zum Hauptinhalt
US-Präsident Donald Trump (rechts) versteht sich gut mit dem saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman.
© imago/Zuma Press

Gastgeber Saudi-Arabien und Trumps letzter Auftritt: Was vom Gipfel der G20 zu erwarten ist

Die G20 tagen in diesem Jahr nur per Videogipfel. Gastgeber ist ausgerechnet Saudi-Arabien - und für Trump ist es der letzte große internationale Termin.

In einigen europäischen Hauptstädten dürfte die Nachricht mit einer gewissen Erleichterung aufgenommen worden sein: Der G-20-Gipfel, der in diesem Jahr unter dem Vorsitz Saudi-Arabiens steht und am Samstag beginnt, findet wegen der Corona-Pandemie nur als Videokonferenz statt. Damit bleibt den Teilnehmern eine protokollarisch heikle Reise in ein Land erspart, das vor zwei Jahren wegen der Ermordung eines Journalisten Schlagzeilen machte.

Für einen der Gipfelteilnehmer, den US-Präsidenten Donald Trump, wird es nach seiner Wahlniederlage wohl der letzte Auftritt auf großer internationaler Bühne sein. Auch das dürften vor allem die europäischen Teilnehmer mit Erleichterung registrieren. Denn seit Trump am Tisch sitzt, wurden Einigungen bei G-20-Treffen, insbesondere zum Thema Klima, sehr schwierig. Dabei sind die G20 in diesem Krisenjahr auf Einigkeit dringend angewiesen.

DIE PANDEMIE UND DAS GELD

Eigentlich wollten die wichtigsten Industrie- und Schwellenländer der Welt, die in der „Gruppe der Zwanzig“ versammelt sind, in diesem Jahr ein Großprojekt in Angriff nehmen: eine Reform der globalen Unternehmensbesteuerung. Ziel ist es, das Steuersystem an das digitale Zeitalter anzupassen und so auch die großen Digitalkonzerne angemessen zur Kasse zu bitten. Doch dann kam die Coronakrise, und die Finanzminister der G-20Staaten verschoben die Steuerreform-Vorschläge auf das kommende Jahr. Im Zentrum der Beratungen steht nun der Kampf gegen die Corona-Pandemie.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte.]

Bereits im März hatten sich die Staats- und Regierungschefs auf einem außerordentlichen Videogipfel über erste gemeinsame Antworten in der Krise verständigt. Dabei regten die G20 eine globale Plattform für die Entwicklung und die weltweite Verteilung von Corona- Tests, Medikamenten und Impfstoffen an, damit auch die ärmeren Länder die Mittel erhalten, die zur Eindämmung der Pandemie erforderlich sind.

Mit Sorge sehen die G20 zudem die Auswirkungen der Pandemie auf die Weltwirtschaft. Für die konjunkturelle Erholung und die Finanzstabilität müsse alles getan werden, mahnten die Finanzminister vor dem Gipfel. Der Internationale Währungsfonds (IWF) rechnet in diesem Jahr mit einem Einbruch der Weltwirtschaft von 4,4 Prozent. Das wäre die schwerste Rezession seit der globalen Krise Ende der 20er Jahre.

ARME STAATEN UND DIE CORONAKRISE

Von der Pandemie sind die ärmsten Staaten gleich doppelt getroffen. Sie leiden sowohl unter der nahezu ungebremsten Ausbreitung des Virus als auch unter den schweren wirtschaftlichen Folgen, die sie aufgrund fehlender finanzieller Mittel und hoher Schulden nicht abfedern können. Auch dringend nötige Investitionen im Gesundheitswesen können sie sich nicht leisten. Den besonders schwer von der Krise betroffenen Staaten werden in diesem Jahr die Zins- und Tilgungszahlungen gestundet. Die G-20-Finanzminister verständigten sich im Oktober darauf, dieses Schuldenmoratorium bis Mitte 2021 zu verlängern.

Doch das ging nicht nur den betroffenen Ländern, sondern auch dem IWF und der Weltbank nicht weit genug. Die Regelung verschiebe die Zahlungen nur in die Zukunft, aber die Schulden würden nicht reduziert, kritisierte Weltbankpräsident David Malpass. Kurz vor dem Videogipfel beschlossen die G-20-Finanzminister nun eine Rahmenvereinbarung für weitere Schuldenerleichterungen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sprach von einem „starken Signal internationaler Solidarität“ und fügte hinzu: „Das beweist: Wenn es darauf ankommt, sind die G20 handlungsfähig.“ Die Staats- und Regierungschefs müssen die Pläne bei ihrem Gipfel noch absegnen.

Entscheidend für das Gelingen des Projekts wird es unter anderem sein, ob der G-20-Staat China sich aktiv beteiligt. Für viele afrikanische Staaten ist die Regierung in Peking der größte staatliche Gläubiger. Die Pläne der G20 sehen vor, dass die Gläubigerstaaten gemeinsam mit einem Schuldner verhandeln. Unklar ist allerdings, inwieweit sich private Gläubiger anschließen werden. Und die betroffenen Länder sind wie so oft bei den G20 bei den entscheidenden Gesprächen nicht dabei.

SAUDI-ARABIENS ZIELE

Für den Gastgeber ist der Gipfel eine Sache des Prestiges und zugleich heikel. Saudi-Arabien möchte gerne in der ersten Liga der Mächtigen mitspielen. Dass das Königreich Teil des G-20-Formats ist, erfüllt die Herrscher deshalb mit Stolz. Denn so kann der Welt und nicht zuletzt dem eigenen Volk vor Augen geführt werden: Der Anspruch, ein Global Player zu sein, wird von den Einflussreichen zwischen Washington und Moskau ernst genommen. Doch die auf den – schwindenden – Ölreichtum gestützte wirtschaftliche Stärke steht in keinem Verhältnis zur politischen.

Das treibt vor allem den 34-jährigen Kronprinzen an und um. Mohammed bin Salman gilt als ehrgeizig, ja, ungestüm. Er möchte sein Land mit allen Mitteln in die Moderne führen und hält es für angemessen, dass die Welt der Wüstenmonarchie Respekt entgegenbringt. Doch der Thronfolger ist eben auch das Problem. Immer wieder prescht er wie ein Bulldozer voran. Weder diplomatisches noch strategisches Geschick zeichnen bin Salman bisher aus. Besonders fatal ist sein Hang zur Willkür und Despotie.

In Saudi-Arabien herrscht der Prinz mit eiserner Hand. Jede Form von Opposition empfindet er als Bedrohung seiner Macht. Bereits mehrfach ist er mit großer Brutalität gegen Widersacher im Establishment vorgegangen. Wer sich für Menschenrechte engagiert oder es wagt, die Monarchie zu kritisieren, landet umgehend im Gefängnis. Oder muss mit seinem Leben bezahlen. Wie der Regimekritiker Jamal Khashoggi, der im Oktober 2018 in Istanbul von einem saudischen Killerkommando ermordet wurde. Die UN-Ermittler sind sich sicher, dass bin Salman von dem Plan wusste. Vermutlich ordnete der Kronprinz den Mord sogar an.

Seitdem machen Angela Merkel, Emmanuel Macron und Co. einen Bogen um den saudischen Thronfolger. Politisch gilt bin Salman als Paria, mit dem man nicht gerne zusammen gesehen wird, weil an seinen Händen Blut klebt. Neben Wladimir Putin hält bis heute nur Trump demonstrativ zu ihm. Doch das Ende der Fürsprache des abgewählten US-Präsidenten ist in Sicht. In einigen Wochen wird Joe Biden ins Weiße Haus einziehen – und damit dreht sich auch für Saudi-Arabien womöglich der Wind. Amerikas künftiger Staatschef hat schon klargemacht, dass er nicht gewillt ist, dem Prinzen einen Freibrief auszustellen.

TRUMPS AUFTRITT

Trump liebt die internationale Bühne, hält aber wenig vom Multilateralismus. Immer wieder fiel der US-Präsident bei solchen Gipfeltreffen mit seinem erratischen Auftreten aus der Rolle. In diesem Jahr bietet das G-20-Treffen ihm die Möglichkeit, sich der Welt und vor allem seinen Anhängern als Handelnder zu präsentieren.

Eine Art Familientreffen: Im Jahr 2019 kamen die G20 im japanischen Osaka zusammen.
Eine Art Familientreffen: Im Jahr 2019 kamen die G20 im japanischen Osaka zusammen.
© Kim Kyung-Hoon/AFP

Während sich Joe Biden stoisch auf die Machtübernahme vorbereitet, weigert sich Trump, die Realität seiner Niederlage anzuerkennen. Dabei haben fast alle der Staats- und Regierungschefs, die er nun virtuell treffen wird, den Wahlsieg Bidens anerkannt, manche wie Merkel und Macron auch noch auffallend schnell.

Und in vielen dieser Glückwünsche tauchte unverhohlen die Hoffnung auf, mit dem 46. Präsidenten der USA bei den großen Problemen der Welt endlich wieder zusammenzuarbeiten – unter anderem beim Thema Klimawandel. Anders als Trump erkennt Biden die daraus folgenden Gefahren: In seinen ersten 100 Tagen will er den von Trump veranlassten und am Mittwoch nach der Wahl offiziell vollzogenen Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen rückgängig machen. Auch gibt es Aufforderungen an Biden, er solle nach seinem Amtsantritt am 20. Januar rasch darauf dringen, dass es einen weiteren G-20-Gipfel gibt, dann unter dem Vorsitz Italiens.

[Mit dem Newsletter „Twenty/Twenty“ begleiten unsere US-Expertinnen und Experten Sie jeden Donnerstag noch bis zur Amtseinführung des neuen Präsidenten. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung: tagesspiegel.de/twentytwenty.]

Bei einem Treffen, an dem ein sich der Realität verweigernder US-Präsident teilnimmt, sind substanzielle Fortschritte schwer vorstellbar. Erst recht bei der Frage, wie die Welt bei der Bekämpfung der Pandemie besser zusammenarbeiten kann – Trump hat schon an einer nationalen Corona-Strategie kein Interesse.

Ein Thema, das beim Gipfel eine Rolle spielen dürfte, ist der Umgang mit China. Trump nennte Corona das „China-Virus“ und wirft der Volksrepublik vor, für die Pandemie verantwortlich zu sein. Es ist davon auszugehen, dass er diese Vorwürfe wiederholt. Auch China hat inzwischen Biden zum Wahlsieg gratuliert.

HINTERZIMMER DER MACHT

Für den G-20-Gipfel gilt dasselbe wie für viele Veranstaltungen, die wegen der Pandemie nur vor dem Bildschirm stattfinden: Die Gespräche am Rande fallen weg. Dabei sind aus Sicht der G-20-Teilnehmer die Vier-Augen-Runden beinahe wichtiger als das Treffen selbst. Denn hier haben die Staats- und Regierungschefs die Möglichkeit, ohne die sonst übliche Agenda informell miteinander ins Gespräch zu kommen. Andererseits sind es gerade diese Hinterzimmergespräche, die von Kritikern der G20 als Problem gesehen werden. Überhaupt sind die G20 keine internationale Organisation, sondern nur ein informeller Zusammenschluss von wichtigen Industrie- und Schwellenländern. Gegner bemängeln daher, dass ihr die Legitimation für wichtige Entscheidungen fehle.

Normalerweise sind die Gipfel von Protesten begleitet, die Staats- und Regierungschefs werden unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen abgeschirmt. Für die Zusammenkunft in Hamburg 2017 gab Deutschland einen dreistelligen Millionenbetrag aus. Hinzu kommt die ungünstige Klimabilanz solcher Treffen. All das fällt nun weg – so könnte die Pandemie zeigen, dass es zeitgemäßere Formen für solche Gipfel gibt.

Zur Startseite