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Holger G. im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München - er gesteht die Hilfeleistungen, will aber nichts von den Morden gewusst haben.
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Die Rolle von Holger G.: Weiteres Geständnis im NSU-Prozess

Freundschaftsdienste, so beurteilt Holger G. im Münchner Prozess seine Rolle gegenüber dem NSU-Trio - vor Gericht gesteht er die Hilfeleistungen. Doch von den Morden und Raubüberfällen will er nichts gewusst haben.

Er redet hastig und schwitzt. „Zunächst möchte ich den Angehörigen der Opfer mein tief empfundenes Mitgefühl zum Ausdruck bringen“, sagt Holger G. und beginnt so am Donnerstag im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München sein Geständnis. „Ich selbst bin entsetzt über das Ausmaß und das Leid, welches diese sinnlosen Taten über die Opfer und ihre Familien gebracht haben.“ Der kräftige, 39 Jahre alte Angeklagte holt tief Luft, „ich bin bereit, Verantwortung zu übernehmen“. Allerdings nicht im Sinne der Anklage. Die ihm vorgeworfenen „subjektiven Handlungen“ habe er begangen, gibt G. zu, aber sein Tatbeitrag sei „nicht derjenige, wie ihn der Generalbundesanwalt in seiner Anklageschrift darstellt. Es stimme nicht, dass er Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe geholfen habe, „um einer Terrorzelle das Morden aus dem Untergrund zu ermöglichen“.

Holger G. liest das Geständnis vom Papier ab. Der Angeklagte war mit dem Trio vor dessen Gang in den Untergrund in der rechten Szene in Jena aktiv, 1997 zog er nach Hannover. Er will die von dort aus geleistete Hilfe „für die drei“ als Freundschaftsdienst verstanden wissen, ohne jede Kenntnis von den Morden, Sprengstoffanschlägen und Raubüberfällen des NSU.

Der Ex-Neonazi zählt auf, was er alles für Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe getan hat. Er habe 2001 von ihnen 10 000 D-Mark angenommen, um den Betrag als „Depot“ zu verwalten, aber das Geld dann selbst ausgegeben. Vor dem Geständnis schilderte G. dem Strafsenat bei der Befragung zur Person seine Spielsucht. Die drei hätten es akzeptiert, dass der Betrag weg war, sagt er. Im Jahr 2001 ließ G. für den ihm ähnlich sehenden Uwe Böhnhardt einen Reisepass anfertigen. Als der 2011 ablief, half G. wieder. 2004 meldete G. wahrheitswidrig seinen Führerschein verloren, ließ sich einen neuen ausstellen und übergab ihn Böhnhardt.

NSU-Trio nutzte Führerschein von Holger G.

Der nutzte den Führerschein laut Bundesanwaltschaft, um Wohnmobile für die Fahrten zu insgesamt 13 Verbrechen zu mieten. 2006 kaufte G. einer Bekannten für 300 Euro ihre AOK-Versichertenkarte ab. Zschäpe habe ihm telefonisch über Probleme am Unterleib berichtet und die Karte für einen Arztbesuch gebraucht. „Beate hat mir leid getan“, sagt Holger G.

Er gibt auch zu, dass er die drei einmal pro Jahr in Hannover oder an einem ihrer Urlaubsorte für „Systemchecks“ traf. Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe erkundigten sich bei G. nach Änderungen in seinem Leben, um gewappnet zu sein, sollten sie irgendwo Fragen zu den auf G. lautenden Ausweispapieren beantworten müssen. Und G. berichtet, er habe 2000 oder 2001 vom Mitangeklagten Ralf Wohlleben eine Schusswaffe bekommen und sie nach Zwickau gebracht, wo sich das Trio versteckte. Zschäpe habe ihn am Bahnhof abgeholt, in der Wohnung der drei habe einer der beiden Uwes die Pistole durchgeladen.

Diese Tat ist allerdings verjährt, da die Ermittler die Waffe keinem Verbrechen des NSU zuordnen können. G. erwähnt die Geschichte trotzdem. Er beendet sein Geständnis mit den Worten, was geschehen sei, tue ihm „fürchterlich leid“ und er wolle sich dafür entschuldigen. Danach ist G. so geschafft, dass er keine Fragen beantworten will und der Vorsitzende Richter Manfred Götzl die Verhandlung bis kommende Woche unterbricht.

Die Hinterbliebenen haben ihre Zweifel am Unwissen von Holger G.

Die am Donnerstag zum Prozess gekommenen, wenigen Hinterbliebenen von Mordopfern des NSU, weisen die Entschuldigung zurück. „Es war nicht glaubwürdig“, sagt vor dem Eingang zum Gericht die Tochter des 2005 in Nürnberg erschossenen Ismail Yasar. Holger G. habe „uns nicht in die Augen geguckt“. Der Anwalt von Gamze Kubasik sagt, seine Mandantin nehme G. nicht ab, dass er eine scharfe Waffe besorgte, ohne zu ahnen, wofür.

Der Mitangeklagte Carsten S. hatte Montag und Dienstag bereits ein Geständnis abgelegt. Auch S. sagte, er habe nicht gewusst, dass er einer Terrorzelle half. Beide Angeklagte versuchten, den Vorsatz ihrer Taten „wegzureden“, sagt am Donnerstag ein Sprecher der Bundesanwaltschaft. Carsten S. hatte Mundlos und Böhnhardt die Pistole Ceska 83 überbracht, mit der die beiden Neonazis neun Migranten erschossen. Da S. wie auch Holger G. bereits im Ermittlungsverfahren ihre Taten zugegeben und Mitangeklagte belastet hatten, werden sie vom Bundeskriminalamt versteckt, um Racheaktionen der rechten Szene vorzubeugen. Holger G. hat allerdings Beate Zschäpe deutlich stärker belastet als Carsten S. Dieser wollte Zschäpe nur einmal kurz in Chemnitz gesehen haben, vor der Übergabe der Ceska an die beiden Uwes in einem Abbruchhaus.

Frank Jansen

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