G7 und die Frauenfrage: Was wir Afrikanerinnen uns vom dem Treffen erhoffen
Ein Gipfel wird die Welt nicht verändern. Aber er kann der Funke sein, der das Feuer für Geschlechtergerechtigkeit entfacht. Besser wär's. Ein Gastbeitrag.
Die Autorin ist Jugendbeauftragte der Afrikanischen Union
Die meisten Länder der Welt schränken die wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten von Frauen per Gesetz ein. Über 100 Staaten schließen Frauen explizit von bestimmten Berufen aus. In 18 Ländern dürfen Männer ihren Ehefrauen auch heute noch verbieten, überhaupt einem Beruf nachzugehen. Entsprechend beschränkt sich auch ihre Bildungsperspektiven - mit bekannten Folgen.
Wenn alle Frauen eine Grundschulbildung genießen könnten, würde die Müttersterblichkeit massiv zurückgehen. Mit höherer Bildung haben Frauen nicht nur weniger und später Kinder, sie verdienen auch mehr Geld. Geld, das sie oft in ihre Familien und Gemeinden investieren.
Gleicher Zugang zu Bildung würde Entwicklungsländern über 112 Milliarden US-Dollar mehr an Steuereinnahmen bescheren.
Was hält uns ab, die Lage der Frauen zu verbessern?
Hätten Frauen die gleichen Landnutzungsrechte wie Männer, würde dies die landwirtschaftlichen Erträge so steigern, dass damit 150 Millionen Menschen von chronischem Hunger befreit werden könnten. Es gibt tausend gute Gründe für Geschlechtergerechtigkeit und keinen einzigen dagegen.
Also: Was hält uns eigentlich davon ab, die Situation für Frauen und Mädchen zu verbessern?
Wenn man sich nur die bisher gehaltenen Reden zum Thema Gleichberechtigung anhört, könnte man den Eindruck gewinnen, sie wäre in greifbarer Nähe. Niemand wird müde zu betonen, wie wichtig es sei, Frauen und Mädchen zu stärken. Aber das sind nur Worte. Wir brauchen Taten statt Worte - und zwar jetzt.
Der französische Präsident Emmanuel Macron, Gastgeber des diesjährigen G7-Gipfels in Biarritz, hat den Kampf gegen die Ungleichheit zu seinem zentralen Thema gemacht - mit besonderem Augenmerk auf Geschlechtergerechtigkeit. Wir, als Frauen und als Afrikanerinnen , erhoffen uns darum etwas von dem Treffen.
Afrikas Regierungen waren in die Gipfelvorbereitungen eingebunden
Ein Gipfel alleine wird natürlich nicht die Welt verändern. Aber er kann der Funke sein, der das Feuer für Geschlechtergerechtigkeit entfacht - weltweit. Nicht nur, weil es zum zentralen Thema ernannt wurde, sondern auch, weil zum ersten Mal afrikanische Staats- und Regierungschefs den gesamten Verhandlungsprozess bis zum eigentlichen Gipfel mit einbezogen sind. Das ist ein absolutes Novum und eine Riesenchance - sowohl für einen offenen Dialog als auch für die Bürger*innen, die ihre Regierungen zur Verantwortung ziehen können. Drei Dinge können die anwesenden Regierenden unternehmen, um zu zeigen, dass sie wirklich daran interessiert sind, Fortschritte bei der Gleichberechtigung zu erzielen:
Erstens sollte jedes teilnehmende Land beim G7-Gipfel zusichern, bis 2022 mindestens zwei Gesetzesänderungen oder politische Maßnahmen umzusetzen, um Gleichstellung voran zu bringen - entweder durch die Abschaffung diskriminierender Gesetze oder durch die Verabschiedung progressiver Bestimmungen. Senegal könnte zum Beispiel damit beginnen, Vergewaltigung zu kriminalisieren oder sicherzustellen, dass politische Maßnahmen im Bereich Bildung geschlechtersensibel sind. Gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit ist ein weiteres Beispiel. Und damit sind alle Länder gemeint.
Absprachen müssen eingehalten und kontrolliert werden
Die G7 sollten zweitens Geld auf den Tisch legen, um Frauen und Mädchen zu stärken. Denn die Finanzierung von Geschlechtergerechtigkeit ist eine der klügsten Investitionen, die man tätigen kann, um extremer Armut den Garaus zu machen und die Entwicklung eines Landes voranzutreiben. Geschlechtergerechtigkeit sollte bei der Entwicklungszusammenarbeit immer mitgedacht werden und dies sollte sich in der Verwendung der Mittel widerspiegeln. Aber auch die afrikanischen Regierungen müssen ihre Hausaufgaben machen. Sie sollten selbst darin investieren, das Potential ihrer Bürgerinnen freizusetzen.
Damit sichergestellt ist, dass wir am Ende nicht mit leeren Versprechen abgespeist werden, sondern echte Taten sehen, sollten die G7 drittens ein Kontrollsystem einrichten, das nachverfolgt, ob und wie die gemachten Versprechen eingehalten werden. Für den Überwachungsprozess sollte eine unabhängige Institution verantwortlich sein - natürlich in enger Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft.
Der Gipfel in Biarritz ist ein Lackmustest. Hier wird sich zeigen, aus welchem Holz die G7 geschnitzt sind. Historisch betrachtet waren internationale Zusammenarbeit, gemeinsame Entscheidungen und die Initiierung globaler Prozesse die Dinge, die dem G7-Gipfel Legitimität verliehen haben. Es bleibt zu hoffen, dass wir in Punkto Geschlechtergerechtigkeit Taten statt Worte sehen.
Aya Chebbi