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Die Angeklagte Beate Zschäpe im Oberlandesgericht in München (Bayern). Vor dem Oberlandesgericht wird der Prozess um die Morde und Terroranschläge des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) fortgesetzt.
© dpa

NSU-Prozess: Was wird von Beate Zschäpe zu hören sein?

Im NSU-Prozess steht ein Paukenschlag bevor. Wenn Beate Zschäpe ihr Schweigen bricht, könnte es Überraschungen geben. Doch schon jetzt hat der Prozess Maßstäbe gesetzt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Frank Jansen

Was für ein Prozess! Seit mehr als zweieinhalb Jahren verhandelt das Oberlandesgericht München jetzt zu den Verbrechen der Terrorzelle NSU. An 247 Tagen wurden bisher mehr als 450 Zeugen gehört, außerdem reihenweise Sachverständige. Mit jedem weiteren Tag wird das Wort vom „Jahrhundertverfahren“ ein Stück mehr Realität.

Und nun steht womöglich ein Paukenschlag bevor. Beate Zschäpe will ihr Schweigen brechen. Zumindest mittelbar. Ihr neuer, junger Pflichtverteidiger Mathias Grasel soll diese Woche die „Einlassung“ der Hauptangeklagten vortragen. Wird jetzt alles anders? Legt die seit ihrer Festnahme im November 2011 eisern schweigende Frau ihre Lebensbeichte ab? Muss etwa die Geschichte der Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ umgeschrieben werden? Hat womöglich der Staat zu befürchten, dass Zschäpe sich oder Mitangeklagte oder andere Beschuldigte als V-Leute outet? Über München hinaus wird gespannt erwartet, was nun kommt.

Zschäpe wird vermutlich eher ihre spezielle Sicht auf fast 14 Jahre im Untergrund mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt präsentieren als ein Geständnis, das die massive Anklage der Bundesanwaltschaft bestätigt. Gäbe die Frau zu, Mittäterin bei zehn Morden, zwei Sprengstoffanschlägen und 15 Raubüberfällen gewesen zu sein und obendrein die Wohnung der Terrorzelle in Zwickau angezündet zu haben, müssten die Richter sie zwangsläufig zur Höchststrafe verurteilen, lebenslänglich mit besonderer Schwere der Schuld. Derartige Verbrechen sind so schwerwiegend, dass eine Strafmilderung nicht in Betracht kommt.

Beate Zschäpe wird wohl lavieren

So wird Zschäpe wohl lavieren. Ihr ist auch zuzutrauen, dass sie offene Fragen zum Verhalten von V-Leuten des Verfassungsschutzes und der Polizei nutzt, um den in der Öffentlichkeit schwelenden Verdacht anzufachen, der Staat habe mehr vom Treiben der Terrorzelle gewusst, als er zugibt. Es kann schon sein, dass nach den letzten Worten, die Anwalt Grasel verlesen hat, in einigen Medien das Affärengeschrei ausbricht. Doch selbst wenn Zschäpe unangenehme Geschichten über V-Leute präsentiert und nach ihr vielleicht auch der inzwischen ebenfalls redewillige Angeklagte Ralf Wohlleben, bleiben zentrale Erkenntnisse aus dem größten Terrorprozess seit der Wiedervereinigung unberührt.

Der Rechtsstaat hat dank der akribischen Prozessführung des 6. Strafsenats, allen voran Richter Manfred Götzl, einen großen Teil des Vertrauens zurückgewonnen, das im NSU-Schock vor vier Jahren zerstoben war. Götzl hat, trotz seines Patzers vor Beginn der Hauptverhandlung, als er ohne Not ein Phantomopfer als Nebenkläger zuließ, weitgehend souverän ein schwieriges Kapitel deutscher Justizgeschichte bewältigt. Das gilt für die aufwendige Beweisaufnahme wie für den Umgang mit einer beispiellos hohen Zahl an Nebenklägern und Anwälten. Trotz der Streitereien zwischen Götzl und Opferanwälten bleibt das juristische Instrument der Nebenklage intakt.

So wurden im NSU-Prozess rechtspolitisch Maßstäbe gesetzt. Das ist in Zeiten des Terrors, in denen sich eine Vielzahl weiterer Verfahren gegen Brandstifter und Bombenleger abzeichnet, von besonderem Wert. Und doch wird diese Woche hart für die überlebenden Opfern des NSU-Terrors und die Angehörigen der Ermordeten. Ganz gleich, was Zschäpe zu sagen hat. Sie wird wunde Seelen treffen.

Eine Chronik des NSU-Prozesses finden Sie hier.

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