. Die SPD-Chefin Saskia Esken nannte das Urteil „reine Willkür“. Doch dass bloße Appelle an die russische Führung Wirkung zeigen könnten, gilt als ausgeschlossen.

Reaktion im Europarat

Russland gehört dem Europarat an, einer Organisation, die sich der Einhaltung der Menschenrechte in ihren 47 Mitgliedsstaaten widmet. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), die vielleicht wichtigste Institution des Europarates, hat bereits 2017 eine Entscheidung getroffen, die für den Fall Nawalny von großer Bedeutung ist.

Der Oppositionsführer wurde wegen Missachtung von Bewährungsauflagen verurteilt, die auf ein Betrugsverfahren im Jahr 2014 zurückgehen. Der EGMR hatte jenes Verfahren „willkürlich“ genannt und einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention festgestellt.

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Mitglieder des Europarates sind verpflichtet, die Urteile des EGMR umzusetzen. Kommt ein Staat dieser Verpflichtung nicht nach, kann das Ministerkomitee einschreiten und ein Verfahren nach Artikel 46 der Menschenrechtskonvention eröffnen. Sollte Nawalny also in Haft bleiben, könnte Russland eine Suspendierung oder gar der Ausschluss aus dem Europarat drohen.

Hier müsste die Bundesregierung tätig werden, Deutschland hat derzeit den Vorsitz im Ministerkomitee. Bisher hat sich der Europarat aber gegenüber russischen Verstößen eher nachsichtig gezeigt, um das Land als Mitglied nicht zu verlieren. Die Parlamentarische Versammlung stimmte kürzlich trotz größerer Widerstände für eine Zulassung der russischen Abgeordneten.

Neue Sanktionen

Die EU will über Konsequenzen aus der Verurteilung Nawalnys beraten. „Weitere Sanktionen sind nicht ausgeschlossen“, sagte Seibert. Nach der Vergiftung Nawalnys mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok entschied sich die EU, sechs Personen auf die Sanktionsliste zu setzen, darunter den Chef des Geheimdienstes FSB, Alexander Bortnikow.

Sie haben Einreiseverbot, ihre Konten in der EU werden gesperrt. Die Sanktionsliste könnte nun um weitere Namen ergänzt werden. Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Johann Wadephul schlug Sanktionen gegen Richter sowie gegen Vertreter des russischen Innenministeriums vor, die für das brutale Vorgehen gegen die Protestbewegung verantwortlich sind.

Nawalny selbst plädiert dafür, Oligarchen und Funktionäre aus dem Umfeld Putins mit Sanktionen zu belegen. Eine entsprechende Namensliste veröffentlichte sein Team kurz nach seiner Festnahme, auf der Liste stehen der Oligarch Roman Abramowitsch, Alexej Miller und Igor Setschin, die Chefs von Gazprom und Rosneft, sowie die Chefredakteurin des Staatssenders RT, Margarita Simonjan. Sollte sich die EU zu einem solchen Schritt durchringen, könnte dies die Führungsriege in Moskau empfindlich treffen.

Stopp von Nord Stream 2

Die Grünen-Chefin Annalena Baerbock forderte die Bundesregierung auf, nach Nawalnys Festnahme „außenpolitisch endlich Haltung zu zeigen“ und der Pipeline Nord Stream 2 eine Absage zu erteilen. „Deutschland verliert mit jedem Tag an Glaubwürdigkeit.“ Ähnlich äußerte sich die FDP, die ein Moratorium für Nord Stream 2 fordert.

Bereits nach der Vergiftung des russischen Oppositionsführers im vergangenen Jahr waren Forderungen nach einem Stopp der Pipeline Nord Stream 2 laut geworden. Die Bundesregierung hatte zwar zunächst signalisiert, auch diese Option liege auf dem Tisch, bekräftigte später aber, dass sie an der umstrittenen Pipeline festhalten will. Auch jetzt gibt es keinerlei Anzeichen, dass die Bundesregierung von dem Projekt abrücken könnte, obwohl sich auch die französische Regierung dafür ausspricht. Die Haltung der Bundesregierung sei bekannt und habe sich nicht geändert, sagte Seibert am Mittwoch. Claudia von Salzen

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