Zum 75. Geburtstag von Klaus Töpfer: Was Wissenschaft und Ethik mit Politik zu tun haben
Heiner Geißler sieht in Klaus Töpfer einen der Väter der Energiewende, der "besten Einscheidung, die eine Bundesregierung seit Jahrzehnten getroffen hat". Umweltminister Peter Altmaier verirrt sich dagegen in seiner Rede.
Klaus Töpfer habe ihn "beeindruckt, ignoriert und protegiert". Das sagte Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) am Sonntagmorgen in der Berliner Elisabethkirche bei einer von seinem Ministerium, dem Bauministerium und dem Nachhaltigkeitsrat ausgerichteten Matinée für seinen Amtsvorgänger, der am 29. Juli 75 Jahre alt geworden ist. Die Elisabeth-Kirche in der Invalidenstraße hat ein Glasdach bekommen, im Innern ist die Backsteinkonstruktion roh und unfertig. Klaus Töpfer freute sich über den Veranstaltungsort, an dem das passiere, was er als Bundesbauminister auch immer versucht habe: Es werde "Bausubstanz gerettet". Die Kirche war von Karl Friedrich Schinkel geplant worden und wird seit 1990 saniert.
Umweltminister Altmaier vergleicht Töpfer mit Sysiphos
Als Töpfer das sagte, war die Veranstaltung gemäß ihres Zeitplans längst vorbei. Doch Töpfer kam und kam nicht zu Wort. Was vor allem daran lag, dass Peter Altmaier bei seiner zehnminütigen Begrüßung einfach kein Ende fand. Nach 40 Minuten eines oft fahrigen, bemüht witzigen und zwischendurch in eine Wahlkampfrede abdriftenden Vortrags übergab Altmaier das Wort an den Hauptredner Heiner Geißler. Altmaier hatte bis dahin festgestellt, dass die deutsche Umweltpolitik seit 30 Jahren von Klaus Töpfer geprägt werde. Ausgerechnet am Beispiel einer Cola-Dose, die er in den 90er Jahren noch nicht wie Arnold Schwarzenegger zerdrücken konnte, heute aber schon, illustrierte Altmaier die Fortschritte bei der Ressourceneffizienz. Heute werde viel weniger Material benötigt, um eine Cola-Dose herzustellen. Dann verglich Altmaier seinen Vorgänger mit der griechischen Sagengestalt Sysiphos, der ständig einen Felsen einen Berg hinaufrollt, der immer kurz vor dem Gipfel wieder herunterrolle. Als Ausweis des politischen Erfolgs von Töpfer meinte Altmaier, seine Felsen rollten wenigstens nicht immer wieder ganz herunter. Aber was sollte das Gleichnis der zahlreich erschienenen Festgemeinde sagen? Gekommen waren alle, die in der Umweltpolitik und -forschung Rang und Namen haben - und sie kamen aus aller Welt. Dann behauptete Altmaier auch noch, dass Deutschland das von Töpfer und seinem damaligen Chef, Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU), gemachte Versprechen, bis 2005 den Kohlendioxid-Ausstoß im Vergleich zu 1990 um 25 Prozent zu senken, "eingehalten" habe. Was nun gerade nicht passiert ist. Zwar hat Deutschland das im Kyoto-Klimaabkommen gemachte Versprechen, bis Ende 2012 den Treibhausgasausstoß - neben Kohlendioxid (CO2) sind das auch Methan und andere klimaschädliche Gase - um 21 Prozent zu senken, eingehalten. Doch beim CO2 sieht die Bilanz deutlich schlechter aus; der CO2-Ausstoß ist im vergangenen Jahr sogar zum ersten Mal seit Jahren wieder gestiegen. Altmaier beendete seine Rede mit einem Hinweis auf seinen "Club der Energiewendestaaten". Ratlosigkeit im Saal.
Heiner Geißler, von Altmaier als "wie Töpfer ein politisches Urgestein" vorgestellt, nahm dann in seiner Würdigung kein Blatt vor den Mund. Der ehemalige CDU-Generalsekretär und als Gesundheitsminister zeitenweise Kabinettskollege von Klaus Töpfer begann seine Rede mit der Frage: "Was hat eigentlich der Peter Ramsauer hier verloren." Der Bundesbauminister von der CSU hatte übrigens mehr als eine Stunde später das letzte Wort. Und dann sei ihm wieder eingefallen, dass Töpfer ja von Helmut Kohl 1994 zum Bundesbauminister "befördert" worden war. Er wiederholte das Wort "befördert", damit auch niemandem die Ironie entging. Töpfer habe damals öffentlich gesagt, diese Entscheidung habe ihn "vorsichtig gesagt einfach umgeschmissen". Zumal er die Gründe des Kanzlers für seine Abberufung als Umweltminister nicht kenne. Doch die, sagte Geißler am Sonntag, hätten doch auf der Hand gelegen: "Töpfer hat die unglaubliche nervige Auffassung vertreten, dass Wissenschaft und Ethik mit Politik zu tun haben." Das habe die Wirtschaftslobby ungeheuer geärgert. Doch Töpfer sei "wie ich" ein "von Natur aus friedfertiger Mensch" und habe mit dem Berlin-Umzug großes geleistet. Töpfer sagte viel später, er habe als Bauminister beim Umbau der historischen Bausubstanz anwenden können, was er als Umweltminister gelernt habe. "Das ist Recycling pur."
Geißler: Geld gibt es wie Dreck. Es habe nur die falschen Leute.
Geißler beschrieb, wie schwer es für Töpfer gewesen sei, in den achtziger und frühen neunziger Jahren, der "Zeit des Privatisierungswahns" Umweltpolitik durchzusetzen. Die Wirtschaftsminister, mit denen er zu kämpfen gehabt habe, hätten Martin Bangemann, Helmut Hausmann, Jürgen Möllemann und Günter Rexrodt (alle FDP) geheißen. "Da soll es ja auch zur Zeit etliche Probleme geben", sagte Geißler mit Blick auf Peter Altmaier. Mehrfach bedauerte Geißler, dass die CDU die Umweltpolitik an die Grünen verloren habe, weil sie ihre Idee von einer "ökologisch-sozialen Marktwirtschaft bis heute nicht verinnerlicht hat". Die Energiewende, die Geißler als "die beste Entscheidung, die eine Bundesregierung seit Jahrzehnten getroffen hat" bezeichnete, diese Energiewende verdankten die Deutschen auch Klaus Töpfer, sagte er. Geißler plädierte leidenschaftlich für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, mit der die internationalen Umweltaufgaben finanzierbar würden. "Kein Geld? Eine Lüge. Es gibt Geld wie Dreck. Es haben nur die falschen Leute", sagte Geißler.
Töpfer selbst kam erst zu Wort, nachdem eine Grußbotschaft des chinesischen Ministers Wan Gang abgespielt und eine Diskussionsrunde von fünf jüngeren Leuten über die Bühne gegangen war. Er begann seine Rede mit einem Blick auf die Uhr und der Feststellung: "Ich bin die Dehnungsfuge." Töpfer freute sich vor allem über Wan Gang, der betont hatte, wie groß sein Einfluss auf die Umwelt- und Nachhaltigkeitspolitik Chinas gewesen sei - und immer noch ist. Er begeisterte sich über Karrieren, die er begleitet hat, wie die von Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) inzwischen Ministerpräsidentin des Saarlands. Sie war Töpfers Nachrückerin im Bundestag, als er nach Nairobi ging, um das Umweltprogramm der Vereinten Nationen zu führen. Oder auch die von Tanja Gönner (CDU), die bis zum Regierungswechsel in Baden-Württemberg dort Umweltministerin gewesen war, und inzwischen die deutsche Entwicklungsagentur Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) führt. Töpfer pries Paul Crutzen, den Nobelpreisträger, der auch ihn getrieben habe, ein Abkommen gegen das Ozonloch voranzutreiben. Der fast 80-jährige Crutzen zeichne sich vor allem dadurch aus, dass er um seine Verantwortung als Wissenschaftler in der Gesellschaft wisse, lobte Töpfer. Und das trifft auch auf ihn zu. Töpfer scherzte zwar, dass es wirklich anstrengend sei, 75 Jahre alt zu werden. Doch er bekannte sich auch zu seiner neu entwickelten "Alterseitelkeit". Denn inzwischen müsse er ja nicht mehr gelobt werden, dann werde es wohl ernst gemeint sein.