NSU-Prozess: Angeklagter Carsten S.: "Die Dönerbude war ein gewisses Feindbild"
Carsten S. ist im NSU-Prozess wegen Beihilfe zum Mord angeklagt. Im Gerichtssaal redet sich der 33-jährige Sozialpädoge gleich eine Reihe weitere Straftaten von der Seele - die jedoch inzwischen verjährt sind.
Er wirkt offen, auch naiv und bekennt sich freimütig zu seiner Homosexualität. Es fällt schwer, sich Carsten S. als gewalttätigen Rechtsextremisten vorzustellen, doch genau das ist der Angeklagte in seinem früheren Leben gewesen. Am Mittwoch hat der 33-jährige Sozialpädagoge im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München zugegeben, an Attacken auf Nazigegner und Dönerimbisse beteiligt gewesen zu sein. Carsten S. musste das nicht erzählen, die Bundesanwaltschaft wirft ihm eine andere, allerdings gravierende Straftat vor, die Beihilfe zu neunfachem Mord. Carsten S. hatte schon bei den Ermittlungen gestanden, im Frühjahr 2000 Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt die Pistole Ceska 83 übergeben zu haben, mit denen die beiden Männer neun Migranten erschossen. Doch in der langen Aussage, die S. am Dienstag begann und am Mittwoch fortgesetzt hat, redet er sich auch weitere Untaten von der Seele.
Im Jahr 1998, genauer weiß es Carsten S. nicht mehr, hat er in Jena mit Kumpanen zwei Männer verprügelt. Einer der beiden hatte einen Rechten als Nazi bezeichnet, das reichte für einen Angriff. „Ich habe einmal zugetreten“, sagt Carsten S., „oder zweimal“. Ein paar Tage danach habe die örtliche Zeitung berichtet, „dass die schwer verletzt wurden“. Carsten S. kam jedoch ohne Strafe davon, ebenso wie nach den Aktionen gegen Dönerimbisse. Er und seine Freunde hätten nachts „eine mobile Dönerbude umgeworfen“, sagt S., „das war eine lustige Aktion“. Mehrmals seien auch bei Dönerbuden die Scheiben eingeworfen worden, „da haben wir uns einen Spaß draus gemacht“.
Eine Strafe für die Attacken muss S. nicht befürchten, die Taten sind verjährt. Carsten S. tut sich allerdings schwer, das Tatmotiv zu erklären. Mühsam ringt er sich Sätze ab wie „die Dönerbude war ein gewisses Feindbild“. Der Vorsitzende Richter des 6. Strafsenats, Manfred Götzl, will es genauer wissen. Carsten S. zögert. „Wenn da ‚ne Bockwurstbude gestanden hätte, hätten wir da nichts gemacht“, später spricht er dann noch von „Deutschtümelei“. Am Dienstag hatte er allerdings schon zugegeben, bis zu seinem Ausstieg aus der rechten Szene im Herbst 2000 immerhin bis zum Vizechef der Nachwuchsorganisation der Thüringer NPD aufgestiegen zu sein. Am Mittwoch jedoch druckst S. herum, als es um die ideologische Verblendung von damals geht. Warum, bleibt offen.
Vielleicht ist seine Naivität der Grund, vielleicht will er sie aber auch offensiv präsentieren. Als Götzl wie schon am Dienstag nochmal fragt, warum S. die Ceska an Mundlos und Böhnhardt weiterreichte, kommt die Antwort, „ich geh’ davon aus, dass ich denen helfen wollte“. So klang es auch am Tag zuvor. Was solche Hilfe bewirken sollte, sagt S. am Mittwoch wiederum nicht.