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Mario Draghi.
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Mario Draghi vor dem Kauf von Staatsanleihen: Was will die Europäische Zentralbank?

Die einen haben lange darauf gewartet, die anderen fürchten diesen Tag: Heute wird EZB-Chef Mario Draghi den Kauf von Staatsanleihen ankündigen. Was hat das für Folgen – und warum ist Deutschland dagegen?

Mit großer Spannung wird an diesem Donnerstag der Auftritt von Mario Draghi erwartet, dem Chef der Europäischen Zentralbank (EZB). Ökonomen gehen davon aus, dass die obersten Währungshüter der Eurozone auf ihrer Sitzung dem Verlangen von EZB-Chef Mario Draghi nachgeben und ein breit angelegtes Programm zum Kauf von Staatsanleihen der Euro-Staaten verabschieden. Am Mittwoch berichtete die Agentur Bloomberg unter Berufung auf EZB-Quellen, Draghi wolle von März an bis 2016 monatlich 50 Milliarden Euro ausgeben.

Welche Probleme soll das lösen?

Mit dem Vorhaben soll eine nach Ansicht der EZB drohende Deflation bekämpft werden. Zudem soll mehr Geld in die Wirtschaft gepumpt und die Zinsen gedrückt werden, damit es in den Krisenländern wieder aufwärts geht. Durch den aggressiven Ankauf von Staatsanleihen steigt der Kurs dieser Anleihen. Da der versprochene Zins auf die Staatsanleihe bis zum Ende der Laufzeit konstant bleibt, sinkt die Zinsrendite bezogen auf den Preis der Anleihe, wenn dieser Preis steigt.

Neue Käufer müssen sich dann mit niedrigeren Renditen auf den bezahlten höheren Preis zufrieden geben. Die Folge ist, dass Anleger, Pensionskassen, Lebensversicherungen, Fonds und andere Formen der Alterssicherung für eine bessere Rendite riskantere Anlagen benötigen. Zum Beispiel Unternehmensanleihen. Oder Aktien, die eine höhere Dividende bieten. Deren Kurse steigen dann ebenfalls und senken damit die Renditen.

Das Ergebnis: Die Zinsen und Renditen fallen quer durch alle Anlageklassen. Die Wirtschaft profitiert von niedrigeren Zinsen, sei es bei den Banken, sei es bei Unternehmensanleihen. In der Folge können Investitionen billiger finanziert werden, die Rentabilität steigt durch die niedrigeren Kreditkosten, es wird möglicherweise mehr investiert, es entstehen vielleicht mehr Arbeitsplätze, das mögliche zusätzliche Wachstum spült Steuern in die Staatskasse und reduziert die Staatsschulden. Und noch etwas passiert dann: Die Währung fällt im Wert gegenüber anderen Währungen. Das nützt den Exporteuren.

Was spricht gegen dieses Vorgehen?

Der Chef der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, sieht keine Deflation in der Eurozone heraufziehen. Damit fehlt für ihn die Grundlage für ein solches Programm. Für diese Sichtweise gibt es gute Gründe. Zwar betrug die Teuerung in der Eurozone 2014 minus 0,2 Prozent. Damit herrscht offiziell Deflation. Wenn man aber den Ölpreisverfall – er ist ein äußerlicher Faktor, der mit der Wirtschaft in der Eurozone nichts zu tun hat – herausrechnet, dann betrug die Teuerung immerhin plus 0,8 Prozent. Das ist zwar weniger, als die angestrebten knapp zwei Prozent, aber es ist keine Deflation. Zudem ist die Produktivität gestiegen und in einigen Peripheriestaaten wird bereits wieder Wachstum registriert, was gegen eine Deflation spricht.

Wegen der Zinssenkungen in der Vergangenheit und verschiedenen anderen unkonventionellen Maßnahmen der EZB sind die Zinsen bereits auf breiter Front gesunken. Für eine zehnjährige italienische Staatsanleihe gibt es nur noch 1,62 Prozent Zinsen. Das ist ein Rekord. Noch nie in seiner Geschichte musste der italienische Staat so wenig Zinsen zahlen. Ähnliches gilt mit Ausnahme des Sonderfalls Griechenland für alle Staaten der Eurozone. In Deutschland wurde zum ersten Mal eine fünfjährige Anleihe mit Null Prozent Zins angeboten.

Billiges Geld und noch lange sehr niedrige Zinsen bergen aber, sagen Kritiker, noch eine Gefahr: Sie nehmen den Reformdruck vor allem in Italien und Frankreich, lassen Defizite und Schulden weiter anwachsen. Davor warnte am Montagabend auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), ausgerechnet beim Neujahrsempfang der Deutschen Börse in Frankfurt. Krisenprogramme der EZB könnten politische Reformen nicht ersetzen. „Der Druck auf die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit in Europa muss erhalten bleiben, sonst wird uns nichts, aber auch gar nichts helfen“.

EZB-Präsident Draghi und Bundesbank-Chef Weidmann hörten gemeinsam aufmerksam zu. Noch etwas kommt hinzu: Wenn der Euro fällt, verteuern sich die Importe wie Öl, Lebensmittel und Güter zur Weiterverarbeitung. Außerdem lädt die Eurozone China und andere Länder mit großen Reserven ein, die hiesige Wirtschaft billig aufzukaufen, weil ihre Währung viel und der Euro weniger wert sein wird.

Gibt es Auswirkungen auf die soziale Ungleichheit?

Der Ankauf von Staatsanleihen in den USA hat die soziale Ungleichheit massiv vergrößert. Die Reichen wurden sehr viel reicher, weil sie Anleihen und Aktien besitzen. Beide Anlageklassen profitierten, weil in der Folge der Anleihekäufe die Kurse außerordentlich stark stiegen. Der Dax hat sich seit dem Tief 2009 bis heute verzweieinhalbfacht. Der S&P 500, das ist der marktbreite Index für die 500 größten US-Aktien, hat sich verdreifacht. Dass der Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB ebenfalls die Reichen reicher machen wird, ist sehr wahrscheinlich.

Eine riesige Umverteilung begleitet die lockere Geldpolitik der Notenbanken schon seit der Finanzkrise. Leidtragende sind wegen der niedrigen Zinsen Sparer, aber auch Beschäftigte, die als weitere Säule der Alterssicherung in betriebsgebundene oder branchenspezifische Pensionskassen einzahlen oder zusätzlich Geld über die sogenannte Riesterrente einzahlen. Ähnliches gilt für Kapitallebensversicherungen. Das Geld der Leute wandert in zwei große Schatullen: die der Reichen und die der verschuldeten Staaten.

Wer steht für die Risiken ein?

Laut Statut sind der EZB Käufe von Staatsanleihen am Primärmarkt, also direkt bei der Emission, untersagt. Zwar seien sie am Sekundärmarkt grundsätzlich nicht verboten, sagt Bundesbank-Präsident Jens Weidmann. Aber auch hier sieht er Grenzen. Aus Bundesbank-Kreisen ist zu hören, dass unklar sei, wo der Sekundärmarkt überhaupt beginne: Fünf Sekunden nachdem eine Anleihe begeben wurde, nach einer Stunde oder erst nach drei Tagen? Ohnehin bezweifeln viele, dass die EZB überhaupt das geplante Kaufvolumen realisieren kann.

Es sei etwa kaum vorstellbar, dass Lebensversicherungen oder Pensionskassen ältere, gut verzinste Staatspapiere angesichts der extrem niedrigen Renditen neuer Anleihen vorzeitig verkaufen würden. Für Sebastian Sachs vom Bankhaus Metzler ist trotz des generellen Verbots klar, dass die EZB am Primärmarkt kauft. „Neue Staatsanleihen landen dann direkt in den Büchern der Notenbank.“ Ob dies tatsächlich unerlaubte Staatsfinanzierung ist, hält er für nicht geklärt. „Das gibt es eine rechtliche Grauzone.“

Die Deutschen und die Griechen sind sich alles andere als einig

Mario Draghi.
Mario Draghi.
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Was ist die deutsche Haltung in der EZB?

Sabine Lautenschläger gibt sich kämpferisch. Mehr noch als Bundesbank-Präsident Jens Weidmann. Die einzige Frau im sechsköpfigen Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB) wird an diesem Donnerstag im 41. Stock im Ratssaal der Notenbank gegen ein breit angelegtes Kaufprogramm von Staatsanleihen der Euro-Staaten stimmen. Weidmann wird es ihr gleichtun, aber er spricht darüber nicht so offen wie die frühere Vizepräsidentin der Bundesbank. Beide werden angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Zentralbankrat ein Votum für den Kauf kaum verhindern können. Schließlich stimmen neun „Tauben“ – Zentralbanker, die für eine lockere Geldpolitik stehen – ab, aber nur sechs Falken – sie unterstützen eine restriktivere Geldpolitik. Sechs Notenbanker gelten als neutral. Lautenschläger, für klare Worte bekannt, lässt keinen Zweifel daran, dass sie wie Weidmann zu den Falken zählt – im Gegensatz zu EZB-Präsident Mario Draghi. Ihre Argumente klingen einleuchtend: Der Kauf von Staatsanleihen sei ultima ratio der Geldpolitik. Die Voraussetzungen dafür seien derzeit aber nicht gegeben, zumal die bisherigen EZB-Maßnahmen wie der Kauf von Pfandbriefen und verbrieften Krediten noch nicht ihre volle Wirkung hätten entfalten können. „Von Deflation kann derzeit keine Rede sein“, sagt Lautenschläger. Und: „Den Kreditinstituten in Südeuropa fehlt es derzeit nicht an Liquidität. Viele Banken zögern vielmehr auch mit der Kreditvergabe, weil ihnen das Risiko zu groß erscheine, dass die Schuldner den Kredit nicht zurückzahlen können.

Weidmann sieht es ähnlich. Er vermutet eine möglicherweise der EZB verbotene Staatsfinanzierung. Doch wird der EZB-Rat die Pläne von Draghi mit sehr großer Wahrscheinlichkeit absegnen und dem Kauf von Staatsanleihen zustimmen. Dies sei eines der Werkzeuge, die die EZB zur Erfüllung ihres Mandates nutzen dürfe, sagt der Italiener. Staatsfinanzierung sei der EZB aber nicht erlaubt, fügt er hinzu. Den Weg hat zudem der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der vergangenen Woche geebnet. Ihm zufolge darf die EZB den Banken Staatsanleihen abkaufen, um ihnen auf diesem Weg mehr Geld bereitzustellen. Wie Draghi auf die Deutschen zugeht Marion Draghi wird das Programm aber vermutlich abmildern, um vor allem die Deutschen nicht zu sehr zu verärgern. Er folgt damit einer Idee, die Bundesbank-Chef Weidmann im Dezember formuliert hatte. Danach kauft die EZB allenfalls die Hälfte der Staatsanleihen, die andere Hälfte kaufen die nationalen Notenbanken und zwar nur Staatsanleihen des eigenen Landes bis zur Höhe von maximal 25 Prozent der Staatsschulden. Damit bleiben die Risiken eines Zahlungsausfalls für diese Käufe bei der jeweiligen Notenbank und fallen nicht auf die ganze Eurozone. Die Bundesbank etwa kauft nur Bundesanleihen. Was faktisch risikolos ist, da die Bundesrepublik nicht in die Staatspleite rutschen wird. Möglicherweise wird die EZB auch Anleihen europäischer Organisationen wie der EU oder der Europäischen Investitionsbank (EIB), aber auch Bundesländer-Anleihen, Anleihen deutscher Förderbanken wie der KfW, der NRW-Bank oder der Landesbank Baden-Württemberg und von Unternehmen kaufen. Deshalb sprechen Experten von „breit angelegten“ Käufen. Draghi selbst hat betont, die EZB werde alle Optionen prüfen – „außer Gold“.

Droht eine Neuauflage der Krise um Griechenland?

In Griechenland ist die Stimmung wenige Tage vor der Parlamentswahl angespannt. Nun heißt es in griechischen Medien, bereits durch die Entscheidung von EZB-Chef Draghi drohe in den kommenden Tagen ein „de-facto Grexit“. Grund für die Beunruhigung sind Gerüchte, die EZB wolle griechische Staatspapiere beim Anleihekauf aussparen. Weil ein weiterer Schuldenschnitt für Griechenland inzwischen als wahrscheinlich gelte, wolle sich die EZB keinem Verlustrisiko aussetzen. Auch wenn es für die Gerüchte keine Bestätigung gibt, halten Finanzexperten sie für schlüssig. „Würde die EZB in dieser Situation griechische Staatsanleihen kaufen, dann wäre sie leichter erpressbar“, sagt Clemens Fuest, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung. „Sollte die Entscheidung gegen Griechenland fallen, dann wird das schmerzhaft für das Land“, sagt Stefan Homburg, Direktor am Institut für öffentliche Finanzen der Universität Hannover, Schon jetzt lägen die Zinsen für griechische Staatsanleihen bei rund zehn Prozent, bei spanischen Anleihen dagegen bei zwei Prozent. Wenn Draghi die Griechen ausspare, wirke das als Signal an die Märkte, dass auch in Europa niemand mehr daran glaube, dass die Griechen ihre Schulden zurückzahlen könnten. Der Druck auf die griechischen Anleihen werde weiter zunehmen. Trotzdem ist laut Finanzwissenschaftler Clemens Fuest keine Wiederholung der Situation von 2010 zu befürchten: „Den Großteil seiner Schulden hat Griechenland nicht am freien Markt, sondern bei den EU-Geldgebern und dem IWF. Für diese Gelder zahlt es deutlich niedrigere Zinsen.“

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